Navigation überspringen

Qualitätssicherung durch Botrytisbekämpfung

H.-C. Schiefer und Dr. W. K. Kast
Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg
E-Mail:
Hanns-Christoph.Schiefer@lvwo.bwl.de; Walter.Kast@lvwo.bwl.de

Pflanzenschutzmittel

Der Botrytispilz gilt als einer der anpassungsfähigsten Pilze überhaupt. So konnten sich in der Vergangenheit rasch resistente Stämme entwickeln. Zur Zeit haben 8 Mittel eine Zulassung gegen Botrytis im Weinbau. Die gut wirksamen neueren Fungizide, Botrylon, Scala, Switch, Teldor haben unterschiedliche Wirkungsmechanismen. So ist mit diesen Mitteln eine dauerhafte, wirksame chemische Bekämpfung möglich (Tabelle 1). Auch wenn die Mittel für mehr als eine Anwendung pro Jahr zugelassen sind, sollten sie zur Vermeidung von Resistenz nicht mehr als einmal pro Jahr eingesetzt werden. Ist aus irgendwelchen Gründen ein zweiter Einsatz vorgesehen, so sollte dieser mit einem anderen Präparat erfolgen.

Tabelle 1: Zugelassene Botrytismittel (Stand: 2008)

Botrytismittel 

Wirkstoff 

Konz. [%] 

Basis[kg/ha] 

ES 75[kg/ha] 

WZ

Cantus

Boscalid

0,075

0,30

1,2

28

Scala

Pyrimethanil 

0,125

0,50

2,0

28

Switch

Cyprodinil, Fludioxonil 

0,06

0,24

0,96

35

Teldor

Fenhexamid

0,1

0,4

1,6

21

WZ = Wartezeit



 

 

 

 

 

Mögliche Behandlungstermine

Im Prinzip sind vier Zeitpunkte möglich, zu denen das Botrytizid ausgebracht werden könnte.

1.

Blüte - abgehende Blüte. Hier soll die Besiedelung von Blütenresten verhindert werden. Von diesen Resten kann sich der Pilz bei feuchter Witterung an der Ansatzstelle der Beere am Blütenboden festsetzen. Dort wird er zunächst abgewehrt und bleibt inaktiv (latent) bis bei zunehmender Reife die Abwehr der Beere nachlässt. Dann beginnen die Trauben typischerweise von innen heraus zu faulen.

2.

Kurz vor Traubenschluss. Dies ist die letzte Möglichkeit, Fungizide auf das Stielgerüst und die Ansatzstelle der Beere zu bringen. Da der Belag dort anschließend von den Beeren überdeckt wird, bleibt er sehr lange erhalten. Auch eine solche Spritzung schützt besonders gegen Befall von Innen.

3.

Zur Abschlussspitzung. Im Rahmen der vorletzten oder gar letzten Pflanzenschutzbehandlung können Botrytizide ohne zusätzlichen Aufwand ausgebracht werden.

4.

Spätbehandlung. Die Botrytizide haben Wartezeiten zwischen 21 und 35 Tagen. Unter Umständen bestünde die Möglichkeit noch drei Wochen vor der Lese eine Behandlung durchzuführen. Diese Spritzung bewirkt zwar die höchsten Mengen an Wirksubstanz bis zur Lese und damit die beste Wirkung gegen Angriffe auf die Beerenschale zum Zeitpunkt der Lese, allerdings auch die höchste Rückstandbelastung.

