Xenia® - Möglichkeiten und Grenzen im Anbau
Eine interessante neue Birnensorte stellt sich vor
Dr. Franz Rueß
Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg
’Xenia®’ hat eine klassische Birnenform und -farbe mit leichter Berostung
Die Sorte Xenia® erfährt in letzter Zeit größere Beachtung, da sie eine Alternative zu den
traditionellen Anbausorten ’Alexander Lucas’ und ’Conference’ darstellt. Diese beiden Hauptsorten haben in
Deutschland zunehmend Anbauprobleme. Früchte von ’Alexander Lucas’ haben häufig Qualitätsmängel in Form von
Orangenhäutigkeit und Steinzellenbildung. Die damit verbundenen Erlösausfälle können sich je nach Jahr und Witterung
von wenigen Prozent bis hin zum Totalausfall erstrecken. ’Conference’ hat Probleme mit Kleinfrüchtigkeit und starker
Berostung. Zudem neigt die Sorte in heißen Sommern zu Blattschäden aufgrund ihrer Hitze-Unverträglichkeit.
Herkunft und Sortenbezeichnung
’Xenia®’ ist keine Neuzüchtung. Die Sorte wurde bereits 1962 in Chisinau in Moldawien aus den Sorten ’Triomphe
de Vienne’ und ’Decana N. Krier’ gekreuzt. In den 80er Jahren wurde sie in den damaligen Ostblockstaaten verbreitet, so
auch in der DDR. Nach der Wende wurde das Sortiment der neuen Bundesländer mit in den Bestand des Bundessortenamtes aufgenommen, wo
diese Sorte in der beschreibenden Sortenliste des Jahres 2000 unter der Bezeichnung ’Nojabrskaja’ aufgeführt ist. Da die
Sorte bis dahin als allgemein bekannt galt und kein Sortenschutzantrag vorlag, begann die Gesellschaft für den Erwerb und Vertrieb von
Obstgehölz-Neuheiten (GEVO) den Vertrieb der Sorte unter der Markenbezeichnung ’Novembra®’. Seit 2005 liegt beim
europäischen Sortenamt ein Antrag auf Sortenschutz für diese Sorte seitens der holländischen Baumschule van Rijn - de Bruijn
vor. Bis Herbst 2010 lautete der Sortenschutzantrag auf den Namen ’Xenia’, danach auf die Bezeichnung ’Oksana’.
’Xenia®’ ist derzeit ein Markenname unter welchem diese Birnensorte in den Markt eingeführt werden soll. Da bis zum
heutigen Tag seitens des Europäischen Sortenamtes kein befürwortender Bescheid über die Erteilung des Sortenschutzes
vorliegt, herrscht bezüglich der rechtmäßigen Ansprache der Sorte eine gewisse Verwirrung. ’Xenia®’,
’Novembra®’, ’Oksana ’, ’Nojabrskaja ’ oder ’Novemberbirne ’ sind Bezeichnungen,
unter denen diese Birnensorte im Handel zu finden ist. Im Folgenden wird die Sorte mit der Bezeichnung ‚Xenia®‘
angesprochen, da sich dieser Begriff in der Berufspraxis am meisten etabliert hat.
Blüte, Befruchtung und Erntefenster
’Xenia®‘ ist eine früh und lange blühende Sorte. Der Blühbeginn fällt etwa mit ’Alexander
Lucas’ zusammen und ist kurz vor der Aufblüte von ’Williams Christ’. Durch den frühen Blühbeginn am
zweijährigen Holz können sich bei ’Xenia®‘ befruchtungsbiologische Probleme ergeben, wenn keine anderen
diploiden Sorten mit ähnlichem Blühtermin in der Nähe sind. Bestäubungsversuche an der LVWO Weinsberg haben gezeigt,
dass die Befruchtung mit den gleichfalls früh blühenden Sorten ’Harrow Delight’ und ’Williams Christ’ gut
funktioniert. Aber auch wenn keine Frühblüher in der Nähe sind, ist die Befruchtungswahrscheinlichkeit trotzdem hoch,
da die Sorte auch sehr lange blüht. Dieser lange Blühzeitraum ergibt sich aufgrund der Neigung sehr stark am einjährigen
Holz zu blühen, was für Birnen eher untypisch ist und man von Apfelsorten wie ’Gala’ oder ’Pinova’ kennt.
