Die Krümelfrüchtigkeit an Himbeeren in Baden-Württemberg - was ist die Ursache ?
Muster, G. (LVWO Weinsberg);
Schröder, M.; Rissler, D. (LfP Stuttgart)
E-Mail: gundhild.muster@lvwo.bwl.de
In Baden-Württemberg ist Krümelfrüchtigkeit an Himbeere in den letzten 15 Jahren vermehrt in Erscheinung getreten. Betroffen waren sowohl viele Praxisbetriebe als auch Bestände im Versuchsgut Heuchlingen der Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO). An der LVWO und der Landesanstalt für Pflanzenschutz in Stuttgart wurden Untersuchungen mit dem Ziel durchgeführt, die Schadursache einzugrenzen.
Typisches Merkmal der aufgetretenen Krümelfrüchtigkeit (Abb. 1 + 2) ist der unzureichende Zusammenhalt der Steinfrüchtchen zur Sammelsteinfrucht. Dies führt beim Lösen vom Zapfen bei der Ernte zum Zerkrümeln der Himbeerfrucht. Dieser zu geringe Zusammenhalt entsteht u. a. durch eine geringere Anzahl Steinfrüchtchen im Vergleich zu normalen Früchten. Krümelfrüchte sind deshalb kleiner als normal entwickelte Früchte. Meist sind die Steinfrüchtchen "blasig" verdickt.
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Abbildung 1: Normal entwickelte Früchte (rechts) sind größer und weisen im Gegensatz zu "krümeligen" Früchten (links) eine gleichmäßige Struktur auf. |
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Abbildung 2: Krümelfrüchte haben eine geringere Anzahl Steinfrüchtchen, die oft verdickt sind. |
Tabelle 1 zeigt die Gewichte von krümeligen und "normalen" Früchten.
Tabelle 1: Fruchtgrößenvergleich von krümeligen und normal entwickelten Himbeerfrüchten
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Fruchtgröße "krümelig" |
Fruchtgröße "normal" |
Schönemann |
290 |
380 |
Meeker |
220 |
290 |
Korbfüller |
124 |
229 |
Krümelfrüchtigkeit kann sowohl nach einem Befall mit
verschiedenen Viren (vor allem dem Himbeerzwergbuschvirus) als auch nach genetischen Störungen auftreten. Möglicherweise kommen
auch Anormalitäten bei der Befruchtung in Frage. Außerdem können Umwelt- bzw. Anbaufaktoren das Auftreten der
Krümelfrüchtigkeit beeinflussen.
Eine Untersuchung der krümelfrüchtigen Pflanzen auf Virusbefall war zunächst naheliegend, zumal die heutigen Methoden einen schnellen Nachweis auf viele Viruskrankheiten erlauben. Zu Beginn der 90er Jahre wurde vereinzelt ein Befall mit dem Himbeerzwergbuschvirus gefunden, später jedoch nicht mehr, obwohl die Symptome weiterhin auftraten. Damit wurde klar, daß dieses Virus offensichtlich nicht die eigentliche Hauptursache der beobachteten Krümelfrüchtigkeit sein konnte. Nach diesen Erfahrungen wurde die Suche nach der möglichen Ursache weiter ausgedehnt, sowohl auf weitere Viren, Phytoplasmen, Pilze und Bakterien als auch auf bestimmte Anbaufaktoren wie die Vermehrungsart der Himbeeren und das Bestandesklima.
Gibt es einen Schaderreger ?
Nachdem Pilze oder Bakterien nicht als Ursache der Krümelfrüchtigkeit gefunden werden konnten, konzentrierte sich die Suche allgemein auf ein noch unbekanntes Virus oder einen virusähnlichen Schaderreger. Um eine Antwort auf die Frage zu finden, ob ein solcher Erreger in den kranken Pflanzen überhaupt vorhanden ist, führt man am besten einen Pfropfversuch durch. Alle bekannten Vertreter dieser Erregergruppen bei Obstpflanzen lassen sich auf diese Weise übertragen. Mit einer speziellen Methode (Anplattung) wurden dazu krümelfrüchtige Himbeerpflanzen mit gesunden Himbeertestpflanzen für wenige Monate zum Verwachsen gebracht. Dadurch kann ein vorhandener Erreger vom befallenen Pflanzenteil aus in die gesunde Testpflanze einwandern, an welcher sich dann nach einer bestimmten Zeit ebenfalls Symptome zeigen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Übertragung ist natürlich, daß die Testpflanze anfällig für den betreffenden Schaderreger bzw. die Krankheit ist.