Versuchsergebnisse zu Behandlungsterminen

In den Jahren 1999 und 2000 wurden an der LVWO Versuche zu den möglichen Einsatzterminen durchgeführt, deren Ergebnisse in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt sind. Die Versuche wurden in einer mit der Rebsorte Schwarzriesling bepflanzten Anlage durchgeführt. Die zu den Burgundern gehörende rote Rebsorte ist durch kleine kompakte und botrytisanfällige Trauben charakterisiert. Ein Vergleich am Tage vor der Lese der unbehandelten Kontrolle zeigt, dass der Botrytisbefall im Jahr 2000 mehr als doppelt so hoch war wie im Jahr zuvor. Die Unterschiede zwischen den 5 eingesetzten Mitteln und den unterschiedlichen Spritzterminen waren in beiden Jahren nur gering und in der Versuchsanlage mit dem Auge nicht erkennbar. Die Auswertungen des vierfach wiederholten Versuchs zeigen im Jahr 1999 bei der späten Behandlung im Mittel sogar eine geringere Wirkung als der Behandlung zum Traubenschluss. Die doppelte Behandlung sowohl zum Taubenschluss als auch zum Abschluss war in diesem Versuchsjahr ein wenig besser. Im Botrytisjahr 2000 waren weder zwischen den Terminen noch zwischen den Mitteln Unterschiede feststellbar. Bei den kompakten Rotweinsorten kann somit durch eine einmalige Behandlung kurz vor Traubenschluss ein guter Bekämpfungserfolg gesichert werden.

Abbildung 1 : Botrytis - Befallsstärke in Prozent bei Schwarzriesling - Heilbronn 04.10.1999

 

Abbildung 2 : Botrytis - Befallsstärke in Prozent bei Schwarzriesling - Heilbronn 20.09.2000

 

Botrytisbekämpfung und Weinqualität

Wie schon der Titel des Beitrages nahe legt, ist das Ziel der Botrytisbekämpfung weniger die Ertragssteigerung oder -sicherung sondern vielmehr überwiegend die Steigerung oder Sicherung der Qualität. Dabei muss berücksichtigt werden, dass grundsätzlich die Einflüsse auf den Wein sehr vielfältig sind und von positiven Einflüssen bei der Produktion von edelsüßen Riesling-Weinen bis stark negativ bei Rotweinproduktion durch Maischegärung reichen.

Ziel mehrerer Versuche der LVWO Weinsberg in den letzten Jahren war neben der Überprüfung der Geschmacksbeeinflussung durch Fungizide allgemein auch die Überprüfung der Auswirkungen der Botryzidanwendungen auf die Qualität fruchtbetauter Weißweine am Beispiel Riesling.

Versuchsanstellung

Die Versuche wurden in Rieslinganlagen in Weinsberg durchgeführt. Zusätzlich zu der einheitlichen praxisüblichen Grundbehandlung ohne Botrytisfungizide wurden nach der Blüte mit einer Parzellenspritze (Tunnelspritze) Botrytisfungizide ausgebracht (s. Tabellen 2 und 3). Die Versuche waren grundsätzlich 3-fach wiederholt. Die Wiederholungen wurden an 3 verschiedenen Lesetagen im Abstand von ca. einer Woche geerntet und die Weine in 50 ltr-Tanks ausgebaut. Im Mai des Folgejahres sowie zusätzlich nach 1 Jahr Flaschenlagerung wurden die Weine von einem Fachgremium (Kellermeister, fachkundige Winzer) nach vorgegebenen Kriterien deskriptiv beurteilt. Bewertungskriterien waren neben der Rangfolge (1 = bester) z. B. Fruchtaromen Apfel und Zitrone, bitter, nasser Lappen (schmutzig, unsauber), UTA und schimmelig die jeweils von 0 - 9 (0 = nicht vorhanden) bewertet wurden. Die Daten wurden statistisch verrechnet. Aufgrund des Versuchsansatzes ist eindeutig, dass eventuell signifikante Unterschiede von den Behandlungen verursacht wurden.

