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Licht oder Schatten besser?

Aspekte zur Entblätterung der Traubenzone

 

R. Fox und M. Pour Nikfardjam, LVWO Weinsberg

 

Gesundes, reifes Traubengut bei möglichst spätem Lesetermin ist nach wie vor Grundlage für qualitativ hochwertige, sortentypische Weine. Starker Befall mit Botrytis, Essigfäule und Co. wie im Jahr 2006 aber auch teilweise bei frühen Sorten im Jahr 2007 stehen dem entgegen und sind derzeit in den Weinen mehr oder weniger drastisch „schmeckbar“. Die besonders im Jahr 2006 nötige selektive Lese, sofern sie überhaupt zeitmäßig zu bewältigen war, verursachte nicht nur Aufwand, sondern auch Kosten sowie im Extremfall beachtliche wirtschaftliche Verluste. Dass ähnliche Probleme infolge des Klimawandels verbunden mit früherem Reifebeginn zukünftig häufiger zu erwarten sind, kann nicht mehr wegdiskutiert werden. Unter den Bedingungen früher Herbste mit hohen Reifegraden, hohen Ernteguttemperaturen sowie insbesondere hohen pH-Werten verbunden mit „bescheidener“ Wirkung von Schwefelgaben sind rasch mikrobiologisch kritische Verhältnisse gegeben. Hier ist gesundes Lesegut das A und O für eine saubere Gärung und fehlerfreie Weine. Für die Kulturführung bedeutet dies, dass alle Maßnahmen einschließlich der Entblätterung konsequent genutzt werden sollten, siehe Abbildung 1. Die Kosten von ca. 250 bis 300 € für die maschinelle Entblätterung sind im Vergleich zu den oben angeführten Problemen dagegen nahezu zu vernachlässigen.

 

Abbildung 1: Indirekte Maßnahmen sind die Grundglage der Vorbeugung gegen Fäulnis

 

Physiologische Aspekte sprechen für frühen Entblätterungstermin

 

Da die wertgebenden Inhaltsstoffe Aroma, Farbe und Phenole vornehmlich in der Schale gebildet werden und hierzu gute Belichtung notwendig ist, wird eine gezielte Entblätterung als gestaltendes Element vor allem bei Rotwein als vorteilhaft angesehen. Dass bessere Belichtung und damit höhere Temperaturen im unmittelbaren Bereich unter der Beerenschale zu höherer Farbausbildung beiträgt, zeigt Abbildung 2. An der Ansatzstelle der Beere, die keine direkte Sonnenstrahlung empfängt und damit kälter bleibt, ist eine weniger gute Verfärbung erkennbar. Ähnlich verhält es sich mit den farblosen Phenolen sowie den Aromen. Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema konnten zeigen, dass eine Veränderung in der UV-Strahlungsdosis sowie unterschiedliche Temperaturen direkte Auswirkungen auf die Biosynthese von Phenolen und Aromen sowie deren Vorstufen haben. So konnten beispielsweise Falcao et al. (2007) zeigen, dass kühlere Regionen einen signifikanten Einfluss auf 2-Methoxy-3-isobutylpyrazin, dem charakteristischen Paprikaaromastoff von Cabernet Sauvignon, haben. Bezüglich der C13-Norisoprenoide, die ebenfalls eine Gruppe von wichtigen Aromastoffen mit Geruchsnoten wie Veilchen, blumig etc. darstellen, gab es dagegen keinerlei signifikanten Unterschiede. Dabei wären bei Höhenunterschieden von 700 m (700-1400 m über Normalnull) durchaus unterschiedliche UV-Einstrahlungsraten denkbar. In anderen Studien (Schultz et al., 1998) konnte jedoch gezeigt werden, dass reduzierte UV-Strahlung zu signifikant niedrigeren Carotinoidgehalten in den Beeren führt. Höhere Carotinoidgehalte würden damit beispielsweise bei Riesling das Risiko der Bildung einer Kerosinnote, hervorgerufen durch 1,1,6-Trimethyl-1,2-dihydronaphthalin (TDN), erhöhen.

