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Erfahrungen aus dem Jahrgang 2005 sowie Anmerkungen zum Rebschnitt

 

R. Fox und P. Steinbrenner
LVWO Weinsberg

 

Die Vergangenheit und die Gegenwart sind die Mittel, die Zukunft ist unser Zweck. Dies ist gerade im landwirtschaftlichen Bereich tägliches Brot, denn nach der Ernte wird schon im Hinblick auf die nächste Vegetationsperiode geplant bzw. entscheidende Weichen gestellt. Was waren die besonderen Lehren des Jahres 2005?

Früher Austrieb, Blüte wie auch Reifebeginn werden kaum noch als etwas Besonderes empfunden. Eher schon der trotz teilweise Wasserknappheit hohe Peronosporadruck bereits um und kurz nach der Blüte sowie im Juli/August. Die nicht ganz optimale Blütewitterung zusammen mit teils erheblichem Botrytisbefall führten letztlich zu geringeren Erträgen als zunächst aufgrund der Gescheinsauszählungen sowie der allgemeinen Vegetationsentwicklung erwartet wurde. Der Bilderbuchstart der Traubenreife weckte hohe Qualitätserwartungen an den heranreifenden Jahrgang, die letztlich auch erfüllt wurden. Lokal besonders hohe Niederschläge im August sowie verbreitet in den ersten Oktobertagen führten fäulnisbedingt - siehe Abbildungen 1 und 2 - zu einer gezwungenermaßen raschen Lese, auch der spätreifen Sorten. Der Jahrgang 2005 kann aus jetziger Sicht trotz des frühen Lesetermines etwa zwischen den Jahrgängen 2003 und 2004 und damit als qualitativ hochwertig eingestuft werden.

 

                                          

Abbildung 1: Links kompakte faule, recht extrem lockere gesunde Rieslingtraube. Lockere Trauben sind kaum botrytisgefährdet

 

Abbildung 2: Eine optimale Laubwandstruktur sichert gesunde Trauben auch bei hohem Botrytisdruck

 

Der fortgeschrittene Vegetationsstand zum Beginn der Reifemessungen am 5. September - siehe Abbildung 3 - macht den positiven Einfluß des Klimawandels mit seinem höheren Energieangebot deutlich. So lagen sowohl der frühreife Schwarzriesling als auch der spätreife Riesling im Vergleich zum langjährigen Mittel bereits zum Reifebeginn auf wesentlich höherem Mostgewichtsniveau bei gleichzeitig geringerem Säuregehalt. Die Reifeentwicklung verlief nahezu parallel mit dem langjährigen Mittel, zunächst steil, dann jedoch bei zunehmend kürzeren Tagen/abnehmenden Vegetationsstunden flacher. Der Mostgewichtsvorteil beider Sorten von 5 bzw. 10° Oechsle zum Lesetermin bei entsprechend reiferen Säuren spricht für die Qualität des Jahrganges 2005.

 

 

Abbildung 3: Reifeentwicklung bei Riesling und Schwarzriesling 2005

(oben Mostgewicht; unten Säure)

 

Die günstigen Bedingungen für die Holzreife, was Energieangebot als auch Nährstoffverfügbarkeit gerade während der Reservestoffeinlagerung kurz vor dem Laubfall angehen, lassen erneut für das kommende Jahr eine gute Fruchtbarkeit erwarten. Das Energieangebot während der Knospenausbildung selbst war jedoch nicht ganz so günstig wie im Vorjahr. Nachdem zum Beispiel beim Trollinger in diesem Jahr verbreitet kaum Überbehang auftrat und gerade diese Sorte deutlich auf Vorjahreserträge reagiert, ist gerade bei dieser Sorte eher wieder mit höherem Fruchtbarkeitspotenzial zu rechnen. In abgeschwächtem Umfang kann dies auch auf andere Sorten übertragen werden, wenn die Erträge 2005 vergleichsweise unterdurchschnittlich waren.