Verkostungsergebnisse der Versuche

Im Jahrgang 1998 trat in der Versuchsanlage Botrytis nicht nennenswert auf. Auf eine Bonitur des Befalls wurde deshalb verzichtet. Die Gärung verlief in allen Fällen ohne Probleme, die analytischen Daten zeigten keine Unterschiede auf. Beim ersten Verkostungstermin wurden in der Ranfolge zwar keine signifikanten Unterschiede gefunden (Tabelle 2). Der mit einem Botrytizid behandelte Wein wurde jedoch am schlechtesten bewertet. Bei den Merkmalen nasser Lappen (unsauber) war der Unterschied klar, der Wein aus der Botrytizid-Variante war signifikant schlechter bewertet worden.. Beim Merkmal bitter liegt die Irrtumswahrscheinlichkeit für die Differenz zur Kontrolle bei knapp über 5 %. Auch beim zweiten Verkostungstermin wurde der mit Botrytizid behandelte Wein deutlich als unsauber erkannt. Betont werden muss, dass die Unterschiede, wenn auch signifikant so doch nur gering waren und nur von einem Teil der Verkoster erkannt wurden. Wesentlich größer als die Einflüsse der verschiedenen Pflanzenschutzvarianten waren die Unterschiede zwischen den Leseterminen, wobei der erste Termin mit deutlichem Abstand in der Qualität abfiel.

Tabelle 2: Varianten und Verkostungsergebnisse des Versuchsjahrgangs 1998

Varianten*

Anwendungstermine

1. Verkostung Mai 99 §

2. Verkostung April 2000 §

09.07.

27.07.

20.08.

Zitrone

nasser Lappen

bitter

Rang

Zitrone

nasser Lappen

bitter

Rang

1 Kontrolle

-

-

-

2,2

1,8

2,2

3,8

2,6

1,4

1,9

3,7

2 Peromittel 1

x

x

x

2,2

1,7

2,1

3,2

2,6

1,4

2,1

4,0

3 Peromittel 2

x

x

x

2,3

1,8

2,1

3,3

2,5

1,5

2,0

3,7

4 Oidiummittel 1

x

x

x

2,1

2,1

2,3

4,0

2,5

1,5

2,1

4,4

5 Peromittel 3

x

x

x

2,3

1,8

2,2

3,7

2,6

1,3

1,9

3,3

6 Oidiummittel 2

x

x

x

2,0

2,3

2,5

5,0

2,4

1,4

2,1

4,5

7 Teldor (Botrytizid)

x

x

x

2,0

2,4

2,6

5,0

2,4

1,8

2,0

4,3

GD 5 %

0,4

0,5

0,4

1,3

0,4

0,3

0,3

1,0

§ Mittelwerte aus 3 Versuchswiederholungen, die jeweils getrennt ausgebaut wurden
*
zusätzlich zu normaler, betrieblich üblicher, einheitlicher Spritzfolge

Der von den Verkostern erkannte Fehlton war vom Geschmackseindruck relativ klar der Richtung Schimmelton zuzuordnen. Es wurde deshalb die Hypothese aufgestellt, dass durch den Einsatz des Botrytismittels vermehrt andere Mikroorganismen zur Entwicklung gekommen sein könnten, die für die negative Geschmacksnuance verantwortlich sein dürften. Diese Hypothese wurde im Jahr 2000 in einem speziell geplanten Versuch überprüft.

Im Jahr 2000 trat relativ starke Fäulnis auf. Die Wirkung der Fungizide fiel nach anfänglich sehr guter Wirkung mit zunehmendem Reifefortschritt ab (Tabelle 3). Kurz vor der Lese wurde auch Penicillium und teilweise Essigfäule gefunden. Der Befall durch diese Erreger war in den mit Fungiziden behandelten Parzellen nicht verringert, teilweise tendenziell sogar erhöht. Die Gärung verlief auch in diesem Jahr in allen Fällen ohne Probleme, die analytischen Daten zeigten wieder keine Unterschiede auf.

 

Abbildung: Essigfäule

 

Abbildung: Penicilliumbefall

Nur durch die gezielte Aussonderung des faulen Lesegutes wurde die Qualitätsbewertung des Weines (Rangfolge) signifikant verbessert (Tabelle 3). Alle Botrytisfungizid - Varianten unterschieden sich nicht signifikant von der Kontrolle. In der Tendenz wurden die qualitativ besten Ergebnisse mit einer einzelnen nicht zu späten Anwendung erzielt.

Tabelle 3: Varianten, Verkostungsergebnisse und Pilzbefall des Versuchsjahrgangs 2000

Variante*

 

Anwendungs-
termine

1. Verkostung April 2001§

Penicillium
Befall

Botrytis§
Befall

29.07.