 

Ort der Aroma-, Farb- und Phenolsynthese ist die Beerenhaut, vor allem der gut belichtete Anteil

Abbildung 2: Ort der Aroma-, Farb- und Phenolsynthese

ist die Beerenhaut, vor allem der gut belichtete Anteil

 

 

Eine lockere Laubwand dient demnach nicht nur der Verbesserung der Belichtung, Belüftung und Abhärtung, sondern verändert auch bei höheren Temperaturen in dem belichteten Teil der Beerenschale den Stoffwechsel. Die Abhärtung der Beerenhaut ist mit eine der wichtigsten Voraussetzungen, um möglichst spät lesen zu können und damit das jahrgangs- und lagebedingte Maximum an Qualität zu gewinnen. Zeitige Auslichtung der Traubenzone, etwa ab abgehende Blüte bis kurz nach Schrotkorngröße,  führt über die zu diesem Zeitpunkt noch lebenden und damit reaktionsfähigen Epidermiszellen zu einem besonders ausgeprägten Abhärtungseffekt. Je früher dabei entblättert wird, umso stärker wird die Reaktionsfähigkeit der Zellen/des Enzymsystems der Beerenhaut gefördert und damit auch die Bildung der Vorläufersubstanzen von Aroma, Farbe und Phenolen. Ab etwa Erbsengröße verlieren die Epidermiszellen zunehmend ihre Reaktionsfähigkeit auf äußere Reize, das heißt der Abhärtungseffekt wird immer geringer.

Die verbesserte Laubwandstruktur in der Traubenzone führt daneben zu einer wesentlich besseren Applikationsqualität, das heißt die Pflanzenschutzmittel gelangen besser an ihren jeweiligen Wirkort. Einer der Hauptvorteile der Entblätterung ist deshalb der sehr ausgeprägte phytosanitäre Effekt. Wird vor dem Botrytizideinsatz kurz vor Traubenschluss entblättert, wie es eigentlich die Regel sein sollte, so ist mit einer deutlich besseren Wirkung gerade gegen die gefürchtete aus dem Traubeninneren kommende Fäulnis zu rechnen. Den in der Praxis gefürchteten Sonnenbrandschäden wird unter normalen Bedingungen durch frühe Termine und damit frühzeitig abgehärtete Beeren ebenfalls effizient vorgebeugt. Bei auftretendem Hagel muss jedoch mit größeren Schäden gerechnet werden.

 

Traubenstruktur entscheidend

 

Aus eigenen Versuchen in den Jahren 2004 und 2005 ging eindeutig hervor, dass frühe Termine und intensive Vorgehensweise zu kleineren Beeren und damit lockereren Trauben führen. Dies bedingt weniger gegenseitige Abquetschungen, gerade bei den Sorten mit kompakten Trauben, und damit deutlich weniger Botrytis. Auch in Abhängigkeit der Klone liegen beispielsweise bei Spätburgunder (Mariafeld oder L-Klone) als auch Weißburgunder extreme Unterschiede im Traubenaufbau und damit der Anfälligkeit für Botrytis vor. Dies sollte vor dem Hintergrund des Klimawandels für die Praxis ein eindeutiger Hinweis in Richtung gezielter Klonauswahl sein. Dass ausgeglichenes Wachstum seinerseits zu weniger kompakten Trauben führt und damit sowohl der Bodenpflege wie auch der Stickstoffdüngung eine hohe Bedeutung zukommt, soll in diesem Zusammenhang nochmals in Erinnerung gerufen werden.

Aus Abbildung 3 geht am Beispiel der Gibberellinvariante die sehr positive Wirkung lockerbeeriger Trauben bezüglich Botrytisresistenz hervor. Auch durch Halbierung und damit Auflockerung der Traubenstruktur konnte der Botrytisbefall gegenüber alleiniger maschineller Entblätterung deutlich gemindert werden. Der geringere Botrytisbefall bei Handentblätterung gegenüber maschineller Entblätterung ist auf die höhere Entblätterungsintensität zurückzuführen.

