Wenn Winzer zu Hoteliers werden
Evelyn Schmidt
Marketing und Tourismus
Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg
Auf einem Winzerhof zu übernachten, ist etwas Besonderes. Im Gegensatz zum anonymen Hotel glänzen Weinbaubetriebe mit besonderem Ambiente und persönlicher Betreuung - das kommt bei Urlaubsgästen und Geschäftsreisenden gleich gut an. Württemberger Winzer mausern sich zu echten Geheimtipps. Sie investieren in die Gästebeherbergung, schaffen wertvolle Synergien und werten damit Standort und Produkte auf. Wir fragen etablierte und junge Betriebe nach Ihren Erfahrungen und wollen wissen, ob es wirklich funktioniert. Fünf Wege, die zeigen, wie Mut und Engagement zum Erfolg führen.
Landhaus Sturmfeder - Hotel garni im klassischen
Weingut
"Wir lernen Hotel", sagt Graf Kilian von Bentzel Sturmfeder. Mit der Eröffnung des Landhauses Sturmfeder vor acht Monaten ist er neue Wege gegangen. Die Idee entstand aus Weinproben heraus. "Wenn wir jetzt hier schlafen könnten", war eine häufige Aussage der Gäste. Heute bietet das Weingut acht komfortable Doppelzimmer im 4-Sterne-Bereich, davon eine Suite, ein Familienzimmer, ein barrierefreies Zimmer und ein Zimmer für Gäste mit Hunden. Ab 79,00 € gibt es die Übernachtung im Doppelzimmer inklusive Frühstück. Der Stil der Zimmer ist auf das Weingut abgestimmt: barocke Details, antike Möbel, teils aus gräflichem Besitz, Teppichboden. An den Wänden hängen Kunstwerke von Graf Bentzels Bruder. Die Leitfarbe ist royalblau. "Unsere Gäste sind zu 90% Geschäftsreisende", erzählt die Leiterin des Hotelbetriebes Daniela Matz. "Sie buchen eher kurzfristig und bleiben 1 bis 2 Nächte", und mit einem Lächeln fügt Sie hinzu: "Sie schätzen die Ruhe und die familiäre Atmosphäre. Es kommt schon mal vor, dass die Leute bei uns verschlafen". Buchungen übers Internet spielen eine zentrale Rolle. Auf einem Hotelbuchungsportal ist das Landhaus mit einer Weiterempfehlungsrate von 96% vertreten. "Die Gäste sind zufrieden, kommen regelmäßig wieder und erzählen es weiter. Diese Empfehlungen sind wichtig." In den Ferienzeiten nehmen die Privatbuchungen zu. Dann kommen die Gäste verstärkt mit dem Motiv Wein. Die Symbiose zwischen Weingut und Hotel ist gelungen. "Wir haben mit unseren Übernachtungsgästen auch neue Weinkunden gewonnen." Hotelgäste erhalten auf ihren Weineinkauf 10% Rabatt. Für Firmen bietet das Weingut Komplettprogramme mit Tagung, Abendveranstaltung, Weinprobe, Übernachtung und Frühstück. Mit zwei Golfplätzen in unmittelbarer Umgebung gibt es eine weitere Zielgruppe. Angebote inklusive Greenfee, Weinprobe und Übernachtung sollen die Golfer nach Schozach locken. Geplant sind zudem vier weitere Gästezimmer und ein multifunktionaler Event- und Konferenzraum. "Und zur Kundenweinlese können unsere Gäste in diesem Jahr erstmals auch auf dem Weingut übernachten", freut sich Matz.
