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Mut zur festen Partnerschaft

Schwerpunkt Weintourismus: Kooperation mit Gästeführern


Evelyn Schmidt

LVWO Weinsberg

Projektkoordination Wein und Tourismus


 

Winzer haben sich in den letzten Jahren zu echten Multitalenten entwickelt. Das Bewirtschaften der Weinberge und der Weinausbau im Keller gehören dabei scheinbar mittlerweile zu ihren leichtesten Übungen. Gute Weinqualitäten sind Standard. Nur reicht Standard im globalen Wettbewerb schon lange nicht mehr aus.

 

Wo bleibt da die Romantik?


Der Wettbewerb wartet direkt vor der Haustür. Weine aus der ganzen Welt werden hierzulande zu guten Qualitäten und Preisen verkauft, und stellen die deutschen Winzer vor Herausforderungen. Wer erfolgreich sein will, muss mehr als "nur" guten Wein machen können.


Die Weinvermarktung ist eine zentrale und unverzichtbare Aufgabe im Weinbaubetrieb geworden. Messebesuche, Weinproben und Präsentationen füllen die Abendstunden und Wochenenden. Hinzu kommen betriebseigene Veranstaltungen, Werbung und Pressearbeit, die Pflege der Homepage und des E-Mail-Postfachs, allgemeine Büroarbeiten, neue Weingesetze und das Engagement in Verbänden und Gemeinden, um nur einige Beispiele zu nennen.


Der Direktverkauf fordert moderne, attraktive Weinverkaufsräume, individuelle Kunden­betreuung und durchgehende Öffnungszeiten. Der Beratungsaufwand pro Kunde steigt, hingegen sinkt der Umsatz pro Kunde. Ein halbstündiges Verkaufsgespräch am Samstagmittag inklusive Verkostung für zwei verkaufte Flaschen Wein gehören zum Service. Und Service am Kunden wird zukünftig das entscheidende Kriterium im Weinverkauf sein.


Und noch etwas passiert: Kunden wollen Weinbaubetriebe besuchen und etwas Besonderes erleben. Anfragen für Weinproben, Weintouren und Wein-Events bis hin zu ganzen Urlaubsarrangements in Verbindung mit Wein nehmen zu und erreichen in einigen Betrieben schnell die personellen Kapazitätsgrenzen. Ein Kunde, der für die Anfrage einer Weinwanderung mit Weinprobe im September kein Angebot vom Betrieb oder der Region erhält, wird sich wahrscheinlich nie wieder melden und auch keinen Wein kaufen. Es gibt genügend andere Regionen, die solche Angebote problemlos realisieren können.


Der erfolgreiche Weinbaubetrieb muss konsequent am Markt und Kunden bleiben. Das hat zur Folge, dass das Anforderungsprofil in Zeiten von Konsumzurückhaltung und Wirtschaftskrise immer weiter wächst. Nach einem Berufsbild mit romantischer Wein­bergsarbeit klingt das irgendwie nicht mehr.


Lösungen müssen her. Hilfreich ist ein Blick in andere Unternehmensbereiche.

Wer einen Neubau im Betrieb plant, beauftragt einen Architekten. Für die Gestaltung der Internetseite stehen Design- und Grafikagenturen zur Seite. Der Steuerberater kümmert sich um die Finanzen, und erspart das mühsame Einarbeiten in die Steuerpolitik. Diese Dienstleistungen kosten Geld, bringen aber wertvolle Zeit, in der sich der Betrieb auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann.


Moderne Teamarbeit - von Außen zugekauft


Wenn es um Gästeprogramme, Anfragen für Weinproben, Betriebsführungen und Weinbergtouren geht, können sich Weinbaubetriebe ebenfalls Partner und Spezialisten suchen. Man muss als Betriebsinhaber nicht alles selbst machen und kann trotzdem mit Angeboten vor Gästen glänzen. Die Zauberwörter lauten delegieren und outsourcen, das heißt, Unternehmensaufgaben an Dritte abgeben.


Eine mögliche Lösung ist die Zusammenarbeit mit weinkompetenten Gästeführern. In fast allen Anbaugebieten gibt es mittlerweile speziell ausgebildete Gästeführer, die in der Lage sind, in den Weinbauregionen vielfältige Aufgaben der Gästebetreuung, z. B. Gästeführungen und Weinproben bis hin zum Weinverkauf, zu übernehmen.


Mit Hilfe solcher Partner können regelmäßig Weinproben, Führungen und Veranstaltungen für die Gäste des Betriebes und der Region angeboten werden - insbesondere während der stark frequentierten Saison, an Wochenenden sowie Sonn- und Feiertagen.


Das Betreuen und Unterhalten von Gästen will gelernt sein. Hierfür sind Gästeführer speziell geschult und qualifiziert. Zudem arbeiten sie selbstständig und stark gäste- und erlebnisorientiert.


