Am 10. April 2025 fand das Brennertreffen in der LVWO Weinsberg statt, ausgerichtet vom Verein der Ehemaligen Weinsberger e.V.. Über 80 Gäste folgten der Einladung, wobei das Thema „alkoholfrei“ besonders viel Interesse weckte. Marvin Heiß, erster Vorsitzender des Vereins Ehemaliger Weinsberger, eröffnete die Veranstaltung mit einem kurzen Grußwort.
Anschließend präsentierte Severin Simon seine Brennerei und erläuterte die erfolgreiche Strategie, mit der er den Betrieb zukunftsorientiert positioniert hat. Im Fokus stand die Bedeutung von Regionalität und innovativen Partnerschaften, etwa in der exklusiven Rum-Produktion. Besonders betonte Simon die Notwendigkeit, den „inneren Wert“ der Produkte aktiv zu kommunizieren. So müsse beispielsweise die Tatsache, dass die Brennerei mit eigenem Holz aus dem eigenen Wald beheizt wird, den Kunden auch mitgeteilt werden, um eine echte Verbindung zum Produkt herzustellen. Abschließend sprach Simon die Herausforderungen der Branche an. Der Konsum von Alkohol nehme ab und die Diskussion um Alkohol und Gesundheit werde intensiver geführt, was jede Brennerei spüre. Die letzten zwei Jahre hätten die Marktteilnehmer vor große Aufgaben gestellt.
Im Anschluss stellte Michael Mayer die Entstehung seiner Brennerei vor. Auch er betonte die Bedeutung klarer Kommunikation im Wettbewerb mit importierten Spirituosen, um Verbraucher für die eigenen, qualitativ hochwertigen Produkte zu gewinnen. Mayer wies darauf hin, dass es in der Praxis oft an Transparenz mangelt, sodass Konsumenten den wahren Wert der Produkte nicht erkennen, obwohl die rechtlich vorgeschriebene Kennzeichnung von Spirituosen hohe Anforderungen erfüllt. Die Herausforderung liege darin, diese Transparenz verständlich zu vermitteln, was der Brenner aktiv übernehmen müsse – zum Wohl des Kunden. Neben Verkostungen und Qualitätswettbewerben, wie Prämierungen, hob Mayer hervor, dass Goldmedaillen nicht mehr allein den Unterschied ausmachten. Auch Fotos mit prominenten Persönlichkeiten, wie Ministern, seien heute ein wichtiger Bestandteil der Präsentation. Das Publikum nahm gerne die bereitgestellten Produktproben an, was die Praxisnähe der Veranstaltung unterstrich.
Als nächster Referent analysierte Dr. Dirk Hofmann die aktuelle Lage der Branche und die Herausforderungen für handwerkliche Brennereien, sei es in der Abfindung oder im Verschluss. Er betonte, dass nicht der Alkohol selbst verkauft wird, sondern der besondere Wert der Produkte – ausgeprägte Regionalität und echtes Handwerk. Diese Qualität hat jedoch ihren Preis. Hofmann verwies auf die ernüchternden Erhebungsdaten der Fachzeitschrift Kleinbrennerei, die von 2009 bis 2024 kaum nennenswerte Preissteigerungen bei Alkohol zeigten, obwohl die Inflation in dieser Zeit deutlich spürbar war. Der Verbraucherpreisindex zeigt eine kontinuierlich sinkende Kaufkraft, während die Preise für Brenngeräte und Verbrauchsmaterialien wie Glasflaschen und Energie, um nur zwei von vielen zu nennen, stark angestiegen sind.
Trotz dieser Entwicklungen bleiben viele Abfindungsbrenner offenbar von den Marktzahlen unbeeindruckt. Konstante Übernahmepreise für Alkohol an Händler mögen beruhigend wirken, doch stellt sich die Frage, ob dies langfristig ausreichend ist. Hinzu kommt die wachsende Diskussion um Alkohol und Gesundheit. Die Alternative „alkoholfrei“ gewinnt zunehmend an Bedeutung, aber ihre wirtschaftliche Relevanz bleibt noch unklar. Ein weiteres zentrales Thema ist die Preisgestaltung für hochwertige Spirituosen. Wie sollen Preiserhöhungen weitergegeben werden und ist das überhaupt notwendig? Hofmann führte dazu anschauliche Beispiele an. Abschließend ging er auf gesellschaftliche Zusammenhänge ein. Die Weltgesundheitsorganisation und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung machen unmissverständlich klar: Es gibt keine sichere Alkoholmenge für unbedenklichen Konsum – die einzige sichere Menge sei null. Dies wird zunehmend in den Medien thematisiert. Die neue Herangehensweise, die dabei angewendet wird, kombiniere mehrere Methoden, die auch in der Gesellschaft unbemerkt wirken. Hofmann stellte die Frage, was die Gesellschaft tatsächlich gewonnen hat, wenn wir auf der einen Seite alkoholfreie Produkte fördern, gleichzeitig jedoch in zahlreichen Lebensmitteln und pharmazeutischen Produkten versteckter Alkohol enthalten ist – ohne, dass dies öffentlich diskutiert wird. Produkte wie Marzipan, Essig, Kefir, Fleischsoßen, Torten und sogar Hustensäfte enthalten Alkohol, was in der Debatte um die Gesundheit und Alkohol derzeit kaum berücksichtigt wird.
