Führungen und Weinproben souverän meistern
Evelyn Schmidt
Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg
Marketing und
Tourismus
Betriebsführungen und Weinproben gehören zum Standardrepertoire im Weinbaubetrieb. Die einen führen Kunden spontan durch Keller und Probe, die anderen planen ihre Gästeangebote akribisch. Zielsetzung, Umsetzung und Qualität variieren und damit auch der Beitrag zum Betriebsergebnis. Erfahren Sie im folgenden Beitrag wie sie Gäste auf dem Betrieb souverän managen und worauf Sie bei verschiedenen Besuchergruppen achten sollten.
Abbildung 1: Bei Führungen sollte immer genügend Zeit für Weinverkauf im Anschluss eingeplant werden (Foto: Schmidt)
Gäste auf dem Hof – ja oder nein?
Nehmen wir an Sie sind Inhaber eines Weinbaubetriebes und erhalten folgende Anfrage: „Wir sind eine Gruppe von 12 Personen und besuchen im September 2012 die Weinregion. Gern würden wir Ihren Betrieb bei einer Führung und Weinprobe näher kennen lernen. Bitte senden Sie uns mögliche Vorschläge und Informationen für unseren Besuch.“ Wie gehen Sie vor? Was bieten Sie der Gruppe? Zu welchem Preis? Wer im Betrieb beantwortet die Anfrage und betreut die Gruppe?
Zunächst sollten Sie für sich entscheiden, inwieweit Sie grundsätzlich Gäste auf dem Hof empfangen möchten. Wollen Sie Gästegruppen gezielt und in hoher Frequenz gewinnen oder bieten Sie Führungen und Weinproben lediglich auf Anfrage und für besondere Kunden an?
Es gibt Weinbaubetriebe, die ganz bewusst einen betrieblichen Schwerpunkt auf die Gästebetreuung legen. Diese Betriebe planen und kalkulieren ihre Angebote sorgfältig und generieren losgelöst vom Weinverkauf zusätzliche Einkünfte aus Gästeprogrammen. Gäste sind hier jederzeit willkommen und werden selbstverständlich und professionell betreut.
Andere Betriebe empfangen Gästegruppen oder Weinkunden nur auf spezielle Anfrage. Die Angebote werden individueller und spontaner durchgeführt und in der Regel ohne Entgelt angeboten. Die Verknüpfung zum Weinverkauf ist stärker. Der Schwerpunkt dieser Betriebe liegt meist auf andere Vertriebsaktivitäten.
Gästebetreuung kostet Zeit und bedeutet Aufwand. Wer regelmäßig Gästegruppen betreuen möchte sollte sich daher im Vorfeld über Organisation und Abläufe Gedanken machen.
Abbildung 2: Touristische Ausrichtung von Weinbaubetrieben
Schnelle Reaktionszeit ist gefragt
Gästeanfragen für Führungen und Weinproben kommen in der Regel per Email oder Telefon. Halten Sie am Telefon und Arbeitsplatz immer Schreibutensilien, Weinpreislisten und Terminkalender bereit. Damit sind Sie bei Anfragen jederzeit aussagefähig. Entwickeln Sie eine betriebsinterne Checkliste auf der Sie alle Details für den Gästebesuch notieren. Damit haben Sie und Ihre Mitarbeiter einen Überblick über Absprachen und Vereinbarungen.
Die meisten Anfragen für Führungen und Weinproben werden Sie für die Abendstunden, Wochenenden und Feiertage erhalten. Besonders frequentiert sind die Monate Mai bis Oktober. Überlegen Sie, wer in Ihrem Betrieb Besuche in dieser Zeit betreuen kann. Legen Sie Termine nicht zu eng und planen Sie ausreichende Pufferzeiten.
Anfragen für Führungen und Weinproben erfolgen oftmals kurzfristig und erfordern seitens der Weinbaubetriebe eine schnelle Reaktion. Melden Sie sich innerhalb von 24 Stunden zurück. Auch hier helfen standardisierte Angebote und Textbausteine. Erfassen Sie bei Anfragen immer die komplette Kundenadresse.
Auf die jeweilige Gruppe einstellen
Erfragen Sie bei der Anmeldung Näheres zu Ihrer Gästegruppe. Je mehr Sie über Ihre Gruppe wissen, desto besser können Sie auf Wünsche und Erwartungen reagieren. Wer sind die Gäste? Woher kommt die Gruppe? Wie stark ist das Wissen und Interesse für Wein? Wie sieht der Tagesablauf der Gruppe aus? Welche besonderen Wünsche hat die Gruppen? Vergleichen Sie hierzu den Exkurs Arten von Gästegruppen.