Gästeführer können Ideengeber sein, wenn es um die Entwicklung neuer Gästeprogramme für den Betrieb geht. Darüber hinaus können sie Angebote im Weinbaubetrieb mit weiteren Partnern der Region, z. B. der Gastronomie, verknüpfen. Das bringt neue Impulse und bietet den Gästen einen echten Mehrwert.


Zusammenarbeit braucht Vorleistungen


Über den Erfolg von Betriebsführungen, Weinproben, Weinverkauf und Gästebetreuung entscheidet neben der Qualität der Produkte die Kompetenz des Gästeführers als Gastgeber. Damit Gäste nachhaltig von Weinbetrieb und Produkten begeistern sind, ist es unerlässlich, den Gästeführer entsprechend einzuweisen und anzuleiten.


Der Gästeführer muss Kenntnisse über den Betrieb, dessen Produkte, Philosophie, die betriebliche Infrastruktur und aktuelle Entwicklungen besitzen. Das ist Grundvoraussetzung. Je besser sich der Gästeführer mit dem Betrieb identifiziert und die Botschaften des Betriebes verinnerlicht, desto authentischer und selbstverständlicher wird er diesen vor Gästen repräsentieren und desto qualifizierter und effizienter kann er Aufgaben im Rahmen der Gästebetreuung übernehmen. Hierüber sollte sich jeder Weinbaubetrieb bewusst sein. Eine solche Zusammenarbeit kann nicht kurzfristig umgesetzt werden. Sie basiert vielmehr auf einer Vertrauensbasis und langfristigen Partnerschaft.


Es ist sinnvoll, je nach Buchungsanfragen, einen oder mehrere feste Gästeführer aus der Region auszuwählen, mit denen der Betrieb regelmäßig zusammenarbeitet.


Darüber hinaus müssen im Betrieb Standards entwickelt werden, damit Gästeanfragen effektiv und effizient bearbeitet werden können. Es muss geklärt werden, welche Führungen, Proben etc. der Gästeführer durchführen kann und zu welchen Konditionen diese dem Gast angeboten werden. Dies schließt individuelle, auf den Kunden zugeschnittene Programme natürlich nicht aus, aber der Betrieb braucht Standardprodukte, bei denen Abläufe und Inhalte klar definiert und mit dem Gästeführer abgestimmt sind. Abrechnungsmodalitäten, Stundensätze und Preise sollten im Vorfeld eindeutig geklärt sein.


Konkret: So könnte es laufen


Eine Zusammenarbeit zwischen Gästeführer und Weinbaubetrieb kann auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt werden:


Variante 1: Der Weinbaubetrieb als Organisator

 

Organisation: Der Weinbaubetrieb tritt als Organisator und Ansprechpartner für den Gast auf. Er wickelt von der Anfrage bis zur Buchung und Rechnungsstellung alles selbst mit dem Gast ab. Der Betrieb entwickelt gegebenenfalls mit dem Gästeführer gemeinsam das Programm und bucht den Gästeführer. Der Gästeführer arbeitet auf selbstständiger Basis und stellt eine Rechnung an den Betrieb für seine Dienstleistung.

 

Vorteil: freie Verfügbarkeit von Gästeführern, flexibles Reagieren auf Gästeanfragen und -wünsche, sehr gute Kundenbindung, ideal für Anfragen, die den Wein­baubetrieb direkt erreichen

 

Nachteil:  hoher Zeitaufwand für die Erstellung und Abwicklung der Gästeprogramme

 

Variante 2: Der Gästeführer als Organisator


Organisation: Das komplette Gästeprogramm wird vom Gästeführer entwickelt, organisiert, durchgeführt und abgerechnet. Der Gast erhält vom Gästeführer Angebot, Buchungsinformation und Gesamtrechnung. Der Gästeführer arbeitet auf selbstständiger Basis und erhält vom Betrieb eine Rechnung für dessen erbrachte Teilleistungen im Rahmen des Gästebesuchs (z. B. Weine für die Weinprobe).

 

Vorteil:  geringer Zeitaufwand für den Betrieb, Gästeführer bringt als Multiplikator Gäste in den Betrieb, ideal für Anfragen, die Tourismusbüros oder den Gästeführer erreichen

 

Nachteil:  fehlende Bindung zwischen Gast und Weinbaubetrieb, da die Kommunikation fast ausschließlich zwischen Gast und Gästeführer abläuft

 

Der Ablauf wird je nach Gästegruppe und Anfrage unterschiedlich sein, und es wird Mischvarianten geben. Optimale Lösung ist die Anstellung eines Gästeführers als (freier) Mitarbeiter im Betrieb. Das bringt eine verbindliche Zusammenarbeit und bietet zudem die Möglichkeit, den Gästeführer flexibel in Bereichen des Verkaufs und Marketings einzusetzen.

