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Chlorose wieder häufiger! Ursachen und Gegenmaßnahmen

R. Fox, LVWO Weinsberg

Die letzten Jahre brachten  sehr ausgeprägte Wärme- aber auch Niederschlagsphasen. Als Folge war die Chlorose wieder häufiger zu beobachten. So führten der Wechsel von kühl/feucht zu warm, aber auch umgekehrt, teils zu regelrechten Wachstumsschüben und in der Folge meist kurz vor der Blüte zu beachtlichen Chloroseerscheinungen. Betroffen sind allgemein anfällige Sorten wie Müller-Thurgau, Traminer, Burgunderarten sowie der Dornfelder. Dort, wo die Symptome an einzelnen Stöcken besonders ausgeprägt sind, ist davon auszugehen, dass mangelnde Reservestoffeinlagerung, als Folge eines Überbehanges im Vorjahr, die Hauptursache ist - siehe Abbildung 1. Wo aufgrund mangelnder Energiereserven (Überlastungs-oder Schwächechlorose) das Wurzelwachstum schwächer ist, kann sich dies, während der Blütephase mit natürlicherweise ohnehin geringem Wurzelwachstum, recht gravierend auswirken. Besonders nach ertragreichen Jahren werden extrem überlastete Stöcke stark chlorotisch und erholen sich erst über Jahre hinweg.
Nachdem angenommen wird, dass geschwächte Stöcke leichter durch die Esca oder Eutypa auslösenden Schaderreger infiziert werden können bzw. nach einer Infektion rascher absterben, ist gerade der einzelstockweise auftretenden Schwächechlorose zur Vermeidung späterer Fehlstellen konsequent zu begegnen.

Chlorotische Rebe

Abbildung1: Chlorotische Rebe

Das flächenhafte Auftreten bei Wachstumsschüben , unabhängig von der Bodenpflege oder nasskalter Witterung, spricht für Ursachen die in anderen Bereichen zu suchen sind. So kann davon ausgegangen werden, dass in Folge eines extrem raschen Wachstums und damit hohen Energieverbrauchs der wachsenden Triebspitze ein relativer Energiemangel an den Wurzelspitzen auftritt (Wachstumschlorose) - siehe Abbildung 2. Dem hohen Eisenbedarf des Laubzuwachses im Rahmen der Chlorophyllbildung steht dann ein Energiemangel an den Wurzelspitzen und damit eine reduzierte Eisenaufnahme entgegen. Kommt noch eine schlechte Reservestoffversorgung der Reborgane (Altholz, Wurzelstange, ältere Wurzeln) hinzu, kann der energieverbrauchende Vorgang der Eisenaufnahme nicht dem Bedarf entsprechend ablaufen. Die mangelnde Eisenaufnahme führt zu mangelnder Chlorophyllbildung im Neuzuwachs, was die Assimilation reduziert und damit den Energiestatus der Pflanze nochmals verschlechtert.

Wachstumschlorose beim Dornfelder

Abbildung 2: Wachstumschlorose beim Dornfelder

Sind einzelne Flächen oder Teilbereiche betroffen, so ist dies als boden-, bewirtschaftungs- oder auch witterungsbedingt (Schlechtwetter-, Verdichtungs-, Kalkchlorose) einzustufen - siehe hierzu Übersicht 1. Die genannten Begriffe/Formen deuten dabei auf die Ursachen sowie teils auf mögliche Gegenmaßnahmen hin.

Übersicht 1: Chlorose
 

Begriffe/Formen

Ursachen

Kalkchlorose (flächig, kesselartig)

Festlegung von Eisen. Eisen-Ionen liegen vermehrt in schlecht verfügbarer Form vor.

Verdichtungschlorose (flächig, besonders auf schweren Böden)

Sauerstoffmangel bzw. Anreicherung von CO2.

CO2 reagiert mit Kalk zu wasserlöslichem Hydrogenkarbonat und hebt den pH-Wert. Verstärkte Aufnahme von Hydrogen-karbonat führt dazu, dass in der Pflanze vorhandenes Eisen 'festgesetzt' wird.

Schlechtwetterchlorose, Nässechlorose

(flächig, besonders auf schweren Böden und bei kühl-feuchter Witterung)

Nasser, kalter Boden, Sauerstoffmangel, zudem Hemmung des Wurzelspitzenwachstums durch H2S und CH4-Anreicherung.

Überlastungs- oder Schwächechlorose

(einzelstockweise, nach hohen Vor-jahreserträgen)

Schlechter Energiestatus vermindert die Abscheidung von

H+-Ionen   und erschwert die Reduktion von Eisenverbindungen (energiebedürftiger Vorgang, um  Eisen 'aufnehmbar' zu machen). Mangelndes Wurzelspitzenwachstum

Trockenstresschlorose (flächig, Trockenzonen)

 

Mangelnde Energiereserven, mangelndes Wurzelspitzenwachstum

Wachstumschlorose (flächig, meist von kurzer Dauer sowie auf anfällige Sorten begrenzt)

Bei witterungsbedingt besonders raschem Wachstum muss in kurzer Zeit viel Chlorophyll aufgebaut werden. Dies setzt eine verstärkte Eisenaufnahme, verbunden mit erheblichem Energieaufwand, voraus. Gleichzeitig verbrauchen die rasch wachsenden Triebspitzen viel Energie und stehen somit zusätzlich in Konkurrenz zur Wurzelversorgung und damit auch zum Wurzelwachstum


Tritt - aus welchen Gründen auch immer - deutlich Chlorose auf, so verstärken sich häufig zunächst die Symptome nochmals, da die Rebe über vermehrte Neutrieb -bildung einschließlich von Geizen (Besenwuchs) versucht Assimilationsfläche aufzubauen. Da der Zuwachs zunächst Energie verbraucht und ebenfalls chlorotisch ist, kann die Rebe kaum assimilieren und somit keine Energie gewinnen. Dieser Teufelskreis verstärkt sich somit selbst und schwächt die betroffenen Stöcke zusätzlich. Nicht nur der Ertrag im laufenden Jahr, sondern auch die Holzleistung, Holzreife sowie insbesondere die Reservestoffeinlagerung (Energie) sind mehr oder weniger stark beeinträchtigt.

Nachdem das Eisen von der Rebe ausschließlich über die Wurzelspitzen aufgenommen werden kann, wirkt sich gehemmtes Wurzelwachstum generell chlorosefördernd aus.

In Grenzfällen - Bewirtschaftung entscheidend

Nach wie vor sind in der Praxis bei anfälligen Sorten sowie auf gefährdeten Standorten deutliche bewirtschaftsungsbedingte Unterschiede im Auftreten und der Intensität der Chlorose zu beobachten. Neben langjährig hohen Erträgen sind dabei das Befahren bei Nässe und strukturschädigende Bodenpflegemaßnahmen (zu häufig, zu intensiv) zu nennen. Hierdurch bleiben die Böden im Frühjahr bis in tiefere Bodenbereiche länger feucht und kalt. Die intensive mechanische Bearbeitung führt daneben ungewollt zur Zerstörung vieler Wurzelspitzen in den oberen, wärmeren und sauerstoffreicheren Bodenschichten. Die Wurzeln werden somit teilweise in die für sie ungünstigeren, tieferen Bodenbereiche verdrängt. Nicht zuletzt führt die mechanische Bearbeitung häufig zu einer enormen Stickstofffreisetzung, was ein schubartiges Wachstum begünstigt. Die Summe dieser Einflüsse kann unter Grenzbedingungen die Verhältnisse so stark verschieben, dass es zu gravierenden, bewirtschaftsungsbedingten Unterschieden im Chloroseauftreten zwischen benachbarten Flächen mit gleichen Sorten kommt. Der starke Rückgang der Chloroseerscheinungen nach der weitgehenden Umstellung auf Dauerbegrünung spricht in dieser Hinsicht für sich.

Versuchsanstellung sowie Ergebnisse

Versuchsanstellung
In einer 1995 angelegten Traminerfläche auf der Unterlage Binova traten nach recht hohen Erträgen im dritten und vierten Standjahr (je ca. 150 kg/a) stockweise sowie teils kesselartig mehr oder weniger starke Chloroseerscheinungen auf. Dies wiederholte sich in den Folgejahren bei deutlich geringeren Erträgen. In den Jahren 2003 bis 2008 wurden insgesamt 64 Einzelstöcke dauerhaft gekennzeichnet und jeweils separat Ertrag, Holzertrag, sowie die Chloroseintensität erfasst. Zu Versuchsbeginn wurden dabei jeweils 16 Stöcke mit dem Erscheinungsbild gesund, schwach chlorotisch, stark chlorotisch sowie extrem chlorotisch gekennzeichnet. Ziel war die Erfassung der Schwankungen aller Einzelstöcke bei unterschiedlicher Ausgangslage in Bezug auf Chloroseauftreten (Gesundung, Verstärkung), Nachwirkung des Vorjahres, Leistung in Holz- und Traubenertrag sowie Wechselwirkungen der erfassten Parameter untereinander.

