Steigerung der Vitalität durch Damm und Kompost ?
Gunhild Muster, Staatliche Lehr-und Versuchsanstalt für Wein-und Obstbau Weinsberg
Seit knapp 20 Jahren ist in Deutschland die Sorte Tulameen, neben Glen Ample, die Hauptsorte für den Frischmarktanbau. Tulameen zeichnet sich durch eine hohe Fruchtqualität aus, hat aber nur eine mittlere Ertragsleistung bei ausreichender Vitalität im Freilandanbau. Die Anlagenstandzeit ist meist kurz, da bereits nach drei bis vier Jahren die Regeneration von Jungruten stark nachlässt. Da der Krankheitsdruck zunimmt sind einheitliche Bestände eher selten. In der Folge werden die Pflanzungen schon nach drei bis vier Jahren gerodet.
Abbildung 1: Typische Tulameenfrüchte einer vitalen Anlage.
Deshalb stellt sich die Frage, wie die Vitalität und damit die Standzeit dieser Himbeeranlagen verbessert werden kann, zumal zusätzlich der Vorrat "frischer" Böden immer kleiner wird.
Ausgehend von der Vorstellung, dass die Vitalität einer Pflanze maßgeblich von deren Wurzelaktivität bestimmt wird, sollte der Wurzelraum optimiert werden. Ein guter Wurzelraum sollte locker sein, das heißt ausreichend viele Grobporen für einen guten Luftanteil sowie eine gute Dränung aufweisen. Es sollten auch genug mittelgroße Poren vorhanden sein, um Wasser- und Nährstoffe verfügbar speichern zu können. Erwiesenermaßen kann ein erhöhter Humusgehalt diese Eigenschaften verbessern. Organische Substanz begünstigt die Bildung und Stabilität eines grobporigen Bodengefüges. Dadurch werden Luft- und Wasserhaushalt verbessert. Bedeutsam ist dieser Belüftungseffekt bei schwereren Böden, bei leichten Böden zeigen sich die Wirkungen im Wasserhaushalt. Durch die dunkle Farbe der Huminstoffe wirkt sich organische Substanz positiv auf die Erwärmung des Bodens aus. Ebenso wie bei Tonmineralen ermöglicht auch die negative Ladung der Huminsäuren die Anlagerung und Speicherung von Nähr-Ionen wie K+, Mg++, Ca++ oder gar NH4+.
Organische Substanz fördert das Bodenleben. Vor allem die Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) erfüllen vielfältige Aufgaben im Boden, wie etwa die Zerlegung der organischen Substanz in pflanzenverfügbare Nährstoffe, die Neubildung von Huminstoffen, die Bindung von Luftstickstoff oder die Stabilsierung des Gefüges durch verklebend wirkende Stoffwechselprodukte („Lebendverbauung“). Durch organische Substanz kann das Wachstum jener Organismen gefördert werden, die das Wachstum anderer, beispielsweise pflanzenschädigender Organismen (Parasiten) unterdrücken.
Bei den mikrobiellen Umsetzungsprozessen im Boden entstehen auch Stoffe wie Vitamine, Wuchsstoffe oder sogar antibiotikaähnliche Verbindungen. Diese können bereits in geringen Mengen eine positive oder negative Wirkung auf andere Mikroorganismen und Pflanzenwurzeln ausüben. Teilweise werden sie sogar von Wurzeln direkt aufgenommen und verbessern unter Umständen die Vitalität von Pflanzen. Umgekehrt können diese Vorgänge nach langjähriger gleichartiger Nutzung aber auch für das Auftreten der Bodenmüdigkeit verantwortlich sein.
Allerdings wird auch der gesündeste Boden in einer Himbeeranlage nicht die anderen Wuchsfaktoren wie etwa Witterung, Rutengesundheit u.a. vollständig in den Hintergrund drängen.
Versuchsaufbau - Material und Methoden
Für den Versuch am Standort Heuchlingen (Löß) wurden im Jahr 2002 ca. 30 cm hohe und 80 bis 100 cm breite Dämme angelegt. Ein Teil der Pflanzung erfolgte mit wurzelnackten Ruten im Herbst 2002, der andere Teil mit Grünpflanzen im Frühjahr 2003 im Abstand von 0,5 x 3,0 m. Jede Parzelle war 10 m lang und jede Variante hatte drei Wiederholungen. Die Erziehung erfolgte als bewegliches V-System mit 15 Ruten pro Meter und die Kulturführung betriebsüblich. Zur Bewässerung diente ein Tropferstrang mit 30 cm Tropferabstand. Jede Variante erhielt im Frühjahr eine jährliche Stickstoffgabe von 30 kg N / ha (bezogen auf den Pflanzstreifen) in Form von Borammonsulfatsalpeter.