Das Landhaus Sturmfeder ist vor allem bei Geschäftsreisenden beliebt (Foto: Sturmfeder)
Müllers Weingut und Weinstube - Gästehaus und
hochwertige Gastronomie
Als
selbstvermarktendes Weingut hat Siegfried Müller zusammen mit
seiner Frau Ricarda vor drei Jahren Weinstube und Gästehaus
neu eröffnet. Das Ehepaar hat den elterlichen Betrieb 2005
übernommen und nach einer langfristigen Möglichkeit zur
Sicherung des Betriebes gesucht. Der Entscheidung sind zwei Jahre
Planung und Marktanalyse vorausgegangen. Wir wollten wissen: "Was
verlangen der Markt und die Gäste. Und wofür sind die
Leute bereit, Geld zu zahlen", sagen sie rückblickend. Da es
bereits gute Besenwirtschaften in Nordheim gab, entschied sich das
Paar für eine Weinstube mit hochwertiger Gastronomie. Hinzu
kamen drei Doppelzimmer im 3-Sterne-Bereich, drei Ferienwohnungen
im 4-Sterne-Bereich mit direktem Blick auf die Weinberge sowie ein
Wohnmobilstellplatz. Die Gäste sind zu Recht von Ambiente und
Stimmung begeistert. Die Gästebereiche überzeugen mit
modern-funktionalem Design und einem durchgängigen
Farbkonzept. Bau, Inneneinrichtung und Ausstattung sind auf
Nachhaltigkeit und Wertigkeit angelegt. "Wir sind ein kleines Haus
mit familiärer Atmosphäre. Die Leute sind hier nicht
anonym, sondern mit eingebunden", erzählt Ricarda Müller.
Die Privatgäste beschreibt sie als Genießertypen zwischen
40 und 60 Jahren, die auch bewusst Wein kaufen. Hinzu kommen
Geschäftsreisende, die sehr kurzfristig buchen und nicht
unbedingt Weinkunden sind. Firmen buchen die Appartements für
besondere Kunden und ausländische Gäste. "Für einen
Japaner ist es ein Erlebnis, im Weinberg zu übernachten", sagt
sie. Neue Standbeine bieten neue Möglichkeiten, Wein zu
präsentieren, sind aber auch zeitintensiv. Siegfried
Müller beschreibt es so: "Die Anforderungen der Gäste
sind hoch. Einer von uns Zweien muss immer präsent sein. Wir
müssen zum Anfassen sein und das bedeutet auch kaum
Privatleben". Vom ersten Tag an gibt es eine Internetseite. Die
Chefin bestätigt: "Erstbuchungen kommen zu 85 – 90%
über das Internet. Wer dann professionell auftritt, hat schon
gewonnen". Interessanterweise haben sich mit den neuen Standbeinen
auch Weine und Weinstil im Betrieb weiterentwickelt. Insbesondere
die "neue" Kundschaft und die Übernachtungsgäste kaufen
hochwertiger. Das Konzept lebt von den Synergien. "Die Gastronomie
ist insgesamt weniger rentabel als die Gästezimmer. Die
Kombination ist der Schlüssel. Komplettangebote wie
Übernachtung plus Weinprobe plus Leihräder oder
Übernachtung plus Weinwanderung plus kulinarische Weinprobe
funktionieren. Jede Familienfeier oder Gesellschaft bringt
mindestens eine weitere Gesellschaft, hinzu kommen
Übernachtungen und Weinverkauf". Das Weingut war und ist eine
der ersten Verleih- und Akkuwechselstationen für E-Bikes in
der Region.
Familiäre Atmosphäre im Weingut Müller (Foto: Müller)
Landpension Kohler - Ferienwohnungen und Komfortzimmer
Im
Bereich der Gästebeherbergung ist Familie Kohler Profi. Seit
1997 betreibt die Familie eine Landpension mit Ferienwohnungen und
Gästezimmern. Im letzten Jahr haben sie ihren Betrieb um den
Bau neuer Komfortzimmer erweitert. "Wir mussten vor allem im Sommer
Leute wegschicken, da die Kapazitäten zu gering waren",
berichtet die Familie. Zwei Generationen managen den Betrieb Seite
an Seite. Mutter und Schwiegertochter leiten den Gästebetrieb
mit insgesamt 32 Betten. Frühstück- und
Wäscheservice erfolgen in Eigenregie. Vater und Sohn sind als
Mitglieder der örtlichen Genossenschaft für den 10 Hektar
großen Weinbaubetrieb zuständig. Die Ausstattung der
Zimmer ist gehoben. "Wertig, zeitlos, langlebig und trotzdem frisch
und pfiffig", beschreibt Daniel Kohler den Stil. Durch viele eigene
Ideen und die Zusammenarbeit mit einem Hotelausstatter ist dies
gelungen. Die Zimmer verfügen über Kochgelegenheiten bzw.
voll ausgestattete Küchen, Flachbild-TV und kostenlosem WLAN.