Der teils recht kräftige Wuchs bei allen Sorten sowie die verbreitet überdurchschnittliche Holzleistung lassen für den nächstjährigen Vegetationsbeginn einen guten Start erwarten. In Übersicht 1 ist eine Kurzcharakterisierung des Jahrganges 2005 widergegeben. Übersicht 2 enthält "Lehren“ für 2006.

 

Übersicht 1: Kurzcharakteristik des Jahrgangs 2005

Austriebstermin zum langjährigen Mittel, sehr vollständig.

Blütebeginn ca. 1 Woche früher, teils verzettelte Blüte sowie geringe Befruchtungsrate, je nach Sorte und Bestand später hier teils beachtlicher Stiellähmebefall.

Zügiges Beerenwachstum bei noch ausreichendem Wasserangebot.

Reifebeginn etwa 1 Woche vor dem langjährigen Mittel bei steilem Mostgewichtsanstieg sowie raschem Säureabbau ‑ Bilderbuchstart der Reife.

Im September weiterhin hohes Energieangebot und rascher Reifefortschritt.

Die strahlungsreiche Witterung verbunden mit starken Tag-/Nachtschwankungen der Temperaturen führte zu verlangsamtem Säureabbau sowie wiederum sortentypisch ausgeprägter Aromaausbildung.

Hohe Niederschläge Anfang Oktober führten zu einer vorübergehenden Stagnation der Mostgewichtszunahme.

Im Oktober bei den späten Sorten und günstiger Witterung weiterhin stetiger Reifefortschritt, besonders der physiologischen Reife.

Gegen Mitte September bei frühen Sorten rasch fortschreitender Botrytisbefall, vor allem dort, wo im August hohe Niederschläge gefallen waren oder vitale Bestände vorlagen.

Nach hohen Niederschlägen Anfang Oktober auch bei den spätreifen Sorten rasch fortschreitender Botrytisbefall, insbesondere bei Riesling.

Gesundheitsbedingt verbreitet selektive Lese nötig, wobei teils beachtliche Anteile verworfen werden mussten.

Leseende verbreitet bereits um den 20. Oktober.

Insgesamt wiederum überdurchschnittliches Wärmeangebot bei teils angespanntem Wasserhaushalt (Standort Weinsberg, Niederschlagsdefizit im Juni 61 mm).

Dennoch um und nach der Rebblüte kräftige Peronospora-Infektionen, insbesondere auch der jungen Trauben.

Im Juli/August wegen hohen Peronosporadrucks weiterhin konsequenter Pflanzenschutz notwendig.

Phomopsis- und Oidiumdruck gering.

 

Bedingt durch den überdurchschnittlichen Gescheinsansatz nach recht günstiger Vorjahreswitterung hohe Ertragserwartungen, die jedoch nicht ganz erfüllt wurden.

 

Überdurchschnittliche Mostgewichte bei nahezu idealem Verhältnis Mostgewicht zu Säure wie 10 : 1 bei hohem Weinsäureanteil.

 

Später Laubfall bei guter bis sehr guter Holzreife und überdurchschnittlicher Holzmenge.

 

Vereinzeltes Auftreten von Kräuselmilben und Roter Spinne sowie weiterhin Absterbeerscheinungen als Folge von Eutypiose und Esca.

 

Erstmals verbreitet Schäden durch herdweises Auftreten von Phytoplasmen in besonders warmen Reblagen.



 

Übersicht 2: Lehren für 2006

Mittleres bis überdurchschnittliches Fruchtbarkeitspotenzial legt verhaltenen Anschnitt nahe.

Stockbelastung der individuellen Wuchskraft anpassen ‑ ausgewogenes Wachstum.

Wüchsige Anlagen oder auch solche, die wiederholt ausgedünnt wurden, nicht unterlasten, hier gegebenenfalls im späten Sommer Ertragsregulierung durchführen.

Wuchsangepasste Bodenpflegeintensität zur Vermeidung von Stress einerseits und übermäßigem Wachstum andererseits.

Lokale Magerstellen oder auch üppig wachsende Bereiche gezielt ausgleichen durch Humuszufuhr einerseits sowie Unterlassung der N‑Düngung andererseits.