Nach der Mittagspause widmete sich Arno Dirker der Brand- und Geistherstellung in der handwerklichen abendländischen Brennkultur. Anhand von Beispielen aus seinem eigenen Unternehmen begeisterte er die Teilnehmer und führte eine Verkostung besonderer Spirituosen durch, die in ihrer Qualität herausragten. Ein Highlight war der „Geist von der Drachenkopfblume“, dessen exotischer Duft und Geschmack – geprägt von Noten wie Citrus, Minze und Thymian – selbst Fachkollegen beeindruckte. Interessanterweise stammen diese Aromen nicht aus den korrespondierenden Pflanzenteilen als Zutaten, was die Besonderheit dieses Geistes unterstrich. Dirker setzt nicht nur auf exklusive Rohstoffe, sondern auch auf innovative Technologie, etwa den Einsatz eines Rosenhutkessels zur Destillation. Während viele Teilnehmer die Qualität dieses Verfahrens lobten, war die fachliche Meinung über die optimale Herstellung von Rosenwasser gespalten. Es entspann sich eine lebhafte Diskussion, da es in der Praxis viele unterschiedliche Ansätze gibt. Eine abschließende Lösung wurde nicht gefunden, was möglicherweise einen weiteren, intensiveren Austausch unter Brennern erforderlich macht, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
Leider konnte der geplante Beitrag zur Bio-Zertifizierung nicht stattfinden. Dieser wird jedoch gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.
Die Diskussion um alkoholfreie Spirituosen bleibt ein heikles Thema, insbesondere für Brenner, die traditionell mit alkoholischen Produkten arbeiten. Oft wird die Herstellung von alkoholfreien Getränken als einfache Kombination von Wasser und Aromen abgetan, was zu einer geringen Wertschätzung führt. Doch Claudia Geyer und Rudolf Hermann konnten in ihrem Vortrag zeigen, dass die Technologie zur Herstellung hochwertiger alkoholfreier Spirituosen bereits heute verfügbar ist – eine Technologie, die viele nicht für möglich gehalten hätten. Gemeinsam gründeten sie vor wenigen Wochen die Solos Spirits GmbH, die eine Methode zur Entalkoholisierung von Bränden und Geisten anbietet. Diese Technologie, die bereits für entalkoholisierten Wein genutzt wird, wurde speziell für Spirituosen adaptiert. Sie ermöglicht es, Alkohol zu entfernen, ohne das typische Produktprofil zu verändern. Dabei bleiben auch komplexe Inhaltsstoffe, die beispielsweise durch Holzfassreifung entstehen, erhalten. Die Destillation wird dafür wiederholt und ein spezieller Baustein fixiert das Aroma, sodass es später in das alkoholfreie Produkt zurückgeführt werden kann. Den Teilnehmern wurde ein praktischer Eindruck vermittelt: Duftstreifen mit den Aromen der entalkoholisierten Produkte füllten schnell die Atmosphäre im Raum und eine Verkostung eines Mischgetränks zeigte das Potenzial dieser Technologie. Besonders bemerkenswert war, dass Solos Spirits mit Mengen ab etwa 20 Litern arbeitet, was diese Technologie auch für kleinere Brennereien zugänglich macht, die direkt vermarkten. Ein entsprechendes Serviceangebot ist bereits in Planung. Ein großes Thema blieb jedoch die Haltbarkeit der alkoholfreien Produkte, da der Alkohol als natürlicher Konservierungsstoff entfällt. Klassische Konservierungsstoffe wie Natriumbenzoat oder Kaliumsorbat kommen nicht zum Einsatz. Stattdessen werden moderne Alternativen verwendet, wie zum Beispiel ein Extrakt aus einem Speisepilz, der das Wachstum von Mikroorganismen hemmt. Diese Methode sorgt dafür, dass das Produkt nach dem Öffnen mehrere Tage haltbar bleibt – eine Entwicklung, die in der Getränkebranche bereits in anderen Anwendungen etabliert ist. Allerdings bleibt die Technik der Entalkoholisierung in großem Maßstab ausgelegt und wird daher kurzfristig nicht in kleinem Format verfügbar sein. Die Anlagen sind teuer und erfordern spezialisierte Prozesse um eine hohe Qualität sicherzustellen. Ein dezentrales, kostengünstiges Produzieren ist derzeit nicht möglich. Dennoch bietet das Serviceangebot von Solos Spirits eine Lösung, bei der die Produkte nicht nur entalkoholisiert, sondern auch haltbar gemacht und verpackt zurückgegeben werden – natürlich zu einem entsprechenden Preis. Die Entwicklung von alkoholfreien Spirituosen und Mischgetränken bleibt ein spannendes Thema, dessen Erfolg nicht von den Brennern, sondern von den Konsumenten abhängt. Die Nachfrage nach alkoholfreien Produkten wächst, insbesondere in den USA, wo der Markt für klassische Spirituosen im Jahr 2024 laut offiziellen Zahlen bereits um über 50 % gefallen ist. Prognosen zeigen, dass dieser Rückgang auch 2025 weitergehen wird. In Europa und Deutschland gibt es derzeit noch keine belastbaren Zahlen zu alkoholfreien Alternativen, aber die Entwicklung wird genau beobachtet. Sollte der Trend weiter anhalten, werden auch hier vermehrt Investitionen in den Markt für alkoholfreie Spirituosen fließen. Der weltweite Rückgang des Alkoholkonsums, der seit Jahrzehnten zu beobachten ist, stellt die Branche vor neue Herausforderungen, deren Ausgang noch offen ist.