Folgende Versuchsvarianten wurden gewählt:
1) jährlich Kompost (0,5m3 / 10
lfd. m),
Jahre: 2005,2006,2008,2010,2011,2012
2) alle 2 Jahre Kompost (1,0m3 / 10 lfd.
m)
Jahre: 2005, 2008, 2010, 2012
3) ohne Kompost
4) alle 2 Jahre Sägemehl
Jahre: 2005, 2008, 2010,2012
Die jährlich Aufbringung sollte eine Schichtdicke von 5 cm, jene bei der zweijährlichen Aufbringung und beim Sägemehl eine Schichtdicke von 10 cm erreichen. Ausgangsmaterial für den Kompost war Material aus der Biotonne (Rottestufe 4, Feinmaterial mittelkörnig) bis zum Jahr 2010, danach Grünschnitthäcksel (Rottestufe 4, mittelkörnig).
In den Jahren 2002 und 2005 wurde die Bodenstruktur (Porengrößen, Durchlässigkeit etc.) im Damm mit der des gewachsenen Bodens verglichen. In den Jahren 2005 und 2012 wurden quer zur Reihe Aufgrabungen vorgenommen, um die Intensität der Durchwurzelung zu ermitteln. Hierfür wurden auf die Grabenwände durchsichtige PE-Folien aufgelegt, sichtbare Wurzeln nachgezeichnet und über ein Koordinatensystem ausgewertet. In mehreren Jahren wurden Nmin –Gehalte ermittelt. Jährlich wurden Rutenlänge, Rutenstärke, Anzahl Ruten, Rutenkrankheiten sowie Ertrag und Fruchtgewicht erfasst.
Ergebnisse
Boden: Bereits kurz nach Erstellung der Dämme im Jahr 2002 wurden bodenphysikalische Untersuchungen durchgeführt. Tabelle 1 zeigt, dass die Dammschüttung im Vergleich zum gewachsenen Boden ein erhöhtes Porenvolumen und einen erhöhten Grobporenanteil hatte. Gleichzeitig war die Luftleitfähigkeit im natürlichen Boden höher als im Damm, da hier vermutlich die bestehenden Porenverbindungen nicht unterbrochen wurden. Die Feldkapazität, d.h. der zur Wasserspeicherung dienende Volumenanteil, lag bei beiden Bodenausprägungen zwischen 30 und 40%. Als diese Untersuchung 2005 wiederholt wurde, zeigte sich, dass sich die Kennzahlen in den drei Jahren verändert hatten. Das Porenvolumen des gewachsenen Bodens hatte möglicherweise aufgrund der Durchwurzelung vergleichsweise zu-, das des Dammes aufgrund von Sackung leicht abgenommen. Die Feldkapazität blieb jeweils unverändert. Der Anteil Grobporen und damit auch die Luftleitfähigkeit waren 2005 im gewachsenen Boden höher als im Damm. Aber bei beiden Kultivierungsformen liegen die Werte im optimalen Bereich.
Tabelle 1: Vergleich bodenphysikalischer Kennwerte von Damm und gewachsenem
Boden. Auf dem Heuchlinger Standort zeigte der Damm zu Beginn ein erhöhtes Porenvolumen, wodurch gute Startbedingungen für die
Kultur gegeben waren. Auch nach 3 Jahren liegen die Werte im optimalen Bereich.
Durchwurzelung: in den Jahren 2005 und 2012 wurden quer zur Pflanzreihe Profile gegraben. Im Jahr 2005 (Versuchsbeginn) wurde die Durchwurzelung von gewachsenem Boden mit dem Damm verglichen. Im Damm war 2005 die Feinwurzelbildung und die gesamte Wurzelmasse vergleichsweise höher als im gewachsenen Boden (Abbildung 2). Die Grabung 2012 bestätigte dieses Bild (Abbildung 3).
Abbildung 2: Vergleich der Durchwurzelung zwischen Damm und gewachsenem Boden, 2005. Im Damm ist eine vergleichsweise stärkere Durchwurzelung erkennbar.