Jede 2. Gasse Dauerbegrünung mindert Extreme in beide Richtungen, Nieder-schlags- und Nährstoffschübe werden „abgefedert“.

Ausgeglichenes Wachstum begrenzt Beerengrößen, ergibt weniger kompakte Trauben und damit geringere Botrytisanfälligkeit.

Sachgerechte Laubarbeiten, insbesondere Ausbrechen und Auslichtung der Traubenzone mindert die Botrytisgefahr.

Frühzeitige, sortenangepasste Entblätterung trägt wesentlich zur Erzielung gesunder, reifer Trauben bei und mindert den Handleseaufwand.

Bei frühem Austriebs- und Blütetermin und damit frühem Reifebeginn ist erneut mit erhöhtem Fäulnisdruck zu rechnen (Klimawandel); dem ist frühzeitig durch konsequente Laubarbeiten entgegen zu wirken.

Fallen hohe Niederschläge im August/September ist mit enormem "Auflaufen“ der Beeren zu rechnen; hier muss konsequent reguliert werden.

Zeitgerechte, gezielte Ertragsregulierung sichert günstiges Blatt‑/Fruchtverhältnis an allen Trieben und damit gute Qualität.

Die Entfernung unreifer Anteile an einzelnen Trieben/überhangenen Stöcken kurz nach Reifebeginn ist eine sehr effiziente Maßnahme zur Qualitätsverbesserung, sichert gleichmäßige Reifung der Trauben sowie gute Holzreife und beugt Überlastungen/Schwächechlorose vor.

Der Pflanzenschutz ‑ insbesondere die Peronosporabekämpfung ‑ bleibt eine Daueraufgabe und sollte bei zu erwartendem hohem Infektionsdruck konsequent vorbeugend durchgeführt werden. Infektionen um die Blüte sind dabei besonders gefährlich.

Bei der Eindämmung des Schwächeparasiten Botrytis stellen die indirekten Maßnahmen eine unverzichtbare Grundlage dar was vor dem Hintergrund des Klimawandels besonders zu beachten ist.

Eine lockere Traubenzone verbessert hierbei wesentlich die Belagsbildung bei der Ausbringung der Pflanzenschutzmittel und damit deren Wirksamkeit.



 

Grundlage durch Rebschnitt legen

Bereits durch den Rebschnitt wird ein wichtiger Baustein für harmonisches Wachstum bei günstigem Blatt-/Fruchtverhältnis und damit sortentypischen, authentischen Weinen auf hohem Qualitätsniveau gelegt. Ausgehend von mindestens mittlerer potenzieller Fruchtbarkeit ist ganz allgemein verhaltener, wuchsangepasster Anschnitt angezeigt ‑ siehe Übersicht 3. Schwachwüchsige Bestände, Bereiche oder auch Stöcke sind dabei gezielt kurz anzuschneiden, um Harmonie zwischen Blatt- und Fruchtbildung zu erzielen. Zu kurzer Anschnitt bei hoher Vitalität birgt jedoch die Gefahr zu starken Wachstums, dichter Laubwände, kompakter Trauben, hohem Botrytisdruck sowie unterdurchschnittlicher Farb- und Aromaausbildung in sich. Die Erfahrungen auch aus dem Jahr 2005 haben erneut angezeigt, dass vor allem auch in langjährig ertragsbegrenzten Anlagen zunächst mittellanger Anschnitt sinnvoll ist. Eine spätere, gezielte Ertragskorrektur ist hier eher zielführend als ein zu kurzer Anschnitt. Im Sinne harmonischen Wachstums aller Stöcke wie auch insbesondere der Gesundheit der Trauben und damit guter Weinqualität, müssen Anschnitt und Ertragskorrektur als sich ergänzende Maßnahmen angesehen werden.

