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Häusliche Essigbereitung

Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg
Dr. G. Röhrig

Noch bevor es den Menschen gab, hat es bereits Essig gegeben. Er konnte genau wie der Alkohol,
der in vollreifen, verletzten Früchten von alleine entstehen kann, gleichfalls in der Natur entdeckt werden.
Zuerst war der Alkohol, dann kam der Essig, so könnte man es formulieren, denn unter geeigneten
Bedingungen entsteht der Essig stets aus Alkohol.

Überliefert ist der Gebrauch von Essig z.B. von den Babyloniern, Assyrern und den Ägyptern.
Schon damals schätzten die Menschen die erfrischende Wirkung von Essig. Auch in der Bibel wird beschrieben,
dass man Jesus während der Kreuzigung einen Schwamm mit Essig an die Lippen presste, um seine Pein ein
wenig zu lindern. Sogar eine Art Essigbier ist von den Ägyptern bekannt. Schon die Babylonier entdeckten den
Essig als Heilgetränk und als Konservierungsmittel. Sie legten ihre Jagdbeute in Essig ein, damit sie länger haltbar blieb.
Die für den Verderb verantwortlichen Bakterien und Pilze vertragen das saure Essigmilieu nicht und sterben daher ab.

Essigarten

1. Gäressig

Wie die Bezeichnung schon sagt, entsteht er durch eine zweite Gärung aus einer alkoholhaltigen Flüssigkeit. Dies kann entweder ein guter Obstwein aus Äpfeln, ein Fruchtwein z.B. aus Himbeeren oder ein Traubenwein sein. Wichtig ist prinzipiell die Fehlerfreiheit des Ausgangsprodukts, da aus einem fehlerhaften Wein kein guter Gäressig entstehen kann.

2. Ansatzessig

Hierbei wird ein möglichst neutraler Essig, z.B. ein Weißweinessig, mit Früchten versetzt, die dem Essig ihr arttypisches Aroma und Färbung geben. Eine Aromatisierung kann auch durch Kräuter und Blüten erfolgen. Die frischen oder getrockneten Kräuter werden mit einem harmonisierenden Essig übergossen und nach einer bestimmten Standzeit wieder entfernt. So lassen sich Essige gewinnen z.B. mit Basilikum, Knoblauch, Lorbeer, Zwiebel, Bärlauch, aber auch Holunderblüten oder junge Tannenspitzen können Verwendung finden.

Essigbildner

Die Entstehung von Essig ist ein natürlicher, biochemischer Umwandlungsprozess, der durch Bakterien erfolgt. Alkohol (Ethanol) wird dabei zu Essigsäure umgewandelt. Bei der industriellen Essigherstellung werden Acetobacterarten eingesetzt, die in Essigfermentern, den sogenannten Acetatoren, bei optimalen Gärbedingungen innerhalb weniger Tage Essig bilden.

Unter dem Namen „Essigmutter" verbergen sich aktive Essigbakterien, die bei der Essigherstellung im Kleinmaßstab als „Impfstoff" dienen. Im Gegensatz zu den industriellen Essigbakterien sind sie mit Schleimbakterien vergesellschaftet, so dass eine schleimhaltige, gallertartige Masse vorliegt. Die Essigbereitung mit einer Essigmutter wird auch als traditionelle Methode bezeichnet. Nachteilig ist, dass sie sehr zeitaufwendig ist.


Essigmutter

Essig selbstgemacht

Wer Essig selbst herstellen möchte, benötigt zuerst ein möglichst bauchiges Gefäß, wie z.B. ein 2-Liter Gurkenglas, damit die Flüssigkeit eine möglichst große Oberfläche bilden kann und damit möglichst viel Luft an die vergorene Flüssigkeit herangeführt wird.

Das Gefäß wird zur Hälfte mit Wein befüllt, der nicht mehr als 5-6% Alkohol, also z.B. verdünnter Traubenwein, enthalten sollte. Die schweflige Säure, die zur Haltbarmachung des Weines dient, wird auf diese Weise verdünnt, so dass es zu keiner Hemmung der Essigbakterien mehr kommen kann.

Zum Starten der Essigbildung gibt man am besten eine frische Essigmutter zu. Es gibt die Essigmutter-Kultur im 100 ml Fläschchen zu kaufen oder man bezieht sie von privaten Essigerzeugern.

Das befüllte Gefäß wird mit einem Abtrockentuch abgedeckt und mit einer Schnur oder einem Gummiband gesichert. Die Lagerbedingungen sollten möglichst warm sein, also bei 25 bis 28 ºC liegen.

Auch ein gelegentliches Umschütteln innerhalb der ersten Tage ist förderlich für die Essigbildung. Bei einer aktiven Essigmutter bildet sich nach 1 bis 2 Wochen eine dünne Haut an der Oberfläche und es riecht säuerlich. Geht die Essigbildung gut voran , kann auf eine größere Menge umgestiegen werden, also Zugabe des Ansatzes zu 5 Liter Wein.

Eine Kontrolle der Essigbildung durch Messung des Gesamtsäuregehaltes wäre natürlich wünschenswert, ist aber nur im Weingut denkbar, da die Gerätschaften dort bereits vorhanden sind. Zur Ermittlung des Essiggehaltes in g/l multipliziert man den Gesamtsäuregehalt mit 0,8.

Mit der Zeit wird die Haut immer dicker, so dass ein Teil der Zellmasse entfernt werden muß, wobei eine gute Entleerung des Gefäßes hilfreich ist. Die Essigmutter wird in ein Tuch gegossen und anschließend von Hand ausgedrückt, um den Restessig zu gewinnen. 
Kommt es zu einer schwachen Essigbildung, kann die Zugabe von Essignährsalzen hilfreich sein.
Zu Ende der Essigbildung treten verstärkt Estertöne auf, ähnlich dem sog. UHU-Ton, der sich aber durch eine Nachlagerung des Essigs abbaut.

Nimmt der Säuregehalt nicht weiter zu, kann der Essig zum Beispiel über einfache Kaffeefilter oder größere Faltenfilter filtriert werden. Bei der fachgerechten Essigherstellung wird der Essig steril filtriert, um die Bakterien zu entfernen bzw. auf 80 ºC erhitzt, um sie abzutöten. 

Die Essigherstellung mit einer Essigmutter ist relativ zeitraubend, da sie mehrere Monate in Anspruch nehmen kann.

Essige zählen sicherlich zu den gesündesten Nahrungsmitteln. Sie lassen sich zum Verfeinern von Speisen, zum Anrichten von Salaten, als Einlegessig, als Trinkessig und letztendlich auch als Haushaltsmittel zum Desinfizieren und Reinigen einsetzen.

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