Abbildung 3: Vergleich der Durchwurzelung zwischen Damm und gewachsenem Boden im
November 2012. Im Damm ist eine stärkere Wurzelbildung zu verzeichnen. Es werden Wurzeln bis in 40 bis 50 cm Tiefe gefunden.
Abgebildet ist die Variante 2 (alle 2 Jahre Kompost), auch der gewachsene Boden wurde alle 2 bis 3 Jahre mit Kompost versorgt.
In allen Dammvarianten ist der Feinwurzelanteil höher als im gewachsenen Boden. Obwohl auch bei der Pflanzung in den gewachsenen Boden eine Bodenabdeckung mit Kompost im Abstand von zwei bis drei Jahren erfolgte, wurde in den Damm-Kompostvarianten ein erhöhter Feinwurzelanteil insbesondere in den oberen 0 bis 20 cm Bodentiefe beobachtet. Der Anteil an Feinwurzeln war in der Sägemehlvariante noch deutlicher erhöht (Abbildung 4).
Abbildung 4: Feinwurzelbildung in der Variante 4 "mit
Sägemehl".
Insgesamt wurden Wurzeln bis in 40 bis 50 cm Bodentiefe gefunden. Des Weiteren war bei der Grabung ersichtlich, dass die Dammschüttung inzwischen stark mit Kompost durchmischt ist (Abbildungen 5 und 6). Zahlreiche Regenwurmgänge sind auch in tieferen Schichten erkennbar. In der Variante ohne jegliche Kompostabdeckung scheint die Wurzelbildung insgesamt, insbesondere zu Lasten des Feinwurzelanteils, verringert zu sein.
Abbildung 5: Die Aufnahme zeigt die Vermischung des
Bodens mit Kompost auch in tieferen Bodenschichten. Regenwurmgänge deuten auf eine gute Durchmischung hin und lassen auf eine
Verbesserung des Aggregatzustandes aufgrund der Lebendverbauung schließen. Daneben das Profil der Variante 3 "ohne
Kompost".
Abbildung 6: Die schematische Zeichnung verdeutlicht die Unterschiede zwischen der Wurzelbilder in den Varianten 2 und 3 (Vergleich mit / ohne Kompost)
Nmin Untersuchungen: In den Jahren 2006 sowie 2009 bis 2012 wurden im Lauf der Vegetationszeit drei- bis viermal Bodenproben gezogen. Abbildung 7 zeigt die Nmin Gehalte im Boden zu diesen Terminen. Insgesamt bewegen sich die Nmin Werte zwischen 10 und 180 kg / ha Nitrat-Stickstoff in 0 bis 40 cm Bodentiefe. Deutlich geringere Werte sind in den Varianten „ohne Kompost“ und „Sägemehl“ über den gesamten Zeitraum zu finden.
Abbildung 7: Der Verlauf der Nitrat-Stickstoff- Gehalte in 0 bis 40 cm Bodentiefe zeigt, dass diese deutlich niedriger in den Varianten ohne Kompost (V3) und Sägemehl (V4) sind. Die Nmin Werte sind in den beiden Kompostvarianten deutlich höher und unterliegen stärkeren Schwankungen, in Abhängigkeit von den Kompostgaben
Vegetative Merkmale: Die Rutenlänge bewegte sich im Mittel der Jahre 2005 bis 2011 zwischen 230 cm und 250 cm. Tendenziell war die Rutenlänge mit etwa 230 cm in den Varianten 3 und 4 um 20 cm kürzer als in den beiden Kompostvarianten. Statistisch ließ sich dieser Unterschied jedoch nicht absichern.
Die Rutenstärke lag im Durchschnitt der Jahre zwischen 8 und 9 mm. Vor allem die Ruten der Varianten 3 und 4 (ohne Kompost bzw. mit Sägemehl) waren etwas dünner. Aber auch diese Differenz war nicht signifikant (Tab.2). Die Zahl Ruten lag zwischen 17 und 18 Ruten pro laufenden Meter.
Tabelle 2: Einfluss verschiedener Bodenpflegemaßnahmen auf vegetative
Merkmale und das Fruchtgewicht, im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2011
Rutengesundheit: Bei der Erfassung der Rutenkrankheiten wurde versucht, Größe und Zahl der Verbräunungen zu erfassen. Es wurde nach den Boniturstufen 1(sehr gering) bis 9 (sehr stark) bonitiert. Im Mittel der Jahre 2004 bis 2011 wurde ein mittlerer Befall mit Rutenkrankheiten festgestellt. Tendenziell etwas geringer war der Befall in der Sägemehlvariante.