Der Anteil an Geschäfts- und Privatreisenden hält sich
die Waage. "Im Sommer haben wir mehr Urlauber, im Winter mehr
Geschäftsleute", erzählt Stephanie Kohler und ihr Mann
ergänzt: "Die Firmen sind für uns wichtig. Sie kommen
ganzjährig und unter der Woche". Durch den Freizeitpark
Tripsdrill kommen zunehmend auch Familien. Ansonsten reisen die
Gäste meist zu zweit oder zu viert. Reisemotive sind Wandern,
Rad fahren und der Wein. 25 - 30% sind klassische Weintouristen.
Stephanie Kohler hält viele Tipps für den Aufenthalt in
der Region parat, vermittelt und bucht Ausflugsprogramme für
die Gäste. Auf den Zimmern liegen umfangreiche und liebevoll
zusammengestellte Infomappen aus. "Wir
haben in diesem Jahr erstaunlich viele Vorausbuchungen und eine
sehr gute Auslastung auch über die Wintermonate", berichtet
Gretel Kohler. 80% der Anfragen, insbesondere der Erstkontakte,
kommen übers Internet. Die Homepage der Landpension wurde im
Zuge der Neueröffnung überarbeitet. Weinverkauf und
Präsentation sollen bei Kohlers zukünftig noch mehr
fokussiert werden. Zudem ist der Verleih von Gäste-E-Bikes
geplant. "Unser
Erfolgsgeheimnis ist die persönliche
Betreuung. Wir wollen, dass sich die Gäste bei uns
wohlfühlen", sagt Stephanie Kohler, und Daniel Kohler
ergänzt: "Es macht Spaß, auch wenn wir eine 7-Tage-Woche
haben".
Blick in eine der neuen Ferienwohnungen in der Landpension Kohler (Foto: Landpension)
Weingut Steinbachhof - Feiern, Tagen und
Übernachten
"Wir
vermarkten unsere Idylle", sagt Nanna Eißler vom Steinbachhof
in Vaihingen an der Enz. Zusammen mit Ihrem Mann hat sie das
Weingut auf dem historisch-romantischen Anwesen zu einem
außergewöhnlichen Veranstaltungsort entwickelt. Im Mai
letzten Jahres haben die umfassenden Umbauarbeiten begonnen.
"Unsere Ressource ist das Ambiente, das ist da gewesen und jetzt
nutzbar gemacht", sagt die Inhaberin. Zu einem Ort für
exklusive Veranstaltungen, Hochzeiten, Geburtstage,
Produktpräsentationen und zunehmend Business-Events. 50
Hochzeiten haben allein im letzten Jahr stattgefunden. Für
2012 sind bereits alle Samstage zwischen April und September
ausgebucht. Hochzeiten sind beratungsintensiv. Firmen-Events wie
Tagungen, Seminare und Workshops hingegen meist unkomplizierter und
weniger zeitaufwendig. Zudem sind sie unter der Woche eine optimale
Ergänzung zu den Hochzeiten und Feiern an den Wochenenden.
Hinzu kommen Führungen, Weinwanderungen und Outdoorevents.
Neben der Feldscheuer ist der Fruchtkasten mit Vinothek entstanden.
Funktionalität und eine flexible, ganzjährige Nutzung der
Räume stehen im Vordergrund. Die Materialien: Stein, Glas,
Stahl. Seit August 2010 gibt es ein Gästehaus mit fünf
Zimmern. "Urig, authentisch, Landhaus" beschreibt Nanna Eißler
die Zimmer. Bei Hochzeiten wird das Gästehaus
grundsätzlich geblockt und meist komplett gebucht. Kostenpunkt
350,00 €. Ein Frühstücksangebot gibt es nicht. Die
Gäste frühstücken in der Regel in umliegenden
Hotels. "Wir kochen nicht selbst", berichtet die Chefin. Das
Weingut stellt für Veranstaltungen das Mobiliar zur
Verfügung. Verschiedene Gastronomen übernehmen Catering
und Service. Die neuen Angebote bringen Bewegung ins Weingut. Der
Betrieb hat neue, jüngere Kunden gewonnen, aber auch neue
Anreize für bestehende Weinkunden geschaffen. "Wir legen Wert
auf persönliche Beratung und Betreuung, das unterscheidet uns
vielleicht von anderen Locations. Die Menschen sind uns wichtig.