 

Abbildung 3: Botrytisbefall bei Clevner nach verschiedenen Vorbeugemaßnahmen

 

 

In Abbildung 4 sind Ergebnisse aus einem Versuch bei Grauburgunder im Mittel der Jahre 2005 und 2006 dargestellt. Wie an den Säulenhöhen ersichtlich, hat der Botrytizideinsatz zum Traubenschluss in der Variante ohne Entblätterung einen Wirkungsgrad von 26,4% erbracht, die alleinige Entblätterung jedoch immerhin 54,4%. Die Kombination von Entblätterung  und Botrytizid, wie in der Praxis üblich, erbrachte unter den besonders problematischen Bedingungen beider Jahre immerhin einen Wirkungsgrad von über 70%. Durch den zusätzlichen Einsatz von Gibberellin konnte der Wirkungsgrad nochmals gesteigert werden. Diese Ergebnisse bestätigen ihrerseits die positive Wirkung der Entblätterung auf die Belagsbildung beim Botrytizideinsatz. Der Praxis steht somit neben der Klonenwahl, dem Einsatz von Gibberellin (zugelassen nur bei den Burgunderarten und Portugieser), der Entblätterung wie auch der Botrytizidanwendung ein Bündel von Maßnahmen zur Verfügung, die sich gegenseitig in ihrer Wirkung gegen den Schwächeparasit Botrytis wie auch andere Fäulnisarten einschließlich Essigfäule, unterstützen. Durch gezielte Anwendung beziehungsweise Kombination lassen sich somit auch unter starkem Befallsdruck recht beachtliche Wirkungsgrade erzielen. Wichtig hierbei ist, konsequent vorbeugend zu arbeiten, denn heilen ist nicht möglich beziehungsweise wer zu spät kommt, den bestraft die Fäulnis.

 

 

Abbildung 4: Wirkungsgrad verschiedener Maßnahmen gegen Botrytis bei Grauburgunder

 

 

Sortenspezifisch, vitalitätsangepasst sowie termingerecht vorgehen

 

Nachdem vor allem bei Rotweinsorten die Entblätterung überwiegend Vorteile ergibt, stellt diese Maßnahme ein wichtiges gestaltendes Element im Sinne optimaler Weinqualität dar und wird deshalb in der Praxis gezielt genutzt. Hier empfiehlt sich eine frühzeitige, kräftige, beidseitige Entblätterung, das heißt die Entfernung von ca. 2 Blättern pro Trieb. Als Ausnahme bezüglich Entblätterung ist bei den Rotweinsorten der Dornfelder zu betrachten. Er ist weniger fäulnisanfällig und weist ohnehin schon ein ungünstiges Blatt-/Fruchtverhältnis auf.

 

Bei Weißweinsorten kann die bessere Belichtung der Trauben verbunden mit höheren Beerentemperaturen zu unerwünscht starkem Äpfelsäureabbau sowie Aromenveränderung weg vom Sortentyp führen. Hier ist beispielsweise die nachteilige Bildung des Kerosintons zu nennen. Besonders in frühen Jahren oder auch bei eher schwächerem Wuchs ist diesem Aspekt durch angepasste Vorgehensweise Rechnung zu tragen. Deshalb sollte bei den Sorten Müller-Thurgau, Muskateller, Traminer, Kerner, Silvaner, Riesling, sowie besonders dem Sauvignon blanc eher weniger stark sowie vor allem von der Ostseite her ausgelichtet werden. Nahezu gleiches trifft für den Trollinger zu. Ausnahmen bei den Weißweinsorten sind Grauburgunder, Weißburgunder und Chardonnay, die durchaus ebenfalls frühzeitig und kräftig ausgelichtet werden können, ohne ihr sortentypisches Profil zu verlieren. Bei zeitgerechter früher Entblätterung sowie starkem Wuchs ist im allgemeinen eine intensive Vorgehensweise angezeigt, um wirklich einen Erfolg zu erzielen. Wird unter solchen Bedingungen zu schwach entblättert, kommt es durch die Geiztriebbildung rasch wieder zur Abschattung der Traubenzone. Am Beispiel von Abbildung 5 wird ersichtlich, dass unter wüchsigen Bedingungen eine schwache Entblätterung, weniger als ca. 0,8 Blätter/Trieb, zu einer wesentlich geringeren Wirksamkeit gegen Botrytis führte wie starker und somit länger anhaltender Eingriff (ca. 1,5 Blätter/Trieb).