Beide Faktoren zusammen ergeben eine regelmäßig hohe Blühstärke und damit eine hohe Ertragssicherheit. Auch bei
Blütenfrost ist immer noch ein Fruchtansatz zu verzeichnen, da sich die Blüten am einjährigen Holz nie im gleichen
Blühstadium befinden. Wie andere Birnensorten auch hat ‘ Xenia®‘ die Fähigkeit parthenokarpe (= samenlose)
Früchte auszubilden. Die Ausbildung derartiger Früchte ist vor allem in Spätfrostjahren, wenn die Samenanlagen erfroren
sind, ein Garant für Ertragssicherheit. Die Parthenokarpie kann allerdings bei dieser Sorte durch die Applikation von Gibberellinen
(GA3, GA4/7) nicht weiter gefördert werden. Erste Versuche mit den für ‘Williams Christ‘ üblichen Aufwandmengen
dieser Präparate erbrachten keine Steigerung der Fruchtanzahl. In den ersten Standjahren sollte bei ’Xenia®‘
unbedingt eine Blütenausdünnung erfolgen, da sich sonst durch den raschen Ertragseintritt der Baumaufbau verzögert.
'Xenia®‘ ist eine spätreifende Birnensorte. Auf dem Obstversuchsgut in Heuchlingen in der mittleren Neckarregion reift sie
im Schnitt der Jahre am 20. September, zusammen mit den Apfelsorten ’Jonagold‘,’Rubinette‘ oder
’Pinova‘. Das mag für viele Betriebe ein arbeitswirtschaftliches Problem in der Haupterntezeit für Äpfel
darstellen. ’Xenia®‘ hat aber ein relativ weites Erntefenster, da die Früchte fest am Baum hängen bleiben. Die
Lagerfähigkeit der Sorte leidet unter einem um bis zu 10 Tage verschobenen Erntetermin nicht, so dass die Sorte durchaus als
arbeitswirtschaftlicher „Lückenfüller“ für die Auslastung von Saison-Arbeitskräften während der
Apfelernte dienen kann, wenn dort z.B. auf die Ausfärbung der Früchte gewartet werden muss.
Ertrag, Fruchtqualität und Lagerung
In einem mehrjährigen Bundessortenversuch zu neuen Birnensorten auf sieben Standorten in Deutschland, der sich über alle
bedeutenden Anbaugebiete vom alten Land bei Hamburg bis hin zum Bodensee erstreckte konnten hinsichtlich der Ertragsleistung von
’Xenia®‘ im Vergleich zu Standardsorten und Neuzüchtungen sehr eindeutige Ergebnisse erzielt werden. Auf allen
Standorten erbrachte ’Xenia®’ den höchsten Gesamtertrag (Tabelle 1), welcher sich auch statistisch absichern
ließ. Die Sorte liegt damit über dem Niveau der Vergleichssorte ’Conference’. Gleich hohe Erträge wie
’Conference’ hatten die Neuzüchtungen ’HW 620’, ’Schöne Helene’ und ’Karina’.
’Xenia®‘ weist somit eine sehr gute ökologische Bandbreite auf. Sie ist auf nahezu allen obstbaulich geeigneten
Standorten in Deutschland anzubauen. Natürlich gilt aber auch für ’Xenia®‘ das geflügelte Wort des
sogenannten „Birnenstandortes“, sprich der guten Lage. In guten Lagen in der mittleren Neckarregion erbringt die Sorte
regelmäßige Erträge von 60-70 Tonnen je Hektar.