 

Die Qualität der Gästebetreuung hängt stark von der Persönlichkeit des Gästeführers ab. Jeder Gästeführer hat seinen eigenen Stil, der grundsätzlich zur Philosophie des Betriebes passen muss. Der Weinbaubetrieb sollte ‑ wie bei jedem Mitarbeiter ‑ im Vorfeld prüfen, ob der Gästeführer mit seiner Art zu ihm passt. Hierfür eignen sich gemeinsame Testdurchläufe oder auch das Feedback der Gäste.

 

 

Die Gäste ein wenig erziehen

 

Viele Betriebsinhaber meinen immer noch, sie müssen immer und überall selbst vor Ort sein. Das wird zukünftig immer weniger möglich sein. Natürlich legt der Gast einen großen Wert auf den direkten und persönlichen Kontakt zum Winzer. Gäste kann man aber auch ein wenig erziehen. Stattdessen sollte der Weinbaubetrieb Gästeführer und Mitarbeiter so gut schulen, dass sie den Betrieb und Betriebsinhaber bestens vertreten können.

 

Viele Betriebe möchten den Teil der Kellereiführung grundsätzlich selbst übernehmen. Auch gut. Eine Zusammenarbeit mit Gästeführern bietet sich dann in Kombination mit anderen Angeboten an. Beispielsweise könnte der Gästeführer die Stadt- oder Weinbergführung betreuen und danach die Gäste zur Weinprobe oder Kellereiführung direkt in den Betrieb bringen. Solche Angebote gibt es in den Weinregionen noch viel zu wenig. Der Gästeführer übernimmt in diesem Fall nicht nur eine wichtige touristische Funktion, sondern er wird dadurch zum wertvollen Botschafter für den Weinbaubetrieb. Als Partner bringt er potenzielle Gäste direkt in den Weinbaubetrieb und Weinverkauf, und rückt zudem auf seinen Weintouren die Produkte und Betriebe seiner Region in den Fokus. Das ist unbezahlbar.

 

Zwei Erfolgsbeispiele aus Württemberg

 

Brigitte Riemer ist ausgebildete Weinerlebnisführerin und Stadtführerin in Heilbronn. Sie arbeitet erfolgreich mit Heilbronner Weingütern zusammen.

"Anfragen kommen in erster Linie über die Heilbronn Marketing GmbH, zunehmend auch von den Weingütern selbst. Gefragt sind geführte Erlebnistouren und Weinproben vor allem entlang des Wein-Panorama-Weges. Die Zusammenarbeit mit den Weinbaubetrieben gestaltet sich unterschiedlich. Für einige übernehme ich die komplette Gästebetreuung vor Ort, bei anderen bringe ich die Gäste bis zum Weingut, wo dann der Betrieb die Kellereiführung und Weinprobe selbst übernimmt. Die kooperierenden Weinbaubetriebe sind ideale Start- und Zielpunkte für Wanderungen. Der Sektempfang zu Beginn oder der Besuch einer typischen Besenwirtschaft als Abschluss sind Klassiker."

 

Martin Schadenberger ist ausgebildeter Weinerlebnisführer und als Mitarbeiter für die Weingärtnergenossenschaft Metzingen-Neuhausen tätig. Sein Aufgabengebiet umfasst weit mehr als das eines Gästeführers oder Weinprobenleiters. Er übernimmt für die Weingärtnergenossenschaft die Organisation von Gästeprogrammen und Veranstaltungen, betreut Messeauftritte und unterstützt aktiv Werbung, Vertrieb und Verkauf.

"Die Anfragen nach Weinerlebnistouren in Metzingen werden von Jahr zu Jahr mehr. Touristen und Reiseunternehmen suchen Angebote über die Städte Stuttgart und Metzingen, die Outletcity Marketing GmbH, den Förderkreis Metzinger Keltern oder direkt über die Weingärtnergenossenschaft. Wir sind sehr gut vernetzt, so dass die Anfragen schnell bei der Genossenschaft und damit bei mir landen. Wir bieten individuelle Programme für internationales Publikum und kombinieren den Wein mit anderen Attraktionen vor Ort. Das funktioniert sehr gut, bringt Synergieeffekte und die Gäste sind begeistert."

 

Weinbaubetriebe sollten sich solche Partnerschaften suchen und zu Nutze machen. Wichtige Ansprechpartner sind dabei die Tourismusverbände und die Städte und Gemeinden. Dort müssen die weintouristischen Angebote des Betriebes parat liegen.

 

Neue Marktsituationen erfordern neue Wege. Ohne Kooperationen funktioniert Weintourismus nicht. Wer den Mut hat, andere und neue Wege zu beschreiten und auszuprobieren, wird zukünftig erfolgreich sein.

 

 

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