Hinweise zum Rebschnitt 2002/2003
R. Fox
LVWO Weinsberg
E-Mail: rudolf.fox@lvwo.bwl.de
Steuerungsmöglichkeiten nutzen
Wie uns das Jahr 2002 wiederum gezeigt hat, werden die Erntemengen dominant vom Witterungsverlauf - insbesondere dem Wasserangebot und damit der Beerengröße - während der Vegetationszeit einschließlich der Reifezeit geprägt. Waren die Aussichten auf einen mengenmäßig überdurchschnittlichen Ertrag bis kurz nach der Blüte noch gedämpft, so förderten die hohen Niederschläge im August und September in vielen Regionen das Beerenwachstum enorm. Wenn auch verbreitet die Ertragsreduktion durch Entfernung von Trauben zur Sicherung der Qualität sowie zur Mengenbegrenzung durchgeführt wurden, fielen dennoch teilweise Erträge weit über der Vermarktungshöchstgrenze an.
Fruchtbarkeitspotenzial im Jahr 2003 erneut hoch
Nach der Bilderbuchwitterung während des Triebwachstums, also zur Zeit der Knospenausbildung, ist erneut mit überdurchschnittlicher Fruchtbarkeit bereits an den basalen Knospen zu rechnen. Die witterungsbedingt hohe Vitalität der Reben sowie die zunächst günstigen Bedingungen während der Trauben- und Holzreife mit spätem, natürlichem Laubfall, lassen auf eine gute Reservestoffeinlagerung und vollständigen Austrieb im nächsten Jahr schließen. Dies stabilisiert in Verbindung mit dem verbreitet überdurchschnittlichen Mostgewicht die potenzielle Fruchtbarkeit. Daneben ist damit zu rechnen, dass sich die in den letzten Jahren leicht erhöhte Stickstoffdüngung sowie das teilweise „Öffnen" der Böden vitalitäts- und damit ertragsfördernd auf das Folgejahr auswirken. Die hohen Bodenfeuchtewerte führten daneben zu überdurchschnittlicher Verfügbarkeit an Nährstoffen und damit auch zu hoher Reserveeinlagerung eben an Nährstoffen in die Reben selbst. Dies fördert die Startbedingungen im Folgejahr erheblich.
Verhaltener Anschnitt angesagt
Wenn auch im Jahr 2002 nicht überall große Übermengen auftraten, so ist dennoch am Weinmarkt kaum eine Entspannung erkennbar und das Übermengenkonto der Erzeuger in der Regel gut gefüllt. Dies spricht neben dem Aspekt der Qualitätssicherung und der Vermeidung von Arbeitsaufwand für Ertragsregulierungsmaßnahmen für einen verhaltenen Anschnitt. Vor allem dort, wo langjährige Maßnahmen zur Ertragsbegrenzung durchgeführt wurden und/oder überdurchschnittliche Vitalität der Reben vorlag, kam es zu weit überdurchschnittlichen Traubengewichten und damit unerwartet hohen Erträgen. Diese Erfahrungen gilt es, auch für die Folgejahre zu beachten und gegebenenfalls die Flächen zu wechseln, in denen zur Produktion von Premiumprodukten zunächst kurz angeschnitten und später noch ausgedünnt wird. Die regional lediglich auf wenige Hektar begrenzten Winterfrostschäden konnten somit, was die Erntemengen anging, vielfach durch Mehrerträge in ungeschädigten Flächen innerhalb der einzelnen Betriebe selbst ausgeglichen werden.
Die Erfahrungen mit den regionalen Frostschäden in den unteren Lagen bzw. Kaltluftschneisen aus dem Winter 2001/2002 zeigen jedoch auch an, wo möglichst spät geschnitten werden sollte, um gegebenenfalls ausgleichen zu können.
Allgemein stellen die seitherigen Erträge der einzelnen Parzellen eine gewisse Richtschnur für das zukünftig zu erwartende Ertragspotenzial dar und geben deshalb wertvolle Hinweise, ob kürzer oder länger angeschnitten werden sollte.
Aus pflanzenbaulicher Sicht bietet es sich wiederum an, Sorten wie Trollinger, Lemberger, Kerner und Müller-Thurgau mit ihrer hohen Fruchtbarkeit am langen Bogen eher auf zwei kürzere oder sogar einen, allenfalls mittellangen, Bogen zu schneiden. Dies begrenzt einerseits die Fruchtbarkeit und verbessert andererseits das Blatt-/Fruchtverhältnis. Auch der Anschnitt von Bogen und kurzem Strecker hat sich in dieser Hinsicht in der Vergangenheit als vorteilhaft erwiesen.
Bei jüngeren, besonders ertragreichen Beständen, hat sich der Anschnitt lediglich eines längeren Bogens und die Formierung als Schrägbogen - siehe Abbildung 1 - bei Riesling, den Burgunderarten, aber auch dem Lemberger, als günstig erwiesen. Unter dem Gesichtspunkt der Mengenbegrenzung wurden auch Kerner und Müller-Thurgau auf einen Bogen geschnitten, was sich auch hier naturgemäß als besonders qualitätsfördernd ausgewirkt hat. Auch der Silvaner erbringt in der Regel mit einem Bogen ausreichend hohe Erträge. So lag z. B. der Ertrag im Jahr 2002 beim Silvaner in Weinsberg bei einem Anschnitt von lediglich 4,5 Augen/m² bei immerhin 114 kg/a.
