Sonnenbrand ein einmaliges Sonderereignis?
R. Fox, LVWO Weinsberg
Die altbekannte Erfahrung, nach der bei später Entblätterung im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium gegen Anfang/Mitte August eine hohe Empfindlichkeit vorliegt und somit besonders starke Sonnenbrandschäden auftreten, hat im deutschen Weinbau dazu beigetragen, dass bis Ende der 90er Jahre nur wenig entblättert wurde. Erst vor dem Hintergrund der verstärkten Fäulnisproblematik der vergangenen Jahre wird in der Praxis zunehmend die Entblätterung der Traubenzone als vorbeugende Maßnahme eingesetzt. Dass die somit häufiger freihängenden Trauben stärker sonnenbrandgefährdet sind, steht außer Diskussion. Nachdem eine frühzeitige Entblätterung zu besserer Abhärtung und damit geringerer Empfindlichkeit gegenüber eventuellen Sonnenbrandschäden beiträgt, wird dies heute auch so empfohlen und mit Erfolg umgesetzt. Anders war dies im Jahr 2007.
Extreme Bedingungen führten zu gravierenden Schäden
Der kurzfristige Witterungsumschwung von strahlungsarm und kühl-feucht zu strahlungsreich und heiß-trocken verbunden mit extrem niedriger Luftfeuchte am 14./15. Juli mit einem Temperatursprung von ca. 20 °C, (Abbildung 1) führte zu Sonnenbrandschäden in bisher nicht gekanntem Ausmaß (Abbildung 2).
Abbildung 1: Temperatur- und Luftfeuchteverlauf vom 10. bis 17. 7. 2007 in Weinsberg
Abbildung 2: Extreme Sonnenbrandschäden bei Burgunder (Clevner)
Aufgrund der vorhergehenden kühl-feuchten, sonnenarmen Witterung waren selbst die durch Entblätterung frei hängenden Beeren nur sehr schwach abgehärtet und demzufolge hoch empfindlich, insbesondere auch gegen UV-Strahlung. So kam es weitgehend unabhängig, ob entblättert war oder nicht, an allen intensiv der Strahlung ausgesetzten Trauben - vorwiegend auf der Westseite der Rebzeilen - zu Beeren-, aber auch in erheblichem Umfang zu Stielschädigungen (Abbildung 3).
Abbildung 3: Starke Stielschäden auch am Traubengerüst bei Riesling
Bei Beerentemperaturen bis annähernd 60 °C kam es zu regelrechten 'Verkochungen' (Abbildung 4). Die extrem niedrige Luftfeuchte beziehungsweise das hohe Wasserdampfsättigungsdefizit (WSD) führte zu einem extremen Verdunstungssog. Je höher das WSD, desto größer ist der Wasserverlust.
Abbildung 4: "Verkochungs"-schäden 3 Tage nach dem Sonnenbrand
So beschreibt Schultz (1) folgendes Beispiel:
Am 14.7.2007 kam es bei einer Lufttemperatur von 30 °C, einer relativen Luftfeuchte von 40 % und einer Beerentemperatur von ca. 35 °C zu einem WSD von 3,9 kPa. Am 15.7.2007 ergibt sich bei einer Lufttemperatur von 35 °C, einer relativen Luftfeuchte von nur noch 16 %, sowie einer Beerentemperatur von 45 °C ein WSD von 8,7 kPa. Im letzteren Fall wäre der Verdunstungssog demnach auf mehr als das Doppelte erhöht. Dies erforderte von den belichteten Beerenhäuten hohe Transpirationsraten, die diese nicht ohne Schädigung leisten konnten, da die Spaltöffnungen aufgrund der fortgeschrittenen Entwicklung bereits ihre Funktionsfähigkeit verloren hatten und eine Regulierung über die Kutikula nur sehr geringfügig möglich war. Hinzu kommt - Schultz (1) -, dass die Wachsschicht der Kutikula bei höheren Temperaturen - bei Blättern je nach Pflanzenart bei 32 °C bis 39 °C - fast schlagartig ihre Struktur ändert und damit wesentlich durchlässiger für Wasserdampf wird. Die unter solchen Bedingungen extrem hohe Wasserverdunstung führte dort, wo der Wassernachschub im Leitungsgewebe buchstäblich abgerissen ist, letztlich zu Überhitzungen beziehungsweise regelrechten Verkochungen mit übermäßigem irreversiblen Wasserverlust und somit Totalschädigung ganzer Beeren (Abbildung 5). Wo die Wasserfäden nicht gerissen waren, kam es lediglich zu Teilschäden durch Überhitzung der besonders stark belichteten Beerenteile. (Abbildung 6).