Entsprechende Versuche wurden mit krümelfrüchtigen Pflanzen der Sorten ‘Glen Moy’, ‘Himbostar’ und ‘Malling Promise’ sowie der Sorte ‘Schönemann’ als gesunde Testpflanze durchgeführt. Gleichzeitig wurde mit ‘Schönemann’ eine unabhängige Gesundkontrolle angelegt. Zum Vergleich wurden an einem anderen Standort ‘Schönemann’-Pflanzen aufgepflanzt, die mit dem Himbeerzwergbuschvirus als einer bekannten Ursache von Krümelfrüchtigkeit künstlich infiziert worden waren.
In zwei Beobachtungsjahren zeigte sich nun, dass im 1. Jahr bei ‘Himbostar’ und ‘Malling Promise’ zwischen ca. 20 und 40% Krümelfrüchte auftraten, die als Pfropfpartner verwendeten Schönemann-Pflanzen bis auf vereinzelte Krümelfrüchte aber gesund blieben. Im 2. Jahr zeigte ‘Himbostar’ wiederum eine stärkere Krümelfrüchtigkeit, ‘Malling Promise’ im Gegensatz zum Vorjahr dagegen kaum. Die ‘Schönemann’-Testpflanzen blieben auch diesmal bis auf vereinzelte Krümelfrüchte gesund. ‘Glen Moy’, die vor Versuchsbeginn ebenfalls viele Krümelfrüchte aufwies, war während des gesamten Versuches dagegen kaum von Krümelfrüchtigkeit betroffen, ebenso wie die dazugehörige ‘Schönemann’. Das vereinzelte Auftreten von Krümelfrüchten bei den ‘Schönemann’-Testpflanzen, welches übrigens auch in der gesunden Kontrollpflanzung zu beobachten war, scheint somit nicht auf irgendeinen Schaderreger zurückzugehen, sondern muß von anderen Faktoren verursacht werden. Auch das wechselhafte Verhalten von ‘Malling Promise’ und ‘Glen Moy’ mit einer stärkeren und dann wieder nahezu fehlenden Krümelfrüchtigkeit spricht eher gegen als für ein mögliches Virus oder einem virusähnlichen Schaderreger als Auslöser. Im Gegensatz dazu zeigten die mit dem Himbeerzwergbuschvirus künstlich infizierten ‘Schönemann’-Pflanzen schnell einen 100%igen Befall mit Krümelfrüchtigkeit, der sich auch im Folgejahr wiederholte.
Welchen Einfluss hat die Vermehrungsart?
Die Tabelle 2 zeigt die untersuchten Versuchsfragestellungen. Die genannten Versuchsansätze 1 und 2 greifen die verbreitete Meinung auf, dass die Meristemvermehrung sich negativ auf die Himbeerpflanze und die Fruchtqualität auswirkt. Die Versuchsfragen 3 und 4 gehen von der Hypothese aus, dass die Himbeere ursprünglich eine Pflanze des lichten Waldrandes ist. Sie bevorzugt einen warmen, hellen, windgeschützten Standraum und wurzelt dort in humosem Boden mit ausgeglichener Wasser- und Temperaturführung. Im Gegenzug bedeutet dies, dass zu hohe Temperaturen und Trockenheit ebenso wie Nässe (besonders Staunässe) nachteilig sind. In den Versuchen wurde eine Variation dieser Standortfaktoren einerseits durch die Folienüberdachung, andererseits durch die temperierenden Besprühungsverfahren (Tropfer, Sprühdüsen im bzw. oberhalb des Bestandes) erreicht.
Tabelle 2: Versuchsfragestellungen
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Hat die Vermehrungsart einen Einfluß auf die
Krümelfrüchtigkeit? |
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Hat bei der in-vitro Vermehrung von Himbeeren die Zusammensetzung des
Kulturmediums einen Einfluß auf das Auftreten der Krümelfrüchtigkeit? |
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Wie wirkt sich das Bestandesklima einer Himbeeranlage auf das
Auftreten der Krümelfrüchtigkeit aus? |
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Hat die Folienüberdachung einen Einfluß auf das Auftreten
der Krümelfrüchtigkeit? |
Die exakten Versuchsbonituren haben zunächst gezeigt, dass es Krümelfrüchte gibt, die vereinzelt ohne spezifische Position über die gesamte Rute verteilt sind. Zum anderen gibt es Ruten, die ausschließlich Krümelfrüchte produzieren. Beide Formen wurden in allen Versuchen unabhängig von der Versuchsanstellung gefunden. 1998 bildeten von 20 untersuchten Ruten pro Versuch 1 bis 4 Ruten ausschließlich Krümelfrüchte.
