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Rebschnitt in Junganlagen

 

R. Fox
LVWO Weinsberg

 

Eine gute Kinderstube ist auch im Weinbau eine wichtige Grundlage für die Zukunft. Gesunde, gerade Rebstämme sind Voraussetzung für Langlebigkeit, gute Leistung in Menge und Güte sowie rationelle Bewirtschaftung. Ein individueller Stockaufbau, sachgerechte Formierung, zeitgerechtes Ausbrechen ‑ auch von Doppeltrieben ‑ sowie elastische, dauerhafte Befestigung sind dabei wichtige Bausteine. Beim Schnitt von Junganlagen hat der Stockaufbau absoluten Vorrang vor dem Ertrag.

 

Schnitt der 1‑jährigen

 

Ziel der Jungfeldpflege im Pflanzjahr ist ausgereiftes Holz bis mindestens Stammhöhe, d. h. ca. 70 ‑ 80 cm. Ist dies erreicht, wird auf Stämmchen angeschnitten. Je nach Wuchsstärke können dem jungen Stock dann 3 ‑ 4 oder auch mehr Triebe belassen werden. Hierbei wird, ausgehend von der späteren gewünschten Kopfhöhe bzw. leicht darunter, die entsprechende Augenzahl abgezählt und dann abgeschnitten. Durch späteres Ausbrechen bis kurz unter den Anbindedraht ‑ ca. 20 cm Biegdrahtabstand vorausgesetzt ‑ ist die richtige Kopfhöhe als auch Belastung des jungen Stockes gewährleistet - siehe Abbildung 1 und 2. Sind die Triebe weniger als etwa 40 cm ausgereift, empfiehlt sich ein Rückschnitt auf etwa 2 Augen. Reicht die Trieblänge über 40 cm hinaus, jedoch nicht bis Stammhöhe, so sollte lediglich bis auf die ausgereifte Holzlänge eingekürzt werden.

 

      

Abbildung 1: Durch wuchsangepassten Anschnitt und späteres Ausbrechen bis kurz unter den Draht lässt sich eine optimale Triebzahl d.h., hamonisches Wachstum erzielen.

 

Abbildung 2: Stärker gewachsenen Stöcken werden bereits beim Anschnitt mehr Knospen/Triebe „zugewiesen“. „Ausbrechniveau“ generell kurz unter Anbindedraht


Im Pflanzjahr herangewachsene Triebe mit geringem Markanteil und vielen Nodien bzw. Diaphragmen (Holzsteg) sind nicht nur besonders frostfest, sondern auch im Hinblick auf die Widerstandsfähigkeit gegen holzzerstörende Pilze, wie Esca, aber auch Eutypa, als optimal zu erachten. Als günstiger Zeitraum ist bei 1-jährigen etwa Mitte März anzusehen. Bei Vorhandensein von Rebschutzrohren sollten diese spätestens gegen Mitte März entfernt werden, um zu frühen Austrieb durch den „Treibhauseffekt“ zu vermeiden.

 

Schnitt der 2‑Jährigen

 

Konnte im Vorjahr auf Stammhöhe angeschnitten werden, so ergibt der untere Trieb einen kurzen Zapfen und der folgende den Bogen ‑ siehe Abbildung 3.

 

Abbildung 3: Nachdem sich das junge Stämmchen noch leicht streckt ist ein
Zapfen kurz unter dem Anbindedraht sinnvoll für die spätere richtige Kopfhöhe

 

In diesem Stadium muss entsprechend der Wuchsstärke des Einzelstockes sehr individuell angeschnitten werden, um harmonische Wuchsverhältnisse an möglichst vielen Stöcken zu erzielen. Bei vorjährig zurückgeschnittenen Reben wird möglichst der jeweils unterste Trieb angeschnitten sowie wuchsangepasst auf einen kürzeren Bogen geschnitten.‑ siehe Abbildung 4.

 

 

Abbildung 4:Vorjährig zurückgeschnittene Stöcke werden auf
einen wuchsangepasst kürzeren Bogen angeschnitten

 

Hierdurch werden lediglich die absolut unvermeidbaren Wunden verursacht. Keinesfalls sollten am jungen Stämmchen mehrere Wunden durch Entfernung mehrerer tieferstehender Triebe verursacht werden ‑ Abbildung 5. Bereits durch sachgerechtes Ausbrechen und Aufbinden kann solchen Fehlern vorgebeugt werden. Trockene Stummel am Veredlungskopf sollten sauber entfernt werden, um holzzerstörenden Pilzen keine Eintrittspforten im besonders gefährdeten Boden‑/Luftbereich zu bieten.

 

Abbildung 5. Am jungen Stämmchen sollten Wunden durch Entfernung von Trieben unterhalb des
Zapfens möglichst vermieden werden. Hier ist notgedrungen auf den untersten Trieb anzuschneiden.

