Ohne Mostvorklärung keine Weinqualität
Edgar R. Funk
LVWO Weinsberg
Grundsätzlich Trubbildung vermeiden
Die Grundlage für
reintönige, aromakräftige und ausdrucksstarke Weine wird bereits mit der Mostvorklärung gelegt. Schon beim Traubentransport,
Traubenverarbeitung und Mostabtrennung sind jedoch alle technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Bildung von Trubstoffen
und kolloidaler Partikel zu vermeiden bzw. auf einen geringen Grad zu reduzieren zur Förderung der Mostklärleistung und
Standzeitverkürzung. Lesetechnik, schonender Traubentransport, geringe mechanische Belastung, Traubenverarbeitungslinien unter
Ausnutzung der Gravitation, schonendes Einmaischen der Traubenbeeren, langsamlaufende pulsationsarme Excenterschneckenpumpen,
großdimensionierte Schneckenförderer mit geringer Drehzahl, kurze Transportwege und schonende Pressprogramme leisten dazu einen
maßgeblichen Beitrag.
Separator zur Mostklärung
Unterschiedliche Trub- und Kolloidstruktur
Je nach Art und Zustand des Lesegutes und der mechanischen Belastung bei den weiteren Verarbeitungsschritten
enthält der gewonnene Most eine quantitativ und qualitativ sehr unterschiedliche Trub-
und Kolloidstruktur welche sich differenziert auf das Mostklärverfahren und die
späteren Filtrationsprozesse auswirken. Während die Abtrennung partikulärer Trubstoffe mit abgegrenzter Oberfläche wie z. B. Traubenfragmente, Zellgewebe, Traubenmark, Erdreste, Staub, Bakterien, Hefen und
Kristalle normalerweise unproblematisch ist, können sich in Gegenwart von Teilchen kolloidaler Natur („Feintrub“)
erhebliche trenntechnische Probleme bei der Mostklärung und den späteren Filtrationsprozessen einstellen. Die geringe
Dichtedifferenz der Kolloide zum Most verlangsamt erheblich die Sedimentationsgeschwindigkeit. Es können Klärschwierigkeiten
(ungenügende Fluxraten) und unzureichende Schönungswirkungen auftreten sowie Kristallisationsvorgänge
(Weinsteinstabilität) verschleppt werden. Auch unvorhersehbare Nachtrübungen auf der Flasche können ausgelöst werden.
Kolloide (Leim) sind hochmolekulare Teilchen in einer Größenordnung von 1-100 nm. Stofflich sind die kolloidalen Substanzen in Polysaccharide, Polypeptide (Eiweiße) und kondensierte polyphenolische Verbindungen einzuteilen. Derartige kolloidale
Lösungen sind sehr instabil. Schon geringe Veränderungen der Lösungsparameter wie zum Beispiel eine Verschiebung des
pH-Wertes, Konzentrations- und Temperaturveränderungen können den Zustand kolloidaler Lösungen verändern und
unerwünschte Trübungssuspensionen verursachen, die durch Schönung und Filtration korrigiert werden müssen. Jeder
zusätzlich erforderliche Filtrationseingriff in der späteren Weinausbauphase entzieht dem Wein einen Teil seiner nativen
sensorischen Qualität, wertvolle Aromastoffe gehen verloren, bei den Weißweinen wird das natürlich eingebundene Kohlendioxid
vermindert mit dem Verlust an Frische, Spritzigkeit und Finesse.
Mostklärung reduziert unerwünschte Mikroorganismen
Mit der
Mostklärung wird auch die Population der sogenannten wilden Hefen und die
unerwünschte Bakterienflora erheblich vermindert. Mikroorganismen besiedeln und vermehren sich an Trubstoffen, betreiben einen
intensiven Stoffwechsel im sauerstoffgesättigten Most und geben ihre unerwünschten Stoffwechselprodukte ab. Ein Anstieg der
flüchtigen Säure, die Bildung von Essigsäureestern, unerwünschte Schwefelverbindungen und andere Fehltöne sind die
unmittelbaren belastende Folgen. Auch die Schwefelbilanz wird nachteilig beeinflusst durch erhöhte Bildung von Bindungspartnern
(Ketosäuren, Carbonylverbindungen) der schweflige Säure.
Wie scharf soll die Mostklärung sein?