Abbildung 1: Der Schrägbogen hat sich sowohl in pflanzenbaulicher als auch arbeitswirtschaftlicher Hinsicht bewährt. |
Zu kurzer Anschnitt in vitalen Beständen birgt, wie uns das Jahr 2002 wiederum eindeutig gezeigt hat, die Gefahr zu starken Wuchses, großer Beeren mit ungünstigem Verhältnis Schale zu Fruchtfleisch, kompakter Trauben und erhöhter Botrytisgefahr in sich. Probleme, die sich im laufenden Jahr aus zu kurzem Anschnitt ergeben, können praktisch nicht mehr korrigiert werden und sind deshalb mindestens ebenso nachteilig wie Überbelastung. Dies bedeutet, dass sich der Anschnitt insbesondere auch an der Wuchsentwicklung der Anlage oder auch des Einzelstockes orientieren muss und zunächst geeignete Maßnahmen bei Bodenpflege und Düngung ergriffen werden müssen, um ein harmonisches Wachstum und damit einen mittleres Fruchtbarkeitspotenzial herbeizuführen.
Die vielfach zu geringe Ertragsbelastung bezogen auf die Wuchskraft durch langjährige wiederholte, starke Ertragsreduzierung führt, wie die vergangenen 3 Jahre gezeigt haben, zu übermäßig großen Beeren und kompakten Trauben mit all ihren qualitativen Nachteilen. Demnach kommt der Bestandsführung über ein angepasstes Bodenpflegemanagement zur Vitalitäts- und Ertragssteuerung nahezu gleiche Bedeutung wie der Anschnittlänge zu . Ziel muss es sein, eine sortenspezifisch mittlere Holzleistung bei günstiger Laubwandstruktur zu erhalten. Der alte Grundsatz eines wuchsangepassten Anschnittes unterstützt dieses Ziel einer harmonischen Rebentwicklung. Kurzem Anschnitt muss demnach erst eine Wuchsminderung vorausgehen und nicht umgekehrt. Für die Praxis gilt es, permanent über alle weinbaulichen Maßnahmen diese Harmonie anzustreben.
Zu schwach wachsende Bestände oder einzelne Stöcke dürfen naturgemäß nicht überlastet werden, denn unter solchen Bedingungen kommt es zu extrem schlechtem Blatt-/Fruchtverhältnis und ausgeprägter Menge-/Gütebeziehung, d. h. Qualitätsabfall.
Bei jungen Anlagen besteht aufgrund ihrer hohen Fruchtbarkeit eine besonders hohe Gefahr der Überlastung mit nachhaltig negativen Folgen für den Rebstock selbst. Hier empfiehlt sich deshalb besondere Zurückhaltung beim Anschnitt.
Wird lediglich eine Rute je Stock angeschnitten, so empfiehlt es sich - zumindest bei wüchsigen Anlagen und/oder bruchgefährdeten Sorten - eine Ersatzrute stehen zu lassen. Dies trägt auf Dauer erheblich zur Ausgeglichenheit der Stöcke und damit letztlich besserer Weinqualität bei.
Auszählung sinnvoll?
Um der Gefahr einer zu hohen Augenzahl vorzubeugen, empfiehlt es sich, bei verschiedenen Sorten - jungen wie alten Anlagen mit meist abweichenden Wuchsstärken - eine gewisse Anzahl von Stöcken genau auszuzählen und anschließend entsprechend vorzugehen. Dadurch besteht weniger die Gefahr der Überlastung von schwach wüchsigen Anlagen bzw. einzelnen Stöcken mit ihren geringeren Internodienabständen. Gerade hier sollte ein sachgerechter Anschnitt – kontrolliert durch Auszählung – zu einer physiologischen Ausgeglichenheit der Reben beitragen. Dies fördert auch die Ausgeglichenheit bezüglich Reife- und Gesundheitszustand und ermöglicht eher, einen optimalen Lesetermin für alle Stöcke einer Anlage festzulegen.
Aus Tabelle 1 gehen die allgemeinen Anschnittempfehlungen mit dem Produktionsziel Normalerträge bei guter Qualität hervor. Für Premiumqualitäten bietet es sich an, ältere Anlagen mit geringerer Wuchsstärke in überdurchschnittlichen Lagen eher etwas kürzer anzuschneiden. Eine Korrektur über Traubenausdünnung zum richtigen Termin sowie möglichst später Lese in Verbindung mit zeitiger konsequenter Auslichtung der Traubenzone trägt dazu bei, die gewünschte Premiumqualität zu erzielen.