Unser Anliegen ist, dass ihr Fest grandios wird", sagt Nanna
Eißler und ergänzt: "Das Weingut hat eine neue Wertigkeit
und mehr Komfort erhalten". Das Paar sagt, die Belastung
während der Bauphase sei hoch, aber es ist der richtige
Schritt. Die neuen Standbeine geben neben all der Emotion
betriebswirtschaftliche Sicherheit. Und sie denken schon weiter.
Geplant sind standesamtliche Trauungen direkt auf dem Weingut.
Zudem steht die nächste Bauphase an. Ein alter Gänsestall
soll für Sektempfänge und weitere Events restauriert
werden.
Der Steinbachhof setzt auf Design und urige Gemütlichkeit (Foto: Steinbachhof)
Hofcafé und Gästehaus Kurz -
Cafe & Wein
Im
Hofcafé und Gästehaus Kurz in Heilbronn sind im letzten
Jahr gleich zwei neue Standbeine entstanden. In der umgebauten,
ehemaligen Halle für die Futtersilos stehen Gästen vier
moderne Doppelzimmer zur Verfügung. "Der Start war besser als
erwartet" erzählt Diana Kurz und ihr Mann ergänzt: "Nach
den Frostschäden 2011 waren wir froh, diese weiteren
Standbeine zu haben". Unter der Woche buchen vor allem die
Geschäftsreisenden, am Wochenende sind es die Urlauber, vor
allem Radtouristen. Für Lage, Aussicht, viel Platz, Ruhe und
die Nähe zu Wander- und Radwanderwegen sammeln sie Pluspunkte.
Die Wochenenden in der Saison sind ausgebucht. Die
Übernachtung im Gästehaus inklusive Frühstück
kostet im Einzelzimmer 45,00 €, im Doppelzimmer 70,00 €.
Frühstück gibt es im Hofcafé. Das
Frühstücksbuffet am Wochenende ist mittlerweile auch bei
Nicht-Übernachtungsgästen beliebt. Die Aufgabenbereiche
im Betrieb haben sich komplett verändert und erweitert. Sein
Schwerpunkt ist der Weinbau, ihr Schwerpunkt sind die
Gästezimmer, das Hofcafé und die Veranstaltungen. Mit der
Eröffnung kam auch neues Personal. "Die Personalführung
war eine neue Herausforderung für mich. Wir haben gemeinsam
Standards für alle Abläufe und Aufgaben entwickelt",
berichtet die Inhaberin. Im Hofcafé ist im Normalbetrieb Platz
für 68 Gäste, hinzu kommt eine großzügige
Terrasse mit 50 Plätzen. Das Ambiente ist hell und einladend,
an den Wänden hängen Bilder einer Heilbronner
Künstlerin. Alle Speisen werden in Eigenregie zubereitet. Es
gibt selbstgebackene Kuchen, eigene Weine und Weine der
Genossenschaft. "Im Hofcafé herrschen schnelle Umschlagzeiten,
der Aufenthalt der Gäste liegt bei 30 - 45 Minuten". Der
Anteil an Stammgästen ist hoch. Hinzu kommen
Firmenveranstaltungen, Familienfeiern und Busgruppen. Viele
Gäste nutzen das Angebot, nach der Veranstaltung und Weinprobe
auf dem Hof zu übernachten. "Die Gästezimmer sind das
ruhigere Geschäft, das Hofcafé ist aufwendiger und
zeitintensiver. Wir haben mehr Arbeitsstunden, dafür aber auch
mehr Belegtage, als ursprünglich kalkuliert", berichtet das
Paar. Die Zimmer werden in den nächsten Wochen noch
klassifiziert. Geplant sind zudem die Auszeichnungen als
Urlaubs-Winzerhof und radfreundliche Unterkunft sowie der Bau eines
Kinderspielplatzes.
Seit einem Jahr in Betrieb und schon ein Erfolg: Das Hofcafé Kurz (Foto: Schmidt)
Nähere Informationen zu den Betrieben finden Sie unter: