Erfahrungen mit der Standort-Grünveredlung
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Zusammenfassung
Die bisherigen Erfahrungen mit der Holz-auf-Grün-Veredlung in den Jahren 1999 und 2000 sind sehr positiv. Die Anwuchserfolge lagen bei fast 100%. Die Verwachsung ist ähnlich stabil wie bei der Herstellung von Pfropfreben. Im Folgejahr kann bereits mit einem 50%igen Ertrag gerechnet werden.
Einleitung
Die raschen Veränderungen am Weinmarkt zwingen den Anbauer vermehrt zu einer Umstellung der Rebsorte, lange bevor die Neuanlage eines Weinbergs aus biologischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen sinnvoll wäre. Eine Chance zur raschen Umstellung könnte die Standort-Veredlung bieten. Nicht ohne Grund werden jedoch Reben üblicherweise bei der Veredlung im Gewächshaus angezogen. Die Verwachsung bei Reben und die Kallusbildung findet nur bei relativ hohen Temperaturen statt. Unter den Bedingungen des Deutschen Weinbaus bestehen deshalb relativ ungünstige Verhältnisse für Standort-Veredlungen. Große Hoffnungen wurden zunächst in das Chip-Budding-Verfahren gesetzt, einem Okulationsverfahren, bei dem Einaugen-Chips in einen T-Schnitt in die Rinde des Rebstammes eingesetzt werden. Verschiedene Untersuchungen zeigten jedoch, daß die Anwuchserfolge nur unter sehr günstigen Bedingungen einen ausreichend hohen Prozentsatz erreichen. Das Einsetzen der neuen Edelreissorte als Einaugen-Chip in den Rebstamm bewirkt außerdem sehr ungünstige physikalische Verhältnisse. Bei relativ geringen, mechanischen Belastungen bricht die Veredlung an der Veredlungsstelle ab. Dieses Verfahren konnte sich in der Praxis deshalb nicht durchsetzen.
Eine weitere Methode zur Standort-Veredlung wurde in Südtirol entwickelt. (Spitaler et. al). Bei diesem Verfahren werden die Rebstöcke im Winter sehr stark zurückgeschnitten, so daß verstärkt Wasserschosse austreiben. Etwa zur Zeit der Rebblüte wird die Veredlung vorgenommen. Aufgepfropft werden verholzte Stücke aus 2 Augen und einem Internodium, die aus dem Vorjahr überlagert werden müssen. Da erste Tastversuche entscheidende Vorteile gegenüber den bisherigen Verfahren erkennen ließen, wurde das Verfahren an der LVWO Weinsberg an die hiesigen Verhältnissen adaptiert und weiterentwickelt.
Modifikation des Verfahrens
Bei dem ursprünglichen Verfahren der Holz-auf-Grün-Veredlung wurde vorgeschlagen, einen einfachen englischen Kopulationsschnitt (ohne Gegenzunge) einzusetzen. Aus der Rebveredlung ist bekannt, daß bei Verwendung einer Gegenzunge wesentlich bessere Verwachsungsraten erreicht werden. Der Kopulationsschnitt mit Gegenzunge ist zwar deutlich zeitaufwendiger, führt jedoch sicherer zu dem gewünschten Ergebnis. Anstatt des in Südtirol verwendeten Gummibandes wurden in Weinsberg selbstklebende Kunststoffbänder aus Polyether Urethan (Medifilm, Hersteller: Fa. Aglis, Vetrieb: Hermann Meyer, Rellingen) verwendet. Diese sind zum einen leichter zu handhaben, zum anderen wurden bei Obstgehölzen mit diesen Materialien sehr gute Ergebnisse erzielt.
Abbildung 1: Veredlung geschützt mit Medifilm |
Grundsätze des Verfahrens
Die Edelreiser müssen genauso vorbereitet werden wie bei der herkömmlichen Veredlung. Bis zum Veredlungszeitpunkt werden sie in einer Kühlzelle aufbewahrt und kurz vor der Veredlung gewässert. Der zu veredelnde Rebstock wird bis auf das mehrjährige Holz zurückgeschnitten und mindestens zwei, möglichst tief ansetzende, Wasserschosse aufgebunden. Die Veredlung findet während des Zeitpunkts der Rebblüte statt. Zu diesem Zeitpunkt muß das Mark der zu veredelnden Triebe noch glasig sein. Die Veredlung sollte mindestens 10 cm von der Ansatzstelle des Triebes erfolgen. Austreibende Gescheine sollten entfernt werden. In der Regel treibt das Edelreis ca. 14 Tage nach der Veredlung aus. Unter ungünstigen Bedingungen kann dieser Vorgang bis zu 3 Wochen dauern. Zur Sicherheit sollten grundsätzlich zwei Triebe veredelt werden. Die Rebstöcke müssen regelmäßig auf Neuaustriebe und das Wachstum von Geiztrieben überprüft werden und diese gegebenenfalls entfernt werden. Die neuen Rebtriebe wachsen relativ spät heran und müssen deshalb auch bis Ende September vor Peronosporabefall und Oidium geschützt werden, damit sie optimal ausreifen können.
Erfolge der Holz-auf-Grün-Veredlung in Weinsberg
Veredelt wurden bisher 700 Rebstöcke (Dornfelder auf Hölder, Schwarzriesling auf Riesling, Lemberger auf Riesling, Johanniter auf Versuchssorte ). In allen Verfahren wurden nahezu 100 %ige Anwuchsraten erreicht. Bereits im Jahr nach der Veredlung kann mit einem beachtlichen Ertrag, ca. 50 % eines Vollertrags, gerechnet werden. Die Veredlungsstelle verheilt sehr gut und ist im Gegensatz zum Chip-Budding mechanisch sehr belastbar. Bisher liegen nur Erfahrungen aus dem Jahr 1999 und dem Jahr 2000 vor. Gerade im Jahr 2000 herrschten jedoch relativ ungünstige Bedingungen, da zunächst bis Ende Juni extreme Trockenheit herrschte und nachfolgend der Juli relativ kühl und regenreich war. Das Jahr 2000 kann deshalb bereits als ein gewisser Härtetest angesehen werden.
Abb. 2: Kräftiger Austrieb Ende Juli |
Probleme ergaben sich nur bei einer Rebsorte (Versuchssorte): der Austrieb von Wasserschossen war sehr spärlich und oft war die Ansatzstelle dieser Triebe zu hoch. Da jedoch die derzeit für eine Umveredlung interessanten Rebsorten (insbesondere Müller-Thurgau und Riesling) sehr gut aus dem alten Holz treiben, ist dieser Umstand momentan nicht praxisrelevant.
Abbildung 3: Veredlung mit Gegenzunge, |
Die Veredlung mit Gegenzunge ergibt, ähnlich wie bei der normalen Veredlung von Pfropfreben, eine deutlich bessere und stabilere Verwachsung. Sie ist aber wesentlich arbeitsaufwendiger. Da jedoch die Qualität und Stabilität der Pfropfung langfristig ein entscheidender Faktor sein dürfte, sollten hier keine Kompromisse gemacht werden. Das Veredeln mit Gegenzunge erfordert gerade bei grünem Material viel Gefühl und Erfahrung. Die Verletzungsgefahr ist auch wegen der ungünstigen Arbeitshaltung erheblich. Die Arbeit sollte deshalb an erfahrene Profis vergeben werden.
Abbildung 4: Erfolgreich umveredelte Rebfläche |