Ergebnisse
Wie am Kurvenverlauf in Abbildung 3 erkennbar ist, bewegen sich die Erträge und Holzleistungen im Mittel der gesunden Stöcke im normalen, jahrgangsgeprägten Schwankungsbereich. Die zu Versuchsbeginn schwach chlorotischen Stöcke fielen im Ertrag zunächst ab, erholten sich jedoch rasch wieder - siehe Abbildung 4. Bei den stark chlorotischen Stöcken - Abbildung 5 - war der Ertragsabfall zunächst krasser, sie erholten sich jedoch ebenfalls recht rasch. Die zu Versuchsbeginn extrem chlorotischen Reben benötigten eine Erholungsphase von drei Jahren, was den Rückgang der Chlorosesymptome, die Zunahme der Holzleistung sowie die Ertragsleistung anging - siehe Abbildung 6. Bemerkenswert ist auch die Entwicklung der Chloroseintensität.

Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "gesund"

Abbildung 3: Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "gesund"

 

Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "schwach"

Abbildung 4: Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "schwach"

 

Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "stark"

Abbildung 5: Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "stark"

 

Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "extrem"

Abbildung 6: Chloroseversuch Traminer; Verlauf nach Anfangsbonitur "extrem"


Diese stieg nach einer mehr oder weniger langen Erholungsphase bei allen zu Versuchsbeginn mehr oder weniger chlorotischen Stöcke gegen Ende der Versuchslaufzeit in Verbindung mit mittleren Erträgen deutlich an - siehe Abbildungen 4 bis 6.

In Abbildung 7 sind beispielhaft die Kurvenverläufe von zwei Einzelstöcken mit der Befallsklasse "stark" widergegeben. Wie am Kurvenverlauf ersichtlich, haben beide Stöcke nach sehr geringem Ertrag in 2004 in den Jahren 2005 und 2006 mittlere Erträge sowie Holzleistungen erbracht. Während ein Stock - Abbildung 7 oben - 2007 und 2008 normalen Ertrag aufwies, fiel der andere - Abbildung 7 unten - extrem ab. Die bei diesem Stock bereits 2006 deutlich ansteigende Chloroseintensität deutete bereits darauf hin, dass der Ertrag - bezogen auf die individuelle Leistungsfähigkeit - wohl bereits 2005, insbesondere jedoch 2006, zu hoch war. In der Folge kam es in 2007 sowie 2008 zu extremer Chloroseintensität, keinerlei Ertrags- sowie geringer Holzleistung. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die jeweilige individuelle Lebensgeschichte der Stöcke, oder anders ausgedrückt, der Energiestatus der Pflanze einen starken Einfluss auf das Folgejahr oder sogar mehrere Jahre hat. So führt die Minderung der Assimilationsleistung durch Chlorose neben geringeren Erträgen und Holzleistungen vor allem zu wesentlich geringerer Holzreife beziehungsweise Reservestoffeinlagerung - Ertrag geht vor Holzreife. Es muss davon ausgegangen werden, dass die geringeren Energiereserven im Folgejahr zu einem verminderten Wurzelspitzenwachstum führen und die Bereitstellung von Energie zur Aufnahme von Eisen ebenfalls verringert ist. Dies ist als Hauptursache für das einzelstockweise Auftreten der mehr oder weniger stark ausgeprägten Schwächechlorose anzusehen.

 

Chloroseversuch Traminer; Verlauf bei 2 Stöcken nach Anfangsbonitur "gesund"

Abbildung 7: Chloroseversuch Traminer; Verlauf bei 2 Stöcken nach Anfangsbonitur "gesund"

Die gesicherte Beziehung zwischen Chloroseintensität und Ertrag- sowie Schnittholzleistung - siehe Abbildung 8 - zeigt den starken Einfluss chlorosebedingt geminderter Assimilationsleistung und unzureichender Stoffbildung/Wüchsigkeit auf. Ertrag- und Schnittholzmenge weisen dabei eindeutige, gleichlaufende Kurvenverläufe auf - Abbildung 8. Kommt es demnach chlorosebedingt zu einer Wuchsschwächung und verringerter Reservestoffeinlagerung, ist die Fruchtbarkeit nicht nur im laufenden Jahr, sondern auch im Folgejahr beeinträchtigt.