Tabelle 1: Bundessortenversuch 2006 - 2009, Mittelwerte von 7 Standorten, Einzelfruchtgewicht und
Fruchtgrößensortierung neuer Birnesorten
SNK = Signifikanz multipler Mittelwertsvergleich, TUKEY-Test, Irrtumswahrscheinlichkeit P<5%; Ergebnisse aus dem Arbeitskreis
obstbaulicher Leistungsprüfung
Bei den qualitativen Merkmalen spielt als erstes die Fruchtgröße eine Rolle. Die ideale Fruchtgröße bei Birnen bewegt
sich zwischen 60 und 85 mm Fruchtdurchmesser. Darunter oder darüber sind sie schwer zu vermarkten. ’Xenia®‘ ist
in Abhängigkeit vom Ertrag eine großfrüchtige Sorte (siehe Tabelle 1). In den ersten Standjahren und bei geringem Behang ist
das Fruchtgewicht gerne über 400 Gramm, in der Vollertragsphase und bei gutem Behang dagegen nur bei cirka 300 Gramm. Sie gehört
in die Sortierkategorie von ’Alexander Lukas’, wo sie einen Packout von 56,3% erzielt. Wenn man die 5 mm Sortierklasse bis 90
mm noch dazu nimmt, liegt der Packout sogar bei 85,2%. Es ist daher wichtig bei ‚Xenia®‘ hohe Erträge zu erzielen,
damit die Fruchtgröße im optimalen Segment liegt.
Die Fruchtberostung ist ein weiteres Kriterium zur Beurteilung der optischen Qualität von Birnen. Stark berostete Früchte
akzeptiert der Verbraucher weniger, wie solche ohne Berostung. Im Vergleich zur Standardsorte ’Conference’, die einen mittleren
bis starken Berostungsgrad in allen Versuchsanstellungen aufweist, liegt die Sorte ‘Xenia®‘ in ihrer
Berostungstendenz deutlich darunter. Sie hat lediglich einen geringen bis mittleren Berostungsindex. Hinsichtlich der
Farbausprägung ist ‘Xenia®‘ eine klassische Birnensorte. Ohne jede Deckfarbe und mit einheitlich grüngelber
Grundfarbe, sowie typischer Birnenform entspricht sie idealerweise der Vorstellung des Verbrauchers von einer Birne.
Hinsichtlich Fruchtfleischfestigkeit und Zuckergehalt fällt auf, dass ’Xenia®’ trotz hohem Ertragsniveau mit
durchschnittlich 12,8 % Brix einen deutlich höheren Zuckergehalt aufweist, als andere gleichfalls stark tragende Sorten, wie z.B.
Conference mit nur 11,8 % Brix. Der höhere Zuckergehalt ist eine wesentliche Ursache für den guten Geschmack dieser Sorte, die
sowohl Liebhaber von festen Birnen („Hartesser“) als auch von schmelzenden Früchten („Weichesser“) anspricht.
Auch in extrem heißen Sommern bildet die Sorte kaum Steinzellen aus, die den Geschmack beeinträchtigen könnten. Aufgrund
ihrer Herkunft aus Moldawien ist sie an trockenes und heißes Klima bestens angepasst.
‘Xenia®‘ hat mit 5,9 kg/cm2 eine gute Fruchtfleischfestigkeit, die während der Lagerung und sogar
Nachlagerzeit erhalten bleibt. Im Kühllager war die Sorte bei minus 0,5 Grad bis in den März/April hinein lagerfähig ohne
die Festigkeit zu verlieren. Bemerkenswert ist auch das gute Nachlagerungsverhalten („ShelfLife“) bei Zimmertemperatur, wo die
Früchte bis zu 10 Tage nicht weich werden oder gar verderben. Danach setzt über den vertrocknenden Stiel am Stielansatz Welke
ein. Die Festigkeit und Saftigkeit des Fruchtfleisches bleibt aber über lange Zeit erhalten, eine Eigenschaft die im
Lebensmitteleinzelhandel und beim Endverbraucher von großem Vorteil ist.