Schwacher Wuchs und spätere Termine sprechen dagegen eher für verhaltenen Eingriff. Bei starkem Trockenstress ist eine Entblätterung nicht sinnvoll und ergibt eher Nachteile als Vorteile, besonders im Hinblick auf die Aromatik bei Weißwein. Um Nachteile in Richtung Weinqualität und Sonnenbrandgefährdung zu vermeiden, ist auf jeden Fall der Zeitraum bis spätestens Erbsengröße einzuhalten. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen auf Phenole und Anthocyane im Jahr 2007 (siehe unten) untermauern die Empfehlung möglichst früher Termine, um einen ausreichenden Abhärtungseffekt sowie insbesondere bei Rotweinsorten eine bessere Farb- und Phenolbildung zu erzielen.

 

 

Abbildung 5: Häufigkeit und Stärke des Botrytisbefalls bei Riesling nach starker bzw. schwacher maschineller Entblätterung

 

 

Erntedaten

 

Die Entblätterung hat in der Regel nur recht geringe Auswirkungen auf Erträge und Mostwerte. Leicht geminderter Behang wird öfter durch weniger Fäulnisverluste mehr als ausgeglichen. Wird bereits vor der Blüte kräftig entblättert, kann es jedoch zu verstärkter Verrieselung und damit Ertragsminderung sowie bei anfälligen Sorten/Klonen zu erheblicher Steigerung des Stiellähmebefalles kommen. Die intensive maschinelle Entblätterung mit rotierenden Messern kann bei entsprechender Einstellung zu einer Ertragsreduktion führen, da auch Trauben erfasst werden. Verschiedene Autoren berichten von möglichen Ertragsreduktionen von bis zu 40% bei extremer Einstellung der dafür geeigneten Technik. Meist begrenzt sich die Ertragsreduktion auf bis zu 10%. Optisch wird der ertragsreduzierende Effekt in der Praxis meist überbewertet. Das teilweise Einkürzen der Trauben zum Stadium „in den Hang gehen“ ist eher als erwünscht einzustufen, hilft Überbehang zu reduzieren und trägt seinerseits über die lockereren Trauben zu geringerer Botrytisanfälligkeit bei.

 

 

Weindaten

Wie aus Abbildung 6 hervor geht, stiegen die bei Rotwein besonders stark qualitätsprägenden Inhaltsstoffe: zuckerfreier Extrakt, Gesamtphenole, und Farbsumme durch die Entblätterung sehr deutlich an. Der Wein aus der entblätterten Variante war optisch schon wegen seiner deutlich dunkleren Farbe als wertigerer Rotwein erkennbar.

 

 

Wirkung einer Handentblätterung auf qualitätsprägende Inhaltsstoffe bei Clevner

Abbildung 6: Wirkung einer Handentblätterung auf qualitätsprägende Inhaltsstoffe bei Clevner

 

 

Wie dem Netzdiagramm in Abbildung 7 zu entnehmen ist, wurde er bei der deskriptiven Verkostung in den positiven Attributen Brombeere, Phenolharmonie sowie Nachhaltigkeit/Körper gegenüber dem Vergleich als deutlich besser eingestuft und erhielt folglich auch im Rang eine bessere Stellung.

 

Abbildung 7: Wirkung einer Handentblätterung auf geschmackliche Attribute eines Weines der Rebsorte Clevner

 

 

Ergebnisse aus gezielten Phenoluntersuchungen an Beeren und Wein 2007

 

Versuchsbeschreibung (siehe Tabelle 1)

Nachdem in der Praxis vielfach aus arbeitstechnischen wie arbeitswirtschaftlichen Gründen eine frühe (kurz nach der Blüte) Entblätterung nicht immer eingehalten werden kann, sollte in einem gezielt angelegten Versuch geklärt werden, welche Phenole sich dabei besonders verändern und bis zu welchem Entwicklungsstadium die Beere mit verstärkter Phenolbildung reagiert. Dies wäre dann auch das sinnvoll späteste Stadium, um einen ausreichenden Abhärtungseffekt zu erzielen.

 

Tabelle 1: Einfluss von Entblätterungsmaßnahmen zu unterschiedlichen Entwicklungsstadien auf den Gehalt an phenolischen Verbindungen

Entwicklungsstadien

Termine

schrotkorngroß

früh

erbsengroß

mittel

Ende Traubenschluss

spät

Sorten

Grauburgunder

13.06.

19.06.

---

Riesling

06.06.

19.06.

---

Lemberger

---

15.06.

18.07.