Generative Merkmale: Die Ertragsleistung zeigt Tabelle 3. Die Unterschiede waren statistisch nicht absicherbar. Tendenziell nimmt der Ertrag in allen Varianten mit zunehmender Standzeit der Anlage ab. Auffallend ist das vergleichsweise niedrige Ertragsniveau in Variante 2 (alle 2 Jahre Kompost) mit knapp 80 kg / 100 m2. Die Sägemehlvariante erbrachte im Durchschnitt über alle Jahre eine Ertragsleistung von 98 kg / 100 m2. Wird das Spätfrostjahr 2011 nicht berücksichtigt, so beträgt das mehrjährige Mittel sogar 104 kg / 100 m2.
Tabelle 3: Ertragsleistung in Abhängigkeit verschiedener
Bodenpflegemaßnahmen, 2005 bis 2011
Das durchschnittliche Fruchtgewicht wurde an mehreren Terminen je Erntesaison ermittelt. Es liegt je nach Variante im Mittel der Jahre zwischen 4,2 g und 4,7 g pro Frucht. Statistisch zwar nicht absicherbar, aber tendenziell waren die Früchte in Variante1 (jährlich Kompost) am größten und bei der Sägemehlvariante am kleinsten.
Allerdings zeigt sich ein gesicherter Zusammenhang zwischen dem Niveau der Nmin-Gehalte und der Fruchtgröße (Abbildung 8), wonach mit zunehmenden Nmin -Gehalten in 0 bis 40 cm Tiefe die Fruchtgröße zunimmt. Da für eine optimale Ertrags- und Fruchtbildung vitale – keine zu mastigen - Ruten erforderlich sind, scheint die Stickstoffwirkung und damit ein indirekter Effekt der Kompostgaben plausibel.
Abbildung 8: Zusammenhang zwischen Nitrat-Stickstoffgehalt in 0 bis 40 cm Bodentiefe und dem Fruchtgewicht. Die Kurve entspricht einer Optimumskurve, nach der bis zu einem bestimmten Nitratgehalt die Fruchtgröße zunimmt. Insgesamt liegt das Fruchtgewicht im sortentypischen Bereich.
Schlußfolgerungen
Die Ertragsleistung einer Hauptsorte sollte im Mittel von mindestens 6 Jahren bei 100 kg / Ar (= 10 t/ha) liegen und die Fruchtgröße im Durchschnitt über die Saison bei 4,0 g pro Frucht. Grundsätzlich bewegt sich die Ertragsleistung von Tulameen im Freiland auf dem Heuchlinger Standort bei knapp 80 kg / 100 m2. Dieses Ergebnis wird im vorgestellten Versuch bei fast allen Varianten überschritten. Insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass im Jahr 2011 der Ertrag in allen Varianten bedingt durch den Frost vom 4.5.2011 sehr gering war. (Normalerweise liegt die Blütezeit bei Tulameen auf dem Versuchsstandort Heuchlingen um den 20.5., aber 2011 war gekennzeichnet durch ein sehr frühes Frühjahr, Frühsorten haben dort bereits am 4.5. geblüht). Der durchschnittliche Ertrag liegt dann in den Varianten 1, 2 und 4 bei ca. 100 kg / 100 m2. Damit wäre das Ziel einer dauerhaften langjährigen optimalen Ertragsleistung erreicht. Auch die Fruchtgröße entspricht den Erwartungen. Durch die Kombination von Dammaufschüttung und Abdeckung mit organischer Substanz konnte die Feinwurzelbildung gefördert werden. Vermutlich trägt dies mit zur Erhaltung der Vitalität der Pflanzen bei. Vermutlich wird auch die Wurzelbildung durch die frühere und schnellere Erwärmung, insbesondere im Frühjahr und Herbst, gefördert.
Inzwischen ist die Tulameenanlage neun Jahre alt. Somit wurde das Ziel einer langjährigen Produktionsanlage mit guten Erträgen und Fruchtgrößen erreicht.
Der Heuchlinger Boden ist eine Parabraunerde aus Löß, die mit 70 Bodenpunkten eingestuft wird. Möglicherweise sind auf sandigeren oder schweren Böden die Effekte von Dammaufschüttungen noch deutlicher ausgeprägt. Auch die Erhöhung des Humusgehaltes durch regelmäßige Kompostgaben ist auf "schlechteren" Himbeerböden vermutlich noch positiver zu bewerten.