Tabelle 1: Anschnittempfehlung |
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Rebsorte |
Augen |
||
Augen/m² |
bei 2 Ruten |
bei 1 Rute |
|
1. Riesling-Gruppe |
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* |
** |
Riesling |
6 – 7 |
7 - 9 |
12 - 13 |
Traminer |
6 – 8 |
7 - 10 |
12 - 13 |
2. Müller-Thurgau-Gruppe |
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Müller-Thurgau |
4 – 6 |
5 – 7 |
10 - 11 |
Kerner |
4 – 6 |
5 – 7 |
10 - 11 |
Spätburgunder/Ruländer/Samtrot |
5 – 7 |
6 – 9 |
11 - 12 |
Schwarzriesling |
5 – 7 |
6 – 9 |
11 - 12 |
Lemberger |
6 – 7 |
7 – 9 |
12 |
3. Silvaner-Gruppe |
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|
Silvaner |
4 – 6 |
5 – 7 |
10 |
Portugieser |
5 – 6 |
6 – 7 |
10 |
Trollinger |
5 – 7 |
6 – 9 |
11 |
Dornfelder |
4 - 6 |
5 – 7 |
10 |
1 = weniger fruchtbare Sorten Auf tiefgründigen, besonders fruchtbaren Standorten in Verbindung mit reichtragenden Klonen, kann die jeweils niedrigere Zahl noch zu hoch sein. * = bei einem Standraum von 2,5 m²/Stock (z. B. 2,0 x 1,25 m bzw. 1,6 m x 1,6 m) |
Für die neuen Weinsberger Rotweinsorten Acolon, Cabernet Cubin, Cabernet Dorio, Cabernet Dorsa, Cabernet Mitos und Palas werden wegen ihrer guten Fruchtbarkeit Anschnittlängen von 4 - 5 Aug./m² empfohlen.
Zapfenschnitt zur Ertragsbegrenzung sinnvoll ?
Unter dem Aspekt der Arbeitszeiteinsparung wurde dies schon mehrfach beschrieben.
- Fox et al (1) -. Interessant war bei diesen Untersuchungen auch der sortenspezifisch unterschiedliche Einfluss auf die Erträge. So waren bei Riesling in Verbindung mit Zapfenschnitt etwa gleiche Erträge zu erzielen wie bei Bogenschnitt. Der Trollinger, Kerner, Silvaner und auch Müller-Thurgau fallen dagegen im Ertrag deutlich ab, wenn auf Zapfen angeschnitten wird. Die Sorte Lemberger nimmt eine Mittelstellung ein. Bei den Burgunderarten treiben verstärkt auch die Astringaugen aus, wodurch die geringere Fruchtbarkeit der Einzeltriebe durch die höhere Gesamttriebzahl vielfach mehr als wett gemacht wird und ein hoher Leseaufwand bei vielen kleinen Trauben entsteht.
Wenn auch die Fruchtbarkeit auf Zapfen von Jahr zu Jahr stärker schwankt als bei Bögen, so kann es doch zur Produktion hochwertiger Weine interessant sein, einzelne Flächen bzw. geeignete Sorten gezielt auf Zapfen anzuschneiden. Frühzeitiges, gezieltes Ausbrechen auf etwa 10 - 12 Triebe/laufende Meter Laubwand bei 2 m Gassenbreite begrenzt von Anfang an den Ertrag und sichert eine gute Laubwandstruktur. Diese Vorgehensweise kann ein Beitrag zur Minderung des hohen Arbeitsaufwandes bei der Ertragsregulierung im August darstellen und bedeutet gleichzeitig eine gewisse Risikostreuung.
In einem Versuch im Jahr 2002 mit Anschnitt kurzer Zapfen sowie Triebkorrektur kurz nach Austrieb bei Lemberger wurden 110,0 kg/a mit 89 °Oe bei Zapfenschnitt zu 172,5 kg/a und 84 °Oe bei Bögen erzielt. Bemerkenswert ist dabei noch der wesentlich geringere Stiellähmebefall bei Zapfenschnitt im Vergleich zu Bogenschnitt. Dies ist auf die kleineren, kompakteren Trauben mit kürzerem, dickerem Stielgerüst zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund scheint es für die Praxis durchaus sinnvoll zu sein, Teilflächen auf Zapfen zu schneiden, um von vornherein den Ertrag zu begrenzen sowie arbeitswirtschaftlich im August „Luft zu verschaffen".
Fazit
Gerade der Rebschnitt stellt eine erste wichtige Weichenstellung für Ertrag und Qualität des Folgejahres dar. Verhaltener, wuchsangepasster Anschnitt fördert die Ausgeglichenheit der vegetativen und generativen Entwicklung. Extreme sollten vermieden werden. Der Schnittholzanfall gibt bereits wertvolle Hinweise über eventuell sinnvolle Änderungen von Bodenpflegeintensität und N-Düngungshöhe, um das Ziel harmonischen Wachstums bei mittleren Erträgen zu erreichen.
Durch Erfolge, Niederlagen, Erfahrungen, Hingabe und Liebe reift der Mensch. Lassen Sie die nötige Hingabe walten, um als Dank der Natur gute, reife Trauben zu erhalten.
Literatur
Fox, R. et al(1996): Ergebnisse aus Versuchen zum maschinellen Rebschnitt
Rebe und Wein, 49 , 53 - 59