 

Abbildung 8: Chloroseversuch Traminer; Ertrag und Schnittholzgewicht in Abhängigkeit von der Chlorosebonitur

Folgerungen für die Kulturführung

Tritt als Folge von Übererträgen einzelstockweise Schwächechloroseauf, muss durch eine mehrjährige Ertragsbegrenzung für eine verbesserte Reservestoffeinlagerung Sorge getragen werden. Dies trifft ganz besonders für jüngere Anlagen mit ihrem altersbedingt relativ kleinen Reservestoffspeichervolumen zu. Kommt es bei Schwächechlorose nach kurzer Erholungszeit rasch erneut zu hohen Erträgen, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit erneuter Überbelastung, da die Energiereserven der Pflanze nicht in allen Fällen bereits nach einem Jahr der Erholung ausreichend ergänzt werden konnten. Die Kennzeichnung der chlorotischen Stöcke, ein kürzerer Anschnitt, sowie die  mehrjährige gezielte Ertragsreduktion vor dem Weichwerden, tragen zur langfristigen Gesundung bei. Bei chloroseanfälligen Sorten bietet es sich vorbeugend generell an, überhangene Stöcke nach weitgehender Verfärbung gezielt zu entlasten, um über verbesserte Reservestoffeinlagerung möglichen negativen Auswirkungen auf das Folgejahr vorzubeugen. In boden-, witterungs-, sowie bewirtschaftungsbedingten Grenzfällen für das Auftreten von Chlorose ist bei gutem Reservestoffstatus der Stöcke mit geringerer Chloroseintensität, rascherer Gesundung im weiteren Vegetationsverlauf oder völliger Symptomfreiheit zu rechnen. Auch das Auftreten von Wachstumschlorose dürfte bei verbessertem Reservestoffhaushalt gemindert sein.

Die witterungs- oder auch wachstumsbedingt, meist flächig, auftretende Chlorose lässt sich am ehesten durch durch Nichtstun, also möglichst nur mulchen beziehungsweise begrünen lassen, jedoch keinesfalls durch mechanische Bodenbearbeitung, reduzieren. Meist verschwinden die Symptome  bei nachfolgend günstigeren Witterungsbedingungen ganz von selbst. Wer bei chlorosebedingt hellem Laub bzw. schwachem Wachstum Stickstoff zur Wuchsförderung ausbringt, erreicht über den kurzfristig vermehrten Energieverbrauch der rasch wachsenden Triebspitze und damit stärkerer Konkurrenz zur Wurzelversorgung gerade das Gegenteil. Hingegen führt die Wegnahme der assimilatzehrenden Triebspitzen zur Minderung der Chlorose. So ist es auch nachvollziehbar, dass spätestens nach dem ersten Laubschnitt die Chlorosesymptome in der Regel nach und nach verschwinden.

Blattdüngung mit Eisenpräparaten

In Teilbereichen des Versuches durchgeführte Blattdüngungsmaßnahmen mit speziellen Eisenpräparaten erbrachten selbst bei wiederholter und mehrjähriger Ausbringung nur sehr bescheidene Erfolge. Vor dem Hintergrund einzelstockweiser Schwächechlorose war dies auch kaum anders zu erwarten, da lediglich die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft wurden. Blatt- oder Bodenapplikationen sind deshalb generell bei geringer Chloroseintensität als kurzfristige Hilfe zur Selbsthilfe zu betrachten. Je früher hier die Applikationen erfolgen und je geringer die Chloroseintensität dabei ist, desto besser kann das Eisen aufgenommen und Blattgrün aufgebaut werden. Langfristig muss die Bewirtschaftung, den jeweiligen Ursachen entsprechend, geändert werden.

Fazit

Bereits ein geringer Chlorosebefall führt zur Leistungsminderung. Chlorose hat einen starken Einfluss auf den Holz- und Traubenertrag, sowie insbesondere auf den Reservestoffhaushalt und damit die Fruchtbarkeit im Folgejahr. Hohe Vorjahreserträge bergen in boden-, witterungs-, sorten-, unterlagen- oder auch bewirtschaftungsbedingten Grenzfällen die Gefahr von Chlorose/Schwächechlorose in einzelnen Anlagen besonders jedoch an Einzelstöcken in sich.
Dies spricht für eine jährliche, gezielte Ertragsentlastung überhangener Stöcke mit dem Ziel der Verbesserung des Reservestoffhaushaltes und damit einer effizienten Vorbeugung vor Chlorose/Schwächechlorose. Mit Blattdüngungsmaßnahmen kann nur bei geringer Chloroseintensität ein befriedigender Erfolg erzielt werden.

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