 

Nachdem Junganlagen im 3. Jahr besonders fruchtbar sind, darf nicht zu lange angeschnitten werden. Rutenlängen von 6 bis maximal 9 Augen reichen völlig aus.
Überlastete Stöcke leiden wegen ihres noch wenig verzweigten Wurzelwerkes selbst bei leichtem Trockenstress erheblich. Nicht nur die Qualität der Trauben ist dann mangelhaft, sondern noch mehr die gerade an jungen Reben wichtige Reservestoffeinlagerung in dem noch relativ „kleinen“ Altholzanteil. Überlastungen können jahrelange, gravierende Folgen für die Leistungsfähigkeit der Bestände, wie z. B. stockweises Auftreten von Schwächechlorose oder mehrjährig schwaches Wachstum, nach sich ziehen. Ebenso wie zu langer Anschnitt zu physiologischem Ungleichgewicht mit zu schwachem Wachstum führt, kann zu kurzer Anschnitt oder Bruch der Fruchtrute gerade an wüchsigen Stöcken zu umgekehrter Reaktion d.h., übermäßig mastigen Trieben mit negativen Auswirkungen für die Folgejahre führen. Zumindest bei bruchgefährdeten Sorten bietet es sich deshalb gerade beim Anschnitt von lediglich einer Fruchtrute an, eine Ersatzrute zu belassen - siehe Abbildung 6. Dies trägt von Anfang an erheblich zur Gleichmäßigkeit/physiologischer Ausgeglichenheit der Bestände bei und mindert Probleme mit Über- und Unterbelastungen gerade in jungen Anlagen.

Im Hinblick auf eine möglichst lange Lebensdauer (30 ‑ 35 Jahre) bietet sich eine gezielte Förderung der Kopfbildung durch den Anschnitt eines kurzen Zapfens ca. 15 ‑ 20 cm unter dem Überbiegedraht an. Sachgerechtes Biegen mit Saftstau an geeigneter Stelle sowie bewusstes Belassen von Wasserschossen zum späteren Anschnitt von Zapfen tragen ihrerseits zur Formerhaltung und einfachem Schnitt bei - siehe Abbildung 7.

 

       

Abbildung 6: Ideale Kopfhöhe mit kurzem Zapfen sowie einer Ersatzrute

 

Abbildung 7: Optimale Kopfhöhe mit kurzem Zapfen sowie Saftstau an Bogrebenbasis sichert Zielholzbildung und Formerhaltung

 

Fehler beim Stockaufbau führen vielfach zu bereits im 5. ‑ 8. Jahr zu größeren Sägewunden und damit Schwächung der Stöcke gerade bei jenen Sorten, die ein weniger gutes Regenerationsvermögen haben, wie z. B. Trollinger, Lemberger, aber auch Müller-Thurgau.

Gerade Stämmchen und richtige Kopfhöhe wichtig

Nachdem die zunehmende Mechanisierung gerade Stämme voraussetzt, ist bei der Aufzucht ‑ aber auch später ‑ der Formgebung der Stöcke hohe Bedeutung zu schenken ‑ siehe Abbildung 8. Wird bei einem Biegdrahtabstand von 20 cm der Kopf kurz über dem Anbindedraht angeordnet und durch eine „Bindung“ stabilisiert, so entsteht später beim Biegen recht kopfnah ein Saftstau, der wesentlich zur Förderung der Basistriebe und damit der Formerhaltung beiträgt. Der Anschnitt lediglich eines Bogens mindert eventuelle Verdichtungsprobleme im Stockinnern und sichert in Verbindung mit einem Zapfen in der Regel eine gute Zielholzbildung für das Folgejahr.

 

Abbildung 8: Stabile, elastische Stammbefestigung sichert dauerhaft gerade Stämme.

 

Wer dagegen einen zu kurzen Stamm anschneidet und damit einen langen, ansteigenden Bogen formiert ‑ Abbildung 9 und 10 ‑, hat nicht nur viele Triebe im Stockinnern auf engem Raum, sondern auch unzureichend ausgebildetes Zielholz gerade bei Sorten, die gerne „überbauen“. Ist dann kein geeigneter Zapfentrieb zum Anschnitt vorhanden, muss vielfach auf recht hochstehende Triebe angeschnitten werden, die später nicht selten schlecht biegbar sind.

 

       

Abbildung 9: Extremes Negativbeispiel. Kopf viel zu tief, lange ansteigender Ast sowie steil abfallender Bogenteil.

 

Abbildung 10: Stämmchen viel zu tief. Schräg hochgezogene Bogreben ohne stammnahen Saftstau ergeben kaum Zielholz an geeigneter Stelle.


 

Soll bei größeren Stockabständen auf Dauer mit 2 Bögen gearbeitet werden, so ist in der Regel erst ab dem 4. Jahr die volle Stockbelastung möglich. Gerade hier ist jedoch zunächst noch der Stockform durch gezieltes Belassen von Wasserschossen zum Anschnitt von Zapfen hohe Beachtung zu schenken. Durch wuchsangepassten, individuellen Anschnitt ist weiterhin auf ausgeglichenen Wuchs aller Stöcke hinzuarbeiten. Nachdem junge Anlagen meist recht ertragsfreudig sind, empfiehlt es sich eher etwas kürzer als zu lang anzuschneiden.

Sachgerechter Stockaufbau ist eine lohnende Investition und wichtige Grundlage für rationelle Bewirtschaftung, Langlebigkeit und Rentabilität.

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