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Phomopsisbekämpfung wieder aktuell

Von Dr. W. K. Kast, Staatl. Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau,
D-74189 Weinsberg
E-Mail: walter.kast@lvwo.bwl.de

Entwicklung des Phomopsisbefalls in den letzten Jahren

In Württemberg herrschte in den Jahren 1987 bis 1989 ein ausgesprochener Befallshöhepunkt des Phomopsispilzes. Seit 1988 ist der Befall rückläufig. Phomopsis verhält sich hier genau entgegengesetzt zum Oidiumerreger, da der Rebenmehltau vor allen Dingen durch trockene Bedingungen im Mai gefördert wird. Der Phomopsispilz dagegen schaukelt sich auf, wenn mehrere Jahre hintereinander in der Austriebsphase hohe Niederschläge fallen. Durch die relativ feuchten Bedingungen jeweils kurz nach dem Austrieb hat sich der Erreger in den letzten Jahren in vielen Weinbergen wieder sehr stark ausgebreitet. Da der Phomopsispilz ähnlich wie der Oidiumpilz direkt an der Rebe überwintert, hängt der Befallsdruck sehr stark vom Vorjahresbefall ab. Deshalb muß die Bekämpfung neu überdacht werden.

Anfälligkeit der Rebe

Grundsätzlich infiziert der Phomopsispilz hauptsächlich junges noch im Teilungs- und Streckungswachstum befindliches Gewebe. Deshalb ist die anfälligste Phase der Zeitraum des Austriebs, in dem sich die wachsenden Teile in der Nähe der Pyknidien befinden, den Sporenlagern (= schwarzen Punkten) im weißverfärbten Teil der Ruten (Abb. 2). Einzelne Infektionen können zwar auch noch später stattfinden, insbesondere wenn ein Trieb von unten an einem weißverfärbten Rutenteil vorbei wächst. Massive Schäden entstehen aber fast ausschließlich in der Phase Knospenbaufbruch (siehe Abb. 1) bis Dreiblatt-Stadium (Abb. 7).   

 

    Phomopsis1

 

      Phomopsis2

Abb. 1: Sporenausstoß bei Phomopsis in der
gefährlichen Phase

 

Abb. 2: Weißrutigkeit mit schwarzen Punkten (Pyknidien) durch Phomopsisbefall

Phomopsis7

Abb. 7: Phomopsisschäden am jungen Blatt im Frühstadium

 

Zwischen den Rebsorten bestehen erhebliche Unterschiede in ihrer Anfälligkeit gegenüber Phomopsis. Besonders anfällig sind Müller-Thurgau, Kerner und Trollinger. Kaum befallen werden alle Sorten der Burgundergruppe, eine Mittelgruppe bilden Riesling, Silvaner, Dornfelder und Lemberger.

Einen wesentlichen Einfluß auf den Phomopsisbefall hat, wie bei vielen anderen Pilzkrankheiten ebenfalls, die Stickstoffdüngung. Der geringste Befall wurde nicht immer bei der ungedüngten Nullvariante, sondern bei geringer Stickstoffzufuhr (ca. 50 kg N/ha) gefunden. Zumindest der Schaden (Nekrosen) kann auch bei Stickstoffmangel verstärkt auftreten. Die Ursache für das verstärkte Auftreten in mangelhaft versorgten Parzellen dürfte das langsamere Wachstum beim Austrieb sein. Dadurch befindet sich die anfällige Triebspitze länger im kritischen Bereich in der Nähe der Pyknidien am vorjährigen Rebtrieb. In vitalen, aber nicht zu masten Anlagen dürfte der Schaden am geringsten sein. Solche Anlagen wachsen der Phomopsis schnell davon.

Einfluß der Spritzungen auf die Befallsentwicklung

Der Einfluß der Behandlungen ist langfristig gesehen im Verhältnis zum Einfluß der Jahreswitterung relativ gering. Da der Phomopsispilz im wesentlichen unmittelbar unterhalb der Triebspitze infiziert, entstehen durch den Zuwachs ständig ungeschützte Stellen. Eine 100%ig sichere Behandlung ist deshalb praktisch nicht möglich. Hierzu wären in manchen Jahren Spritzabstände von 2 bis 3 Tagen notwendig.