Auf welche Art und Weise der Most geklärt wird spielt eher eine untergeordnete Rolle. Wichtig bei
der Mostklärung ist der Klärgrad. Umfassende Untersuchungen haben immer wieder
bestätigt, dass unter Standardbedingungen (gesundes, reifes Lesegut, schnelle schonende Verarbeitung) vor Eintritt der alkoholischen
Gärung ein Restrubgehalt von 0,6 Gewichtsprozent (Gew% ) oder 100 NTU (nephelometric tubidy units), messbar mit einem
Trübungsphotometer, nicht überschritten werden soll. Eine zu scharfe
Vorklärung entzieht den Hefen wichtige Nährstoffe sowie die erforderliche "Innere
Oberfläche" und ist oft mit einer der Hauptgründe, dass Gärschwierigkeiten auftreten, ein nichtangestrebter Restzuckgehalt verbleibt, welcher eine Vielzahl von Problemen nach sich zieht. Eine andere
Situation stellt sich bei hagelgeschädigtem, massiv pilzinfiziertem Lesegut mit Fäulnisanteilen dar. Eine unverzügliche sorgfältige scharfe Mostvorklärung ist in solchen Fällen
unumgänglich. Es ist zweckmäßig zur Vergärung eine künstliche
Oberfläche durch den Zusatz von 20-40 g/hl Cellulose, Kieselgur, Perlite oder Bentonit wieder herzustellen. Die Hefen sind bereits beim Hefeansatz und während der alkoholischen Gärung durch optimierte
Nährstoffgaben und angemessene Temperaturführung zu unterstützen.
Kieslgurfilter mit horizontal eingebauten Klärelementen zur Mostklärung
Die Maische mit einer großdimensionierten Schnecke fördern
Keine Hefelagerung ohne Mostklärung
Weinlagerung auf Voll- oder
Feinhefe nach Gärungssabschluss hat sehr vielfältige oenologische Vorteile. So werden während der postfermentativen
Autolysephase der Hefezellen wertvolle Bestandteile (Polysaccharide, Aminosäuren, Eiweiße, Mannoproteine und Fettsäuren)
freigesetzt und dem Wein zugeführt. Die Mündfülle und Körper des Weines
werden dabei positiv beeinflusst. Darüber hinaus absorbieren Hefen Schwermetallionen wie zum Beispiel Kupfer. Nach Behandlung eines
böcksernden Jungweins mit Kupfersulfat wird ein Teil des eingebrachten Kupfers durch die verbliebene Feinhefe entfernt. Hefen haben
eine entgerbende Wirkung durch Bindung von Tanninen aus der Traube oder dem Eichenholz. Auch eine gewisse Minimierung der
Schwefelbindungspartner ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung zur Einsparung von schwefliger Säure. Die reduktive Wirkung
der Hefe schützt den Wein gegen die negativen Folgen einer zu starken Oxidation. Allerdings muss die Hefe als homogene Suspension
durch leichtes Umrühren in Schwebe gehalten werden, sonst ist sie in dieser Hinsicht ohne Wirkung. Die gezielte oenologische Nutzung
des Hefelagers setzt eine konsequente Mostklärung voraus, welche ein sauberes Hefesediment sichert. Im Idealfall besteht das Hefedepot nahezu ausschliesslich aus Hefezellen. In das Hefedepot
eingeschlossene organische Trubpartikel fördern die Böckserbildung, unterliegen sehr schnellen anaeroben Zersetzungsprozessen mit
der Abgabe entsprechender Fäulnisgase, welche das Aromenprofil maskierend belasten oder als inakzeptables Leitaroma den Wein
verderben.
Mostklärverfahren
Heute stehen der Praxis eine
Reihe verschiedener Verfahren zur Mostvorklärung zur Verfügung, welche zur einer effektiven Mostklärung bei definiertem Klärgrad zum
Einsatz kommen können. Die Mostvorklärung oder Mostentschleimung kann erfolgen durch einfaches sich Absetzenlassen der
Trubpartikel durch die Kraft des Erdbeschleunigungsfeldes, mit dem neuentwickelten Flotationsverfahren, der Kieselgurfiltration, der
Separation oder Cross-flow-Filtration.
Sedimentation - ein qualitätsförderndes Mostklärverfahren
Ein sehr schonendes und qualitätsförderndes Mostklärverfahren ist die natürliche Sedimentation. Mit diesem Verfahren können Klärgrade erzielt werden, die durchaus mit denen der Flotation oder anderen Mostklärverfahren vergleichbar sind. Der frisch gepresste, grobgesiebte Most wird bei kühler Temperatur (16° C) in einen Edelstahltank eingelagert. Je nach Trubbelastung ist eine Standzeit von 12 bis 18 Stunden einzuplanen. Zur Beschleunigung der Sinkgeschwindigkeit von Feintrubstoffen ist eine Klärschönung in Kombination von Gelatine/Kieselsol anzuwenden. Eine Behandlung nur mit Gelatine allein führt in der Regel nicht zu ausreichenden Ausflockungsvorgängen und hat nur geringen Einfluss auf die Verdichtung des Trubdepots. Die effektivste Schönungskombination ist in einem Vorversuch individuell für jede Mostcharge mit Standzylindern zu ermitteln. Klärgelatine flüssig (20%,10 ml/hl) und Kieselsol (30%, 5 ml/hl) könnte beispielsweise eine geeignete Kombination sein. Eine sehr wirkungsvolle Unterstützung der Klärleistung wird durch eine Enzymierung mit entsprechenden Mostklärenzymen (Pektinasen) erzielt. Bei niedrigen Temperaturen ist eine erhöhte Enzymdosage erforderlich. Eine SO2-Gabe von 30 - 50 mg/L unterstützt den Vorklärprozess und verlängert die Vorklärzeit. Nach Erreichen des Klärgrades wird der Überstand vom Sediment getrennt. Sollte der Mostüberstand zu blank sein, kann vorsichtig etwas aufgelagerter Feintrub mit abgezogen werden. Das verbleibende Sediment kann je nach Qualität und Mostanteil mit einem Hefepress- oder Kieselgurfilter aufgearbeitet werden.