Bei allen Sorten lag eine nicht entblätterte Vergleichsvariante vor.



 

 

 

 

 

 

 

Probenahme   (siehe Tabelle 2)

Durch die exakt definierte Probenahme wurde sichergestellt, dass repräsentative Probebeeren gewonnen und untersucht werden konnten. Um einen eventuellen Einfluss von West- bzw. Ostseite der Laubwand/Traubenexposition zu erfassen wurden beide Seiten getrennt beprobt. Sowohl Kontrolle als auch Behandlung wurden jeweils in vierfacher Wiederholung beprobt.


 

Tabelle 2: Phenoluntersuchungen 2007 - Probenahme

Kurz vor Lese, bei gutem Gesundheitszustand

Je 500g Beeren in 500 ml Weithalsflaschen sofort einfrieren

 

Nur unverletzte Beeren verwenden

 

Möglichst gut belichtete Trauben entnehmen

 

bei Vergleich weniger gut belichtete bzw. gezielt Schattentrauben auswählen

 

Keine Trauben an Schwachtrieben entnehmen

 

keine sonnenbrandgeschädigten Trauben

 

Beeren von Sonnenseite/Außenseite der Traube gewinnen, andere Seite markieren

 

Absolut gesunde Beeren, auch ohne Druckstellen usw.

 

Traubengewinnung in wuchskräftigen Zonen, nicht in Magerzonen

 

"Beerengewinnung" im Hause und sofort einfrieren

 

 

Es wird jeweils gleiches von West - wie auch Ostseite erfasst, 2 Wiederholungen.

Schätzungsweise je 20 Trauben erforderlich, flache Kisten für Transport verwenden,

eventuell Trauben mit der jeweiligen "Rückseite" in Kiste legen


 

Aufarbeitung

Die Aufarbeitung der eingefrorenen Proben geschah wie folgt: 100g Beeren wurden abgewogen und mit 200mg Ascorbinsäure als Oxidationsschutz versetzt. Anschließend wurden 100ml salzsaures Methanol zugesetzt und die Beeren mittels eines Küchenmixers püriert. Diese Mischung wurde 15min lang gerührt und dann über Faltenfilter filtriert. Am Rotationsverdampfer wurde vorsichtig eingeengt und zum Schluss in einen 100ml-Messkolben überführt und mit salzsaurem Methanol auf Volumen aufgefüllt. Die Probe wurde bis zur Analyse bei -18 °C im Dunkeln gelagert. Jede Probe wurde zweifach aufgearbeitet.

Die Analyse der Polyphenole erfolgte an einer Dionex UltiMate 3000 (Idstein, Deutschland) HPLC-Anlage nach der Methode von Rechner et al. (1998).

 

 

Ergebnisse Trauben

Wie aus Abbildung 8 hervorgeht, ist beim Lemberger am Beispiel der erfassten Anthocyane zwischen der nicht entblätterten Kontrolle und der späten (18. Juli) Entblätterung beziehungsweise dem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium Ende Traubenschluss kein Unterschied gegeben. Der frühe Termin 15. Juni (entspricht: Entwicklungsstadium erbsengroß), zeigt dagegen wesentlich höhere Anthocyanwerte (46,9%). Gleiches trifft für die farblosen Phenole zu (Zunahme um 57%).

 

Anthocyangehalte in Lembergertrauben nach Entblätterungsmaßnahmen

Abbildung 8: Anthocyangehalte in Lembergertrauben nach Entblätterungsmaßnahmen

 

 

 

Beim Grauburgunder sind die Unterschiede zwischen Kontrolle und Entblätterung, was die Summe der mit HPLC erfassten Phenole angeht, bei weitem nicht so groß wie bei der Rotweinsorte Lemberger. Dies dürfte im Wesentlichen auf die bekanntermaßen geringere Reaktionsfähigkeit von Weißweinsorten bezüglich Phenolbildung auf Lichteinfluss zurückzuführen sein. Auch die bei Grauburgunder im hochreifen Zustand typische leichte Rotfärbung der Trauben zeigte hinsichtlich der Anthocyane keinerlei signifikante Unterschiede.