Wirtschaftlicher Schaden

Drei wesentliche Möglichkeiten, wirtschaftliche Schäden auszulösen, müssen bei Phomopsis in Betracht gezogen werden:

  1. Absterbeerscheinungen (Ausfall ganzer Stöcke oder Absterben von Teilen der Rebstöcke).
  2. Schädigungen durch das Wachstum im Winter in der Borke (z. B. Augenausfall, Hochbauen, Brüchigkeit der Ruten).
  3. Schädigungen durch die weitgehend oberflächliche Abtötung grüner Rebteile (Nekrosen, siehe Abb. 3 + 4) beim Austrieb verbunden mit Wachstumsverzögerungen.

 

Phomopsis3

 

Phomopsis4

Abb. 3: Verschorfung (Nekrosen) durch Phomopsisbefall

 

Abb. 4: Schiffchenförmig aufgeplatzte Oberfläche der grünen Triebe im Frühstadium

 

Untersuchungen der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg ergaben keinerlei Hinweise darauf, daß über Absterbeerscheinungen wesentliche Schäden entstehen können. Auch bei einem extremen Befall über mehrere Jahre, mit sehr tief gehenden Nekrosen am einjährigen Rebholz, die zum Teil bis ins Mark reichten, wurden keinerlei Absterbeerscheinungen beobachtet. Sehr viele andere holzzerstörende Pilze z. B. der Eutypioseerreger verfügen durch die Ausscheidung von Giftstoffen (Toxinen) über eine wesentlich größere zerstörerische Potenz als der Phomopsispilz.

Starker Phomopsisbefall wird häufig in Anlagen mit schwachem Wuchs gefunden und die Ursache des schwachen Wachstums dann dem Befall durch Phomopsis zugeschrieben. Die Untersuchungen in Weinsberg ergaben jedoch keinerlei Hinweise, daß langfristig die Wuchskraft von Anlagen geschwächt werden könnte. Die Rebholzmenge war in langjährig behandelten und unbehandelten Parzellen gleich. Sehr wahrscheinlich ist die Wirkungskette zwischen Phomopsis und schwachem Wachstum genau umgekehrt zu sehen. Wie bereits erläutert, führt schwaches Wachstum zu stärkeren Schäden durch Phomopsis. Starker Phomopsisbefall dürfte deshalb oft Folge und nicht Ursache des schwachen Wachstums solcher Anlagen sein.

Ein vermehrter Ausfall von Augen wurde in Versuchen der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg nur in einzelnen Jahren beobachtet. Auch die Deformation ("Hochbauen") variiert deshalb sehr stark von Jahr zu Jahr. Im Durchschnitt der Anlagen wurde maximal ein Hochbauen um 4 cm festgestellt. Auffällig ist dabei, daß Einzelstöcke oft sehr stark von der Deformation des Aufbaus betroffen sind. Das Hochbauen wird natürlich stärker auftreten, wenn gezielt gesunde Rebtriebe angeschnitten werden, weil sich diese aufgrund des oben erwähnten Ausbreitungsverhaltens sehr weit oben am Rebstock befinden.

Wirtschaftliche Schäden entstehen vor allen Dingen durch die Schädigung der Triebspitzen beim Austrieb. Durch intensive Bekämpfung (4 Behandlungen) konnte in Versuchen ein Mehrertrag von etwa 10 % erzielt werden. Das Mostgewicht war trotz des höheren Ertrages exakt gleich. Die Parzellen, die zwei Jahre hintereinander behandelt wurden, hatten einen fast doppelt so hohen Mehrertrag. Allerdings war das Mostgewicht in diesem Fall etwas geringer. Dieser zusätzliche Mehrertrag kam durch einen geringeren Augenausfall zustande. Ein durch Phomopsisbefall verursachter, erhöhter Augenausfall hätte jedoch auch durch einen längeren Anschnitt ausgeglichen werden können.

Aus insgesamt 292 ausgewerteten Einzelparzellen wurde in Weinsberg eine Befalls-Verlust- Relation errechnet. Bei einem Befall (Weißrutigkeit) von 10 % ist mit einem Verlust von etwa 2,4 % des Ertrages zu rechnen.