Vorversuch zur Ermittlung der effektivsten Mostklärschönung mit unterschiedlichen Resultaten
Flotation: geringer Investitionsaufwand
Das Flotationsverfahren (engl. to float, aufschwimmen) ist eine Klärtechnik, die sich in der Praxis bewährt hat. Mit einem relativ geringen Investitionsaufwand steht dem Betrieb ein schlagkräftiges leistungsfähiges Klärsystem zur Verfügung. Die Flotation ist ein physikalisches Verfahren, bei dem Trubpartikel mit Hilfe von Gasbläschen an die Flüssigkeitsoberfläche aufschwimmen. Der Most wird mit einem Flotationsgas bei einem Druck von max. 6 bar imprägniert, dabei ist es wichtig, dass die Bläschen möglichst klein sind. Je kleiner die Gasbläschen, desto effektiver ist die Auftriebskraft. Der mit Gas (Luft, oder Stickstoff) übersättigte Most wird beim Verlassen der Flotationsanlage entspannt, die dabei frei werdenden Bläschen lagern sich an die Trubpartikel und lassen diese zur Mostoberfläche aufschwimmen. Durch das ständige Nachströmen von Gasblasen bildet sich ein fester Trubkuchen, der zeitlich begrenzt stabil bleibt. Zum Einsatz kommen selbstansaugende leistungsfähige Kreisel- oder Excenterschneckenpumpen mit Zusatzeinrichtung.
Flotation gelingt nur bei guter Mostvorbereitung
Damit die Flotationsleistung mit hoher Effizienz erfolgen kann ist eine sachgerechte Mostvorbereitung erforderlich. Wichtig ist der Zusatz und die gleichmäßige Verteilung des Flotationenzyms, Wartezeit und Temperatur sind zu beachten. Bei einer erforderlichen Bentonitbehandlung ist eine Wartezeit von mindestens 2 Stunden einzuhalten. Bentonit adsorbiert die Enzyme (Eiweißstruktur) und lässt sie somit unwirksam werden. Zur Flockulation und Verfestigung des Trubkuchens ist eine hochbloomige Flotationsgelatine, je nach Fäulnisgrad von 50 - 200 g/1000 L einzusetzen. Eine gute Leistung ist mit pulverisierter Gelatine zu erzielen. Die Gelatine wird dazu in drei- bis fünffacher Wassermenge mit dem Schneebesen in einer Stütze eingerührt und zur Quellung gebracht. Die gut gequollene Gelatine wird mit Wasser (50°C - 60 °C) aufgelöst, umgestützt und dem Gebinde zugemischt.
Sind weitere Behandlungsmittel erforderlich, so können diese vorgelegt oder kontinuierlich zudosiert werden. Die Wartezeiten für den Klarabzug sind unterschiedlich (ca. 1-1,5 Std.), bei Temperaturen > 15°C ist die Wartezeit wegen der Gärgefahr zu verkürzen. Notfalls ist das Gebinde zu kühlen. Der Trubkuchen nimmt je nach Verdichtung einen Anteil von 6-10% ein. Eine Süßtrubaufarbeitung (Tuchfilter) kann im Einzelfall erforderlich sein. Wegen eingeschränkter Qualität kann eine separate Weiterverarbeitung sinnvoll sein.
Tuchfilter zur Klärung von Most und Süßtrub - Gesamtanlage (links) und Detailaufnahme (rechts)
Zusammenfassung
Warum Mostvorklärung?
Bei Unterlassung oder einer nicht sachgerechten durchgeführten Mostvorklärung ist mit folgenden Schwierigkeiten zu rechnen:
höherer Bedarf an schwefliger Säure durch Bildung unerwünschter Bindungspartner
schlechtere Filtrierbarkeit (Feinfiltration) des Weines durch Trubstabilisierung
stürmische Gärung mit Aromenverlusten, unerwünschten Nebenprodukten und entsprechend hohem Kühlaufwand
Förderung von Fäulnisprozessen im Hefedepot in Verbindung mit einer Böckserbildung
Frühzeitige Gäraktivität wilder Hefen und Äpfelsäureabbau
durch unerwünschte Milchsäurebakterien
Schimmel-, Muff- und Grautöne bei faulem Lesegut