Seit den 1990er Jahren werden bereits Beerenseminare in Weinsberg angeboten, seit 22 Jahren als Bundesbeerenseminar. Die Veranstaltung wird organisiert in Zusammenarbeit des Vereins Ehemaliger Weinsberger und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau. 2022 wurde das zunächst als Präsenzveranstaltung geplante Seminar aufgrund der Sars Cov2 Pandemie als Online-Seminar durchgeführt.
Am 2.2.2022 startete das virtuelle Treffen von Veranstalter, Referenten und Teilnehmern – hoffentlich ausgestattet mit bequemem Stuhl, Getränken und Snacks, um die vielen Präsentationen konzentriert verfolgen zu können. Der an die rund 100 angemeldeten Teilnehmer vorab zugeschickte Tagungsband sollte das Verfolgen der Präsentationen erleichtern.
Wie gewohnt, war das Programm thematisch in vier halbe Tage aufgeteilt. Zunächst stand die Heidelbeere im Fokus der Vorträge. Zwar gibt es ein großes Interesse am Anbau aber eine Ausweitung auf natürlich geeigneten Standorten ist in Deutschland kaum noch möglich. Deshalb stellt sich die Frage nach organischen Materialien zur Bodenverbesserung oder welches Substrat das Richtige für den Anbau in Containern ist. Dabei muss beachtet werden, dass die Heidelbeerpflanze besondere Anforderungen an den Boden bzw. das Substrat stellt, denn der pH-Wert muss niedrig und der Salzgehalt sehr gering sein. Dabei wurde die Frage aufgeworfen, ob diese Ansprüche auch ohne Torf erfüllt werden können. An den Wurzelraum stellen alle Beerenarten hohe Ansprüche. Dieser muss gut zu durchwurzeln sein, ein hohes Luftvolumen und eine gute Wasserhaltekapazität bei guter Dränfähigkeit aufweisen. Hervorragende Standardsubstrate, die diesen Anforderungen genügen, sind vorhanden. Da diese in der Regel einen hohen Torfanteil enthalten, wurden Versuche mit Substraten, die andere organische Materialien wie Miscanthus, Holzchips, Holzfasern oder Kompost enthalten, als Ersatz und Ergänzung zu Torf, bei verschiedenen Beerenkulturen vorgestellt.
Die Zunahme von Topfkulturen bei Beeren eröffnet neue Möglichkeiten der Effizienz-Steigerung im Anbau, insbesondere durch gezielte Fertigationsstrategien. Wie diese aussehen können und was zu beachten ist, konnten die Teilnehmer von erfahrenen Beratern und Praktikern erfahren. Auch zum nächsten Intensivierungsschritt von geschlossenen rezirkulierenden Bewässerungssystemen gab es Erfahrungsberichte aus der Praxis. Ein weiterer Themenblock befasste sich mit Verfahren zum Freihalten des Pflanzstreifens von Unkräutern. Durch das kommende Verbot von Glyphosat sowie Beschränkungen bei anderen Herbiziden gewinnen mechanische Verfahren sowie die Abdeckung mit Folien oder organischem Material wieder an Bedeutung. Der Pflanzstreifen sollte unkrautfrei sein, da Beikräuter aufgrund der Konkurrenz um Nährstoffe, Wasser und Wurzelraum Wuchs und Ertragsleistung der Kulturpflanze beeinträchtigen. Allerdings sind die Einsatzmöglichkeiten mechanischer Methoden abhängig von Boden und Witterung und führen zu häufigeren Überfahrten (Verdichtung des Bodens), höheren Kosten (Treibstoff, Zeit), schädigen die flachwachsenden Wurzeln (Bodenbearbeitung) und reduzieren Habitate von Flora und Fauna, die offene Flächen benötigen. Außerdem erhöhen organische Abdeckmaterialien die Frostgefahr und verzögern den Austrieb.
Aktuelle Pflanzenschutzempfehlungen dürfen in keinem Beerenseminar fehlen. Sogenannte low-risk products werden verstärkt angeboten und stellen in einigen Bereichen die einzige Einsatzmöglichkeit dar. Allerdings sind sie meist weniger wirksam, haben eine kürzere Wirkdauer und führen deshalb zu häufigerem Einsatz und höheren Kosten als herkömmliche Standardprodukte, wie Versuche zeigten. Die Gelbe Teemilbe stammt zwar aus subtropischen Regionen, kann sich jedoch auch hier im geschützten Anbau von Brombeeren etablieren und führt zu Schäden. Ebenfalls zu Wort kamen Schüler der Obstbauwirtschafterklasse 2020/2021(jetzt bereits Obstbaumeister), die Ergebnisse ihrer Facharbeiten vorstellten. So konnte gezeigt werden, dass das Ausputzen remontierender Erdbeerpflanzen (Stellagenkultur) sich positiv auf Blütenbildung, Ertrag und Pflückleistung auswirkt und der Putzaufwand sich lohnt. Ein zweiter Versuch verfolgte das Ziel, die Arbeitszeit beim Freiland Himbeer- und Brombeeranbau zu reduzieren sowie die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dies führte zur Idee, mit einem Messerbalken halbseitig Himbeerruten bzw. Brombeerruten im Spätsommer zu entfernen. Das manuelle Nacharbeiten ist für die Arbeitskräfte dadurch deutlich leichter, Zeit und Kosten werden eingespart.
An neue Sorten werden immer hohe Erwartungen gestellt, allerdings werden Vor- und Nachteile erst nach mehreren Prüfjahren am jeweiligen Standort sichtbar. Erfahrungen mit den Heidelbeersorten Cargo, Top Shelf und Blue Ribbon wurden vorgestellt, mit dem Fazit das Top Shelf und Blue Ribbon für einen versuchsweisen Anbau empfohlen werden können. Großes Interesse erweckte auch der Vortrag zum Beerenanbau auf der Iberischen Halbinsel und Marokko mit Auswirkungen auf den inländischen Konsum. Ein deutlicher Konsumpeak ist zwar noch in der deutschen Angebotssaison erkennbar, aber insbesondere im Frühjahr wurde das Angebot aus Portugal, Spanien und Marokko ausgebaut. Bei Heidelbeeren spielt auch das Angebot aus Übersee (Chile, Peru, u.a.) eine wichtige Rolle im Herbst und Winter.
Die Kurzfassung der beiden Vortragstage zeigt die Vielfalt und den Umfang der Themen.
Die Veranstalter freuen sich darauf, 2024 alle interessierten Produzenten, Berater und Versuchsansteller in Weinsberg zum 12. Bundesbeerenseminar, und dann hoffentlich persönlich, zu begrüßen.
Im folgenden finden Sie die Vortragsdateien zum Seminar. Die Dateien sind passwortgeschützt und können nur von den Teilnehmern des Bundesbeerenseminars abgerufen werden.