Bekämpfungsschwelle

Da der Schaden bei Phomopsis sehr stark vom Vorjahresbefall abhängt, läßt sich aus dem vorhandenen Befall zumindest grob eine Bekämpfungsschwelle ableiten. Die Kosten der Bekämpfung (Mittelkosten, Maschinenkosten, Arbeitskosten) dürften für die notwendigen 2 - 3 Behandlungen bei ca. 300,-- DM pro ha liegen. Gegen das Schadsymptom Weißrutigkeit wurden in den Weinsberger Versuchen im Schnitt der Jahre Wirkungsgrade (Befallsminderung) von etwa 30 % erzielt. Die Bekämpfungsschwelle ist natürlich auch sehr stark vom Wert des Ertrages abhängig. Je weniger die Trauben wert sind, desto höher liegt die Bekämpfungsschwelle. Unter den gemachten Annahmen ergibt sich die in Abb. 5 gezeigte Relation zwischen dem Wert des Ertrags und einer sinnvollen Bekämpfungsschwelle. 10 % Befall im Schnitt der Anlage dürfte einem durchschnittlichen Befall von einem weißen Internodium entsprechen. Da mehr als 5 - 6 befallene Internodien auch in Perioden starken Befalls kaum auftreten, kann generell gesagt werden, daß bei einem geringen Wert des Ertrages eine Phomopsisbekämpfung in der Regel unwirtschaftlich ist. Bei höheren Erlösen, wie sie z. B. beim Trollinger in Württemberg häufiger erzielt werden, wird dagegen die Schwelle der Bekämpfungswürdigkeit sehr schnell erreicht.

   

Abb. 5: Bekämpfungsschwelle in Abhängigkeit vom Wert des Traubenertrags

 
Einsatz der Pflanzenschutzmittel

Ein besonderes Problem bei der Phomopsisbekämpfung stellt der rasche Oberflächen- und auch Volumenzuwachs in dieser Phase dar. Dadurch wird der Spritzbelag extrem rasch ausgedünnt und die Wirkungsdauer der ausgebrachten Mittel ist außerordentlich kurz. Ein einigermaßen sicherer Bekämpfungserfolg kann deshalb nur erzielt werden, wenn gute Wetterprognosen zur Verfügung stehen. Da der Phomopsispilz während längerer Regenperioden infiziert, ist es wichtig möglichst kurz vor Eintritt einer solchen Periode zu behandeln. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zwischen Ausbringung des Mittels und der Infektionsperiode (Regenperiode) nimmt der Wirkungsgrad ab. Besonders kritisch sind längere kühle und regenreiche Perioden.

Die Befallsgefahr beginnt, sobald das erste Grün an den Knospen sichtbar wird (siehe Abb. 1). Ab diesem Zeitpunkt sollte deshalb gezielt aufgrund der Wetterprognosen eine Behandlung vorgenommen werden. Spritzungen nach dem Zweiblatt-Stadium sind für eine Minderung des Schadens nur von einer sehr geringen Bedeutung. Da langfristig gesehen auch die Ausbreitung durch die Bekämpfung selbst nur begrenzt beeinflußt werden kann, sind deshalb ab diesem Stadium gezielte Behandlungen gegen Phomopsis nicht sinnvoll.

Gegen Phomopsis wirken alle Peronosporamittel. Wesentlich entscheidender als die Mittelwahl ist, wie oben erwähnt, der richtige Einsatzzeitpunkt. Da in der Phase des Austriebs der Reben Schäden an Nützlingen z. B. Raubmilben kaum auftreten, können auch preiswerte Mittel zur Phomopsisbekämpfung eingesetzt werden.

Weniger bekannt als die Wirkung der Peronosporamittel ist die relativ deutliche Wirkung von Schwefel gegen Phomopsis (Abb. 6) vor allen Dingen bei sehr früher Anwendung. Eine Phomopsisbekämpfung läßt sich deshalb eventuell kombinieren mit einer Bekämpfung der Kräuselmilben, die in den selben Stadien wie Phomopsis mit Schwefel sinnvoll bekämpft werden können. Empfohlen wird eine höhere Aufwandmenge als im vorgestellten Versuch von 4 kg/ha (400 l/ha, 1%ig, 1fach konzentriert).

 

Phomopsis6

Abb. 6: Ergebnisse eines Phomopsis-Bekämpfungsversuches

 
Zusammenfassung

Der Phomopsispilz verursacht wirtschaftliche Schäden vor allen Dingen durch Infektionen ab dem Knospenaufbruch bis zum Zweiblatt-Stadium. Mit Peronosporamitteln und durch den Einsatz von Netzschwefel kann der Befall reduziert werden, wenn nach Wetterprognose möglichst gezielt vor einer Regenperiode behandelt wird. Eine Bekämpfung ist wirtschaftlich in der Regel nur sinnvoll, wenn der Wert des Traubenertrags relativ hoch ist.

Siehe auch: Phomopsis - Schadbild, Biologie und Bekämpfung

 

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