 

Übersicht 3: Anschnittempfehlung

Rebsorte

Augen/m²

bei 2 Ruten
= Augen/Rute*

bei 1 Rute
= Augen/Rute**

 

Ältere
Anlagen

Jüngere
Anlagen

Ältere
Anlagen

Jüngere
Anlagen

1. Riesling-Gruppe

 

 

Riesling

6 - 7

5

7 -   9

11

Traminer

6 - 8

6

7 - 10

13

2. Müller-Thurgau-Gruppe

 

 

Müller-Thurgau

4 - 6

3 - 4

5 - 7

7 - 9

Kerner

4 - 6

4 - 5

5 - 7

9 - 11

Spätburgunder/
Ruländer/
Samtrot

5 - 7

4 - 5

6 - 9

9 - 11

Schwarzriesling

5 - 7

4 - 5

6 - 9

9 - 11

Lemberger

6 - 7

4 - 5

7 - 9

9 - 11

3. Silvaner-Gruppe

 

 

Silvaner

4 - 6

4

5 - 7

9

Portugieser

5 - 6

4 - 5

6 - 7

9 - 11

Trollinger

5 - 7

4 - 5

6 - 9

9 - 11

Dornfelder

4 - 6

4

5 - 7

9

1 = Weniger furchtbare Sorten mit weniger stark ansteigender Fruchtbarkeit gegen Bogenende. Weniger stark ausgeprägte Menge-/Gütebeziehung bei längerem Anschnitt - qualitätsstabil.

3 = Besonders fruchtbare Sorten mit stark ansteigender Fruchtbarkeit gegen
Bogenende. Ertrag steigt bei längerem Anschnitt besonders stark an. BFV fällt gegen Bogenende besonders stark ab. Besonders stark ausgeprägte
Menge‑/Gütebeziehung - qualitätslabil.

*   = Bei einem Standraum von 2,5 m²/Stock (z. B. 2,0 x 1,25 m bzw. 1,6 m x 1,6 m)

** = Bei einem Standraum von 2,2 m² (z. B. 2 x 1,1 m)

 

                        Dezember 2005/R. Fox



 

Junganlagen nicht überlasten

 

Dass Junganlagen im 3. Jahr besonders fruchtbar sind, ist ansich geläufig, wird jedoch beim Anschnitt immer wieder zu wenig beachtet. Selbst bei leichtem Trockenstress leidet hier dann häufig nicht nur die Qualität der Trauben, sondern noch mehr die gerade an jungen Reben wichtige Reservestoffeinlagerung in dem noch relativ "kleinen“ Altholzanteil. Dies kann jahrelange gravierende Folgen für die Leistungsfähigkeit der Bestände nach sich ziehen. Dem Stockaufbau ist der Vorzug vor dem Ziel hoher Erträge zu geben. Im Hinblick auf eine möglichst lange Lebensdauer (30 ‑ 40 Jahre) bietet sich eine gezielte Kopfbildung durch den Anschnitt eines kurzen Zapfens ca. 15 ‑ 20 cm unter dem Überbiegedraht an. Sachgerechtes Biegen mit Saftstau an geeigneter Stelle sowie bewusstes Belassen von Wasserschossen zum späteren Anschnitt von Zapfen tragen ihrerseits zur Formerhaltung und einfachem Schnitt bei.

 

Nachdem die zunehmende Mechanisierung gerade Stämme voraussetzt, ist bei der Aufzucht, aber auch später, der Formgebung der Stöcke hohe Bedeutung zu schenken ‑ siehe Abbildungen 4 und 5. Wird bei einem Biegdrahtabstand von 20 cm der Kopf kurz über dem Anbindedraht angeordnet und durch eine "Bindung“ stabilisiert, so entsteht später beim Biegen recht kopfnah ein Saftstau, der wesentlich zur Förderung der Basistriebe und damit der Formerhaltung beiträgt. Der Anschnitt lediglich eines Bogens mindert eventuelle Verdichtungsprobleme im Stockinnern und sichert in Verbindung mit einem Zapfen in der Regel eine gute Zielholzbildung für das Folgejahr.

 

              

                             

 

Die Kunst des Winzers wird auch in diesem Jahr darin bestehen, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun, ohne vorher genau zu wissen, ob er wirklich richtig handelt. Ein gutes Stück Erfahrung, die Kenntnis seiner Bestände sowie an den Vegetationsverlauf angepasste Maßnahmen sind dabei wesentliche Hilfen. Passt die Witterung, war alles richtig.

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