Überlegen Sie welche Kapazitäten Ihnen im Betrieb zur Verfügung stehen und bei welchen Gruppen und Gruppengrößen Sie sich wohl fühlen. Es ist sinnvoll, Mindest- und Maximalteilnehmerzahlen für Angebote festzulegen. Prüfen Sie die Kapazitäten für alle Räumlichkeiten sowie die Möglichkeiten für Bestuhlung und flexible Nutzung.
Im Optimalfall übersteigt die Gruppengröße bei Führungen 35 Personen nicht. Auch bei ausreichend Platz und einer guten und lauten Aussprache sollten es nicht mehr als 50 Personen sein. Bei größeren Gruppen empfiehlt es sich die Gruppe für Rundgänge zu teilen.
Exkurs Arten von Gästegruppen
Art der Gästegruppe | Merkmale | Vorteil | Nachteil |
Individualreisende | - kommen meist zu Zweit- nutzen gern feste Veranstaltungstermine | - Weineinkauf ist starkes Besuchsziel | - individuelle Rundgänge sind meist nicht möglich |
Kleingruppen | - 3 – 5 Teilnehmer- i.d.R. weinaffines Publikum | - intensiver Gästekontakt- häufig enge Bindung an den Betrieb | - hoher Zeit- und Kostenaufwand pro Gast |
Großgruppen | - mehr als 50 Teilnehmer- Interessen und Erwartungen der Gäste variieren | - geringer Zeit- und Kostenaufwand pro Gast- hohe Kontaktzahl und Weiterempfehlungsrate | - oberflächlicher Gästekontakt- Gastgefühl „Massenabfertigung“ |
Busgruppen | - 25 – 50 Teilnehmer- Wein ist selten alleiniges Reisethema- fester Zeitrahmen- geringes Zeitbudget | - Busreiseveranstalter sind treue Partner- Aufenthalt entspricht geplantem Programm | - Zeit für individuellen Kontakt fehlt- meist sehr geringe Budgets pro Gast |
Fachgruppen | - hohe Qualitätsanforderungen an Betrieb und Weine- sehr erfahren und weinaffin | - intensiver persönlicher Austausch- Gäste sind oftmals wertvolle Multiplikatoren | - intensive, persönliche und (teilweise) kostenfreie Betreuung wird vorausgesetzt |
Firmengruppen | - erwarten konkrete Vorschläge- suchen das besondere Event | - Möglichkeit für langfristige Kooperationen- teils höhere Budgets pro Gast | - Gäste sind nicht zwingend weinaffin und kennen häufig das Programm im Vorfeld nicht |
Stammkunden | - kennen den Betrieb und haben eine positive Grundeinstellung | - Inhaber kennt Vorlieben der Gäste- i.d.R. verbunden mit hohem Weinumsatz | - Gäste erwarten individuelle und persönliche Betreuung |
Ausländische Gästegruppen | - haben selten einen persönlichen Bezug zur Weinregion und häufig andere Geschmackspräferenzen | - sind neugierig und interessiert an Wein und Region | - eventuelle Sprachbarrieren speziell beim Weinvokabular- häufig nur einmalige Besuche |
Besprechen Sie mit Ihren Gästen Zeitbudget und Wünsche. Machen Sie Ihren Gästen konkrete Vorschläge. Entwickeln Sie routinierte Standardprogramme und Bausteine für kürzere und längere Gastaufenthalte und zu unterschiedlichen Themen.
Überlegen
Sie, welche Stationen in Ihrem Betrieb für Führungen und
Weinproben kombinierbar sind. Vergessen Sie nicht die
Möglichkeiten im Außen- und Kellerbereich. Veranstalten
Sie Begrüßungen, Sektempfänge und Verkostungen bei
schönem Wetter unbedingt draußen. Verbringen Sie bei
schlechtem Wetter hingegen nicht unnötig Zeit im Freien.
Überraschen Sie die Gäste dann lieber im Keller.
Betrachten Sie Ihren Betrieb aus Gastsicht und wählen Sie die
optimalen Besucherwege. Entwickeln Sie einen roten Faden in der
Wegführung und bauen Sie inhaltliche Ausführungen logisch
darauf auf. Vermeiden Sie doppelte Wege, inszenieren Sie Ihre
Highlights wie Steillage, Holzfasskeller, Sektkeller, Schatzkammer
und integrieren Sie Erlebniselemente wie Fassprobe oder
Live-Degorgieren auf den Rundgängen.
Abbildung 3: Betriebsführungen und Weinproben leben von authentischen und inszenierten Erlebnissen (Foto: Schmidt)
Ein authentisches Gefühl vermitteln
Gäste müssen und sollten nicht jeden Bereich im Betrieb sehen. Zeigen Sie den Gästen nur, was Sie zeigen möchten. Integrieren Sie Kontakte zwischen Ihren Gästen und Ihren Mitarbeitern, vermeiden Sie aber störende Kollisionen und weisen Sie Ihre Besucher auf eventuelle Gefahren hin. Ein Weinbaubetrieb ist kein Museum. Das wissen auch die Gäste. Es ist nicht zielführend nur wegen der Besuchergruppe große Putz- und Aufräumaktionen zu starten. Die Gäste haben ein Gefühl für authentische Betriebe, die grundsätzlich sauber arbeiten.