Nach einer kurzen Kaffeepause stellte sich Jochen Hubach als Nachfolger von Bruno Krieglstein vor. Hubach, ursprünglich aus Bayern, kam über familiäre Umstände nach Baden-Württemberg. Krieglstein, der die letzten Jahre eine prägende Rolle in der Branche spielte, ist seit einigen Monaten im wohlverdienten Ruhestand. Hubach befindet sich noch in der Einarbeitungsphase und ist mit einer Vielzahl an Aufgaben betraut. Daher ist es ihm besonders wichtig, sich persönlich ein Bild von den Kleinbrennereien und ihren Betreibern zu machen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass er ebenso wie sein Vorgänger den Kleinbrennern mit Engagement und Interesse zur Seite stehen wird.
Das zentrale Thema der Veranstaltung war die aktuelle Lage der Brennereien, insbesondere im Hinblick auf die letzten beiden Jahre, die viele Direktvermarkter mit Sorgen erfüllen. Die mediale Fokussierung auf eine zunehmend antialkoholische Haltung wurde als problematisch wahrgenommen. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung von Wettbewerben und Auszeichnungen betont. Auch wenn sich die Medienlandschaft verändert hat, bleiben solche Veranstaltungen wichtig, nicht nur zur Anerkennung der Qualität, sondern auch für die Sichtbarkeit politischer Akteure. Insbesondere die Möglichkeit, Fotos von Preisverleihungen zu verbreiten, kann die Markenwahrnehmung der Brennereien stärken. Arno Dirker hob in diesem Zusammenhang hervor, wie wichtig Events, auch innerhalb der Brennerei, für die erfolgreiche Vermarktung sind. Wenn Gäste Gläser mit nach Hause nehmen, ist das keine Enttäuschung, sondern ein Zeichen von Wertschätzung und Erinnerung an die Marke. Nachhaltigkeit, speziell in den Bereichen Energie, Wasser und Kohlenstoffdioxid, wurde ebenfalls als ein zukunftsträchtiges Thema genannt. Besonders in der Brennerei, wo energieintensive Prozesse wie die Destillation stattfinden, werden Lösungen zur kostengünstigen Erzeugung und Speicherung von Energie von entscheidender Bedeutung sein. Die Frage, wie die Gesellschaft künftig mit Alkohol und Volksgesundheit umgehen wird, bleibt offen. Einige Teilnehmer zeigten sofort Interesse an der Technologie von Solos Spirits, die es ermöglicht, Alkohol schonend zu entziehen, ohne das Produktprofil zu verlieren. Doch nicht jeder war sofort überzeugt und viele stellen sich die Frage, ob und wie alkoholfreie Alternativen in die eigene Produktpalette integriert werden könnten. Auch wenn der Markt derzeit noch nicht flächendeckend Nachfrage zeigt, könnte sich dies ändern, spätestens wenn Anbieter aus dem Ausland den deutschen Markt bedienen. Die Branche muss sich überlegen, wie sie auf diese Entwicklung reagieren will.
Die Veranstaltung endete mit einem Dank an alle Beteiligten. Hofmann betonte das Engagement hinter den Kulissen, ohne welches solche Veranstaltungen nicht möglich wären. Dank gebührte auch den Mitarbeitern, Aushilfen, Kollegen, den Kleinbrennerverbänden, Zulieferern und der Fachpresse. Ein besonderer Dank ging an das Museum in Bönnigheim, das die Geschichte der handwerklichen Brennkunst dokumentiert welche nun offiziell als Immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt ist. Kurt Sartorius, der das Museum vertrat, nutzte die Pausen, um für Unterstützung zu werben. Die Geschichte der Brennerei wird kontinuierlich fortgeschrieben, nicht nur durch solche Veranstaltungen, sondern auch durch die Bewahrung und Vermittlung ihrer Tradition.