Abbildung 5: Totalschädigung ganzer Beerenpartien ca. 2 Wochen
nach dem Schadensereignis beim Trollinger
Abbildung 6: Teilschädigungen bei der Sorte Muskateller
Nachdem auch in beträchtlichem Umfang an Schattentrauben Schädigungen zu beobachten waren, muss, unter den gegebenen extremen Bedingungen, den Faktoren Temperatur und Luftfeuchte eine hohe Bedeutung zugemessen werden.
Ursache dafür, dass die Blätter kaum geschädigt wurden, ist deren Fähigkeit über die intakten Spaltöffnungen erhöhte Transpirationsraten und damit auch eine gewisse Temperaturregelung zu betreiben. Darüber hinaus lässt die flächige Ausbreitung des Blattgewebes einen wesentlich besseren Temperatur-austausch zu als die schon relativ großen Beeren mit ihrer vergleichsweise kleinen Oberfläche.
Sorten- und Bewirtschaftungsunterschiede
Von diesen Schäden waren 2007 nahezu alle Sorten betroffen. Überraschend starke Schäden waren dabei nicht nur beim Riesling sowie dem Trollinger, sondern auch an den roten Burgunderarten zu verzeichnen. Hintergrund hierfür dürfte die relativ geringe Phenolbildungsfähigkeit auch der Burgundersorten sein. Der hohe Schädigungsgrad, selbst an lediglich teilgeschädigten Beeren, führte zu erheblich verzögerter Entwicklung und letztlich zu mangelnder Reife.
Dies war besonders dort gegeben, wo die Stiele geschädigt waren (Abbildung 7). In Flächen mit Nord-Süd-Zeilung und direkter, nahezu rechtwinkliger, Sonneneinstrahlung zur Zeile während der frühen Nachmittagsstunden waren die Schäden am größten und verursachten in Extremfällen Ertragsminderungen bis zu 30 %. Lediglich der Lemberger, aber auch die neue Sorte Cabernet Cubin, hatten aufgrund ihrer hohen Phenolbildungsfähigkeit absolut keine Sonnenbrandschäden. Nachdem den Phenolen eine wichtige Schutzfunktion gegen UV-Strahlung zukommt, ist dies nicht verwunderlich. Dabei wirken die Phenole als Antioxidantien bzw. "fangen" sie durch Stress entstehende freie Radikale ab. Sorten mit hoher Phenolbildungsfähigkeit besitzen demnach eine hohes Potenzial an pflanzeneigenen Abwehrstoffen gegen solche Stressereignisse. Die zuvor strahlungsarme Witterung hat jedoch deren Bildung ganz allgemein eher gehemmt als gefördert. Dies erklärt seinerseits die hohe Empfindlichkeit bzw. den hohen Schädigungsgrad im Jahr 2007. Die Sorte Acolon hatte zum fraglichen Zeitraum schon nahezu das Stadium Reifebeginn erreicht und war somit besonders empfindlich für Sonnenbrand. Dementsprechend traten trotz hoher Phenolbildungsfähigkeit dieser Sorte erhebliche Sonnenbrandschäden an den Trauben auf.