Greift man jedoch eine einzelne Phenolverbindung, wie im vorliegenden Fall das Quercetin heraus, so wird der Einfluss der Entblätterung auch hier deutlich, siehe Abbildung 9. Die beiden Termine beziehungsweise Entwicklungsstadien unterscheiden sich, wie an den Säulenhöhen ersichtlich, nur wenig. Dies deutet darauf hin, dass die Epidermiszellen auch zum späteren Termin noch reaktionsfähig waren. Der Unterschied zur Kontrolle ist in beiden Fällen statistisch signifikant.

 

 

Phenolgehalte bei Grauburgunder bei verschiedenen Entblätterungszeitpunkten


Abbildung 9: Phenolgehalte bei Grauburgunder bei verschiedenen Entblätterungszeitpunkten

 

 

Der Riesling weist insgesamt noch geringere Phenolwerte auf als der Grauburgunder, siehe Abbildung 10. Die Caftarsäurewerte sind dabei jedoch etwa doppelt so hoch wie bei Grauburgunder. Caftarsäure ist gerade bei Riesling als dominierendes Phenol bekannt. Insofern ist dieses Ergebnis konsistent mit anderen Untersuchungen. Wie aus Abbildung 10 noch hervorgeht, liegen beide Entblätterungstermine, ähnlich wie beim Grauburgunder, auch in der Summe der erfassten Phenole deutlich über denjenigen aus dem Vergleich und sind statistisch signifikant. Auch die Caftarsäurewerte unterscheiden sich signifikant zugunsten der Entblätterung.

 

Phenolgehalte bei Riesling bei verschiedenen Entblätterungszeitpunkten

Abbildung 10: Phenolgehalte bei Riesling bei verschiedenen Entblätterungszeitpunkten

 

 

 

Als vorläufiges Fazit aus diesen Daten kann folgendes festgehalten werden: Bis etwa Erbsengröße ist mit einer ausreichenden Reaktionsfähigkeit der Epidermiszellen auf die durch Entblätterung verstärkte Licht- und UV-Bestrahlung zu rechnen. Späte Stadien sind, wie das Beispiel Lemberger zeigt, nicht empfehlenswert.

 

Ergebnisse Wein

In den bereits abgefüllten Weinen der Sorten Grauburgunder und Riesling konnten bei Grauburgunder keine versuchsbedingten Unterschiede ermittelt werden. Riesling zeigte dagegen eine deutliche Zunahme der Phenole Caftar-, Coutar- und Protocatechuesäure. Im Vergleich zur Kontrolle kam es bei der zum Stadium Erbsengröße entblätterten Variante zu einer Zunahme um 59,6%, 98,2% beziehungsweise 166,6% mit Endgehalten von 63,2; 11,1; und 2,4 mg/L. Inwieweit es in der Variante früh zu späterer stärkerer Abschattung durch verstärkte Geiztriebbildung kam und dadurch hier eine weniger starke Zunahme der Phenolgehalte gegenüber dem Vergleich zustande kam, kann nur vermutet werden. Im Hinblick auf die Weincharakteristik bei Weißwein ist der insgesamt leicht erhöhte Phenolgehalt der Trauben nicht als Nachteil zu betrachten.

 

Fazit:

 

Die Entblätterung stellt ein wichtiges, gestaltendes Element im Sinne der Weinqualität dar. Termin-, wuchs- sowie sortengerecht eingesetzt ergeben sich erhebliche Vorteile, in Bezug auf Aroma, Farbe und Phenole, Säureharmonie und Sortentypizität. Kann aufgrund besseren Gesundheitszustandes später und/oder rascher gelesen werden, so ergeben sich weitere Pluspunkte. Gesundes Lesegut ergibt zusätzliche Vorteile für die Verarbeitung des Lesegutes sowie den Ausbau der Weine, gerade in klimawandelbedingt frühen Jahren mit ihrer zu erwartenden hohen biologischen Anfälligkeit. Der Wehrmutstropfen Zeit- und Kostenaufwand, während der sommerlichen Hauptarbeitsspitze, wird durch bessere Weinqualitäten, Einsparung bei Ertragsregulierungsmaßnahmen, der Ernte selbst sowie Verminderung von Ernteverlusten (siehe 2006) zumindest neutralisiert oder ins Gegenteil verkehrt.

 

"Entblätterung bringt Farbe und Aroma ins Glas und steigert somit nicht nur die Wertigkeit des Weines sondern auch das Genusserlebnis"

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