Fragen Sie Ihre Gäste wie ihr gesamtes Tagesprogramm aussieht. Kommt die Gruppe beispielsweise am Vormittag, sollten Sie zumindest einen Snack zur Weinprobe anbieten, kommt die Gruppe hingegen direkt nach dem Mittagessen ist ein größeres Speisenangebot nicht notwendig. Besichtigt eine Gruppe mehrere Weinbaubetriebe an einem Tag, muss es keine zwölfstöckige Weinprobe sein. Erfragen Sie, wie die Gäste an- und abreisen und seien Sie gegebenenfalls behilflich.
Seien Sie flexibel und stellen Sie sich auf Ihre Gäste ein. Bei Busgruppen bietet sich zu Beginn eine moderierte Busfahrt durch die Weinberge oder Region an. Bei älteren Gästen sollten Sie Fußwege verkürzen, vorhandene Fahrstühle einsetzen und ausreichende Sitzgelegenheiten bereithalten. Bustouristen erwarten einen Ablauf laut Programmausschreibung und ein pünktliches Ende. Fachgruppen reisen oftmals verspätet an, mögen offene Verkostungen und erwarten, dass der Inhaber persönlich vor Ort ist.
Planen Sie für jede Gruppe Zeitpuffer zu Beginn und am Ende des Besuches ein. Die Zeit für Parkplatzsuche und den Toilettengang der Gäste wird oft unterschätzt. Wird die Zeit am Ende des Programms eng, verschenkt der Betrieb Potenzial im Weinverkauf. Die Verkaufssituation muss fester Bestandteil des Aufenthaltes sein. Bereiten Sie für große Gruppen Weinpakete für eine sofortige Mitnahme vor. Umgekehrt kann es passieren, dass Gruppen länger als geplant im Betrieb verbleiben und keine Ende finden. In Anbetracht Ihrer wertvollen Arbeitszeit sollten Sie Ihre Gäste charmant führen und einen klaren Abschluss finden.
Ablauf und Art der Weinprobe
Überlegen Sie in welcher Form Sie Gästen Ihre Produkte vorstellen möchten. Variieren Sie in Ihrer Präsentation je nach Interessen und Zeitbudget der Gruppe. Möglich sind kommentierte, offene und thematische Weinproben, Vergleichsproben, schlendernde Weinproben u.v.m. – alles gleichermaßen geeignet für Neulinge und Fachgruppen. Bereiten Sie individualisierte Probenlisten und Expertisen für die Gäste vor und halten Sie Informationen über Ihren Betrieb bereit.
Unterscheiden Sie, wie bei der Buchung einer Reise, zwischen „Anfrage“ und „Buchung“. Fixieren Sie alle Vereinbarungen wie Termin, Leistungen, Preise, Konditionen, besondere Hinweise schriftlich. Arbeiten Sie auch im Bereich der Gästebetreuung mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen und kommunizieren Sie diese an Ihre Kunden. Damit vermeiden Sie böse Überraschungen und beide Seiten wissen, was sie erwarten dürfen. Was passiert, wenn statt der angemeldeten 30 Teilnehmer nur 22 kommen? Wie verrechnen Sie zusätzlich ausgeschenkte Proben? Wie handhaben Sie kurzfristige Stornierungen von Gruppen? Wie wickeln Sie die Bezahlung ab? Definieren Sie Bedingungen für Anmeldung, Stornierung und Abrechnung.
Personal für die Gästebetreuung
Unterscheiden Sie zwischen Gästegruppen, die Sie selbst betreuen müssen und möchten und denen, die Sie auch an andere Familienmitglieder, Mitarbeiter oder Partner abgeben können. Qualifizieren Sie in Ihrem Betrieb Personal für Führungen und Weinproben oder arbeiten Sie mit externen Partnern wie Gäste- oder Weinerlebnisführern zusammen. Wichtig: Ohne eine Einweisung und regelmäßige Schulungen geht es nicht. Für einen professionellen Ablauf sollten Sie bei Gästegruppen mit mehr als 40 Teilnehmern zusätzliches Personal einplanen.
Gästeführungen
erfolgen meist im laufenden Betrieb. Kommunizieren Sie an Ihre
Mitarbeiter wie, Sie sich ein Verhalten gegenüber Gästen
auf dem Hof wünschen. Prüfen Sie alle Besucherbereiche in
Bezug auf Sauberkeit, Attraktivität und Sicherheit. Besprechen
Sie das Thema Gästeführungen mit Ihrem Versicherer und
klären Sie, ob Ihre Betriebshaftpflichtversicherung
Betriebsbesuche abdeckt.