Abbildung 7: Trauben mit starken Stielschäden und ungleicher Reife am 11.09.2007 beim Trollinger
Die Bewirtschaftungsmaßnahmen einschließlich der Entblätterung hatten unter den gegebenen Bedingungen nur geringe Einflüsse. Lagenunterschiede sowie insbesondere die Zeilenrichtung hatten dagegen große Auswirkungen. So traten auf Flächen der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg an Südwesthängen trotz kräftiger, frühzeitiger sowie beidseitiger Entblätterung kaum Sonnenbrandschäden auf, da in den frühen Nachmittagsstunden, eben bedingt durch die Zeilenrichtung, nur selten direkte Sonneneinstrahlung auf die Trauben fiel. Wo frühzeitig entlaubt worden war, war die Traubenzone unter den wüchsigen Bedingungen des vergangenen Jahres vielfach durch Geiztriebwuchs wieder recht gut abgeschattet und es traten trotz Entblätterung nur geringe Schäden auf. Hingegen kam es dort, wo kurz vor dem Witterungsumschwung entblättert oder auch Laub geschnitten wurde, zu besonders starker Schädigung.
Kaum Ertragsverluste und Folgeschäden
Wegen des allgemein hohen Fruchtbarkeitspotenzials kam es lediglich in Ausnahmen zu wirklichen Ertragsverlusten. Vielfach war sogar trotz erheblicher Sonnenbrandschäden noch eine Ertragsreduktion nötig.
Hierbei wurden meist gezielt die geschädigten Anteile entfernt und somit eine eventuell nötige Negativselektion bei bzw. vor der Lese vorweggenommen. Auch Qualitätsverluste durch teilgeschädigte, weniger reife Beeren oder Traubenteile hielten sich sehr in Grenzen. Physiologische Beeinträchtigungen, was die Holzreife oder auch das Ertragspotenzial für das Folgjahr angehen, können ausgeschlossen werden. Petgen (2) berichtet aus Versuchen zum Weinausbau, bei denen ausschließlich sonnenbrandgeschädigte Trauben vinifiziert wurden, von erhöhten Gesamtphenolgehalten sowie vermehrten Bittertönen. Die Mostgewichte in den geschädigten Trauben waren dabei verringert und die Säuren erhöht. Bei der Verarbeitung teilgeschädigten Lesegutes folgert er, dass nur in sehr geringem Maße oenologische Auffälligkeiten aufgetreten seien.
Folgeschäden durch die Besiedelung sonnenbrandgeschädigter abgestorbener Beeren oder auch Traubenstiele mit Botrytis blieben aufgrund der trockenen Witterung ab Ende August nahezu aus. Wo dennoch leichte Infektionen erfolgt waren - (Abbildung 8) - trockneten diese später schlichtweg ein.
Abbildung 8: Botrytis auf total geschädigten Beeren bei Riesling, Anfang September 2007
Fazit
Auch bei Sonnenbrandschäden wird buchstäblich nichts so heiß gegessen wie es gekocht wurde. Gegen eine frühzeitige, kräftige, sortenangepasste Entblätterung der Traubenzone spricht zumindest unter unseren wüchsigen Bedingungen im deutschen Weinbau wenig. Späte Entblätterung birgt jedoch zunehmend die Gefahr höherer Sonnenbrandschäden in sich. Das Risiko von Fäulnis ist trotz des Klimawandels oder gerade deshalb höher einzustufen als das erneuter starker Sonnenbrandschäden wie im Jahr 2007. Inwieweit tatsächlich infolge des Klimawandels, verbunden mit den Lücken in der Ozonschicht und damit erhöhter UV-Strahlung, zukünftig öfter mit solchen Problemen zu rechnen ist, muss offen bleiben. Es gilt also bei der Entblätterung nach wie vor mit Augenmerk vorzugehen.
Literatur:
(1) Schultz, H. Sonnenbrand. Was steckt dahinter? Das Deutsche Weinmagazin 16 , 4. Aug. 2007, 30-31
(2) Petgen, M. Was müssen unsere Reben noch alles aushalten? Landwirtschaftliches Wochenblatt 9, 2008, 36-40