Bei den Sorten 'Schönemann' und 'Meeker' lag der Anteil Krümelfrüchte 1998 zwischen 2 % und 20 %, bei 'Korbfüller zwischen rund 20 und 30 %. Eine statistische Absicherung zwischen den Varianten war in keinem Versuch möglich wegen der großen Streuung innerhalb der Variante. Diese Streuung ist u. a. auch auf das Auftreten der "Krümelruten" zurückzuführen, die den Anteil Krümelfrüchte in einer Versuchsparzelle drastisch erhöhten.
Die Ergebnisse zu den Versuchsfragen 1 und 2 bei der Meristemvermehrung zeigen keinen Zusammenhang zur Krümelfrüchtigkeit im Beobachtungszeitraum. Es kann gefolgert werden, dass in diesen Versuchsbeständen Krümelfrüchtigkeit nicht durch Meristemvermehrung ausgelöst wurde. Die unspezifische Verteilung von Krümelfrüchten an einer Rute ist eher auf physiologische Störungen zurückzuführen. Es wird zur Zeit geprüft, ob die "Krümelruten" auf eine somatische Mutation zurückgeführt werden können.
Sind Temperatur oder Wasserhaushalt Auslöser?
Bei den Versuchsanstellungen 3 und 4 soll das Bestandesklima beeinflußt werden. Abb. 3 zeigt, dass die Lufttemperatur im Bestand zeitweise um 8 – 10 °C niedriger ist als die Temperatur der Laubwand und zwar sowohl mit als auch ohne Überdachung. Das Bestandesklima "mit Dach" ist allerdings nur um 0,5 -–1,0 °C höher als "ohne Dach".
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Abbildung 3: Tagesgang der Temperatur im Bestand ohne klimatisierende Bewässerung (Südost- , bzw. Nordwestseite = Temperaturen der Laubwandoberfläche) |
Dagegen sinken die Temperaturen der Laubwand aufgrund der klimatisierenden Bewässerung gegenüber der Lufttemperatur im Bestand deutlich ab (Abb. 4). Am stärksten wird die Temperatur im Bestand durch eine Besprühung von oberhalb der Pflanzen abgesenkt. Effekte werden jedoch sowohl mit der Besprühung im unteren Laubwanddrittel wie auch mit dem Tropferstrang erzielt. An heißen Sommertagen während der Blüte bzw. Knospendifferenzierung und –entwicklung ist eine Temperaturabsenkung möglich und sinnvoll. Der Beobachtungszeitraum ist bislang zu kurz, um den Einfluß während der Knospendifferenzierung nachhaltig beurteilen zu können. Bislang konnte kein signifikanter Einfluss hoher Temperatur oder Trockenheit auf das Ausbilden von Krümelfrüchten festgestellt werden. Jedoch hat der Wasserhaushalt eine große Bedeutung für die Entwicklung des Bestandes und der Frucht. Die Untersuchungen werden fortgesetzt.
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Abbildung 4: Tagesgang der Temperatur im Bestand mit klimatisierender Bewässerung |
Schlußfolgerungen
Die Suche nach der Ursache der Krümelfrüchtigkeit, wie sie in Baden-Württemberg in den letzten Jahren aufgetreten ist, gestaltet sich unerwartet schwierig. Die Tatsache, dass bislang kein Schaderreger für diese Form der Krümelfrüchtigkeit gefunden wurde, verhindert leider auch eine schnelle, zielgerichtete Bekämpfung. Auch die Meristemvermehrung ist nicht der Auslöser für die Krümelfrüchtigkeit . Weder die gesteigerte Cytokininkonzentration im Nährmedium (Tab. 2, 2.) noch die Entnahmestelle des Explantates für die in-vitro-Vermehrung (Tab. 2, 1.) zeigten einen Zusammenhang zum Auftreten der Krümelfrüchte im Beobachtungszeitraum. Da Krümelfrüchte und Krümelruten auftreten, ist eine Beobachtung der Mutterpflanze nicht nur hinsichtlich vegetativer Merkmale sondern auch hinsichtlich der Fruchtmerkmale vor der Vermehrung zu empfehlen. Dies gilt für die konventionelle und die in-vitro-Vermehrung. Bei Virusfreiheit des Pflanzmaterials ist eine gute Ertragsleistung unabhängig von der Vermehrungsart möglich.
Um die Auswirkungen eines veränderten
Bestandesklimas hinsichtlich der Krümelfrüchtigkeit beurteilen zu können, ist der Beobachtungszeitraum zu kurz. Die
Beobachtungen werden fortgeführt. Möglicherweise ist die Ursache ein Komplex mehrerer Anbau- und Umweltfaktoren, von denen dem
Wasserhaushalt eine besondere Bedeutung zukommt.
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