23.08.

Zitrone

nasser Lappen

bitter

Schimmel

Rang

Häufigkeit %

Stärke %

1 Kontrolle

 

 

2,3

1,6

2,1

1,4

4,0

1,3

44,4

2 Teldor 0,1 %

x

 

2,4

1,6

2,1

1,4

3,7

2,0

38,9

3 Teldor 0,1 %

x

x

2,3

1,7

2,1

1,4

4,1

3,9

37,2

4 Switch 0,06 %

x

 

2,5

1,6

1,8

1,3

3,2

1,6

40,1

5 Switch 0,06 %

x

x

2,6

1,5

2,0

1,3

3,2

1,3

40,7

6 Kontrolle nur gesunde Trauben

2,4

1,5

1,8

1,2

2,9

0,0

0,0

GD 5 %

0,2

0,2

0,2

0,2

6,8

2,8

9,2

§ Mittelwerte aus 3 Wiederholungen
* zusätzlich zu normaler, betrieblich üblicher, einheitlicher Spritzfolge

In der Praxis kann durch späte Anwendung von Botrytisfungiziden zwar das Auftreten Fäulnis verzögert werden. Andere Fäulniserreger wie Penicillium, Hefen und Bakterien werden aber nicht ausreichend durch die Fungizide erfasst. Schon allein dadurch, dass die Trauben dann später gelesen werden,, erhöht sich bei geeigneten Witterungsbedingungen die Belastung des Lesegutes mit diesen extrem geschmacksschädlichen Mikroorganismen. In Jahren mit trockenen Bedingungen während der Reifephase kommt dieser Effekt sicher weniger zum Tragen, die Wirkung gegen Botrytis ist aber dann auch überflüssig. Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass späte Anwendungen von Botrytismitteln möglicherweise wegen des Ausschaltens der Konkurrenz das Auftreten der extrem qualitätsschädigenden Penicilliumarten begünstigt. Die beschriebenen Probleme kommen deshalb immer dann zum Tragen, wenn die Wirkung der Fungizide besonders gefordert ist. Eine späte Anwendung von Botrytismitteln dürfte insgesamt deshalb die Qualitätsrisiken zumindest nicht mindern und ist deshalb nicht empfehlenswert. Gegen sehr spät auftretenden Botrytis und besonders gegen Penicillium-Arten und Essigfäule hilft nur eine optimale Kulturtechnik und rechtzeitige Lese. Wenn Trauben sehr lange hängen bleiben sollen ist die wichtigste Maßnahme eine frühzeitige, sachgerechte Entblätterung im Stadium Schrotkorngröße (BBCH 73).

Eine frühe Anwendung hochwirksamer Botrytismittel sichert im Gegensatz zu Spätanwendungen die Qualität ab. Sie verhindert ein frühes Auftreten von Botrytis bei Reifebeginn. Ein solch früher Botrytisbefall fördert den Sekundärbefall durch Bakterien, Hefen und gefährlichen Schimmelpilze. Z. B. können sich auf alter Botrytis Alternaria-Arten und Trichothecium-Arten ansiedeln. Nicht nur wegen der sichersten Wirkung sondern auch unter dem Gesichtpunkt "Sicherung der Weinqualität" ist deshalb der Termin "kurz vor Traubenschluss" der entscheidende.

Zusammenfassung

Die altbekannte Tatsache, dass eine Behandlung kurz vor Traubenschluss gegen Botrytis am wirksamsten ist, wird bestätigt. Dieser Anwendungstermin bringt auch hinsichtlich der Weinqualität die entscheidenden Vorteile. Spätanwendungen bei reifen Trauben können zwar das Auftreten von Botrytis verzögern, bringen aber kaum Qualitätsvorteile und können das Risiko negativer Geschmacksbeeinflussung durch indirekte Förderung unerwünschter Mikroorganismen erhöhen.

 

Informationen  zum Datenschutz und zum Einsatz von Cookies auf dieser  Seite finden Sie in unserer Datenschutzerklärung