Seit 2008 wurden auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen und am Max Rubner Institut in Karlsruhe Versuche mit ’Xenia®’ zur
Lagerung unter kontrollierter Atmosphäre gefahren. Am wichtigsten für die Langzeitlagerung ist eine Lagertemperatur von unter
Null Grad. Die besten Ergebnisse wurden bei einer Temperatur von minus 0,5 bis minus 1 Grad erzielt. Die Kohlendioxidgehalte bewegen sich
optimalerweise bei 1-2 Prozent, der Sauerstoffgehalt bei 1,5 Prozent. Erstlingsfrüchte von jungen Bäumen und zu große
Früchte (> 90 mm) eignen sich nicht für eine Langzeitlagerung. Bei optimaler Einstellung des CA-Lagers war eine Birnenlagerung
bis Ende Mai problemlos möglich. Auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen werden Früchte dieser Sorte bis Ende Juni verkauft.
Tabelle 1: Ertragsvermögen neuer Birnensorten, Bundessortenversuch 2006-2009, Mittelwerte aus 7 Standorten, Einzelfruchtgewicht und
Fruchtgrößensortierung neuer Birnensorten, SNK = Signifikanz multipler Mittelwertsvergleich TUKEY-Test,
Irrtumswahrscheinlichkeit P<5%, Ergebnisse aus dem Arbeitskreis obstbauliche Leistungsprüfung
Wachstum, Erziehung und Schnitt
Hinsichtlich des Baumwachstums ist ’Xenia®‘ geringfügig stärker einzustufen als die Standardsorte Conference.
Trotzdem liegt auch der relative Ertrag (das Verhältnis von Ertrag bezogen auf die Wuchsleistung eines Baumes) höher als bei der
Standardsorte ’Conference‘. Besser als die normale Spindelerziehung ist bei ’Xenia®’ die Erziehung als
3-Ast-Hecke oder U-Form bzw. Bi-Baum (siehe Bilder). Im Gegensatz zu anderen Birnensorten schneidet man nicht auf altes Fruchtholz, sondern
sorgt durch Anschnitt für steten Neuzuwachs und jährige Triebe. Dadurch wird die Blüte und Fruchtung am einjährigen
Holz gefördert und man vermeidet die Ausbildung zu großer Früchte am mehrjährigen Holz. Bei der Heckenerziehung
führt man diese Schnitte automatisch aufgrund der Standraumbegrenzung durch. Dreijährige Versuche zu Erziehungssystemen bei
Xenia® erbrachten bei der Erziehung als 3-Ast-Hecke höhere Erträge als bei der Spindel oder der Erziehung im Mikadosystem.
Auf Praxisbetrieben hat sich die U-Form bewährt.
Erziehung als 3-Ast Hecke |
Die U-Form ist ein geeignetes Erziehungssystem |
Anfälligkeiten und Krankheiten
Auf zwei Standorten war im Bundesversuch zu neuen Birnensorten Feuerbrand aufgetreten. Während die resistenten Sorten aus Harrow
(Kanada) keinen Befall aufwiesen, waren alle rotgelben Sorten mit ‘Nordhäuser Winterforellenbirne‘ als Elternteil
mindestens mit 50% aller Bäume befallen. Bei ‘Xenia®‘ war aufgrund ihrer Herkunft und den Elternsorten eine
Toleranz gegenüber Feuerbrand nicht zu erwarten. Trotzdem erwies sich die Sorte als zumindest nicht besonders anfällig oder eher
robust gegenüber dieser Bakterienkrankheit.
Während die Bäume im Bundesversuch auf Quitte A mit Zwischenveredelung ‘Gellerts Butterbirne‘ aufgepflanzt waren,
wurden spätere Neupflanzungen mit ‘Xenia®‘ direkt auf der Unterlage Quitte A vorgenommen. Hier zeigte sich nach vier
Jahren eine starke Unverträglichkeit zur Veredelung direkt auf Quitte (siehe Bilder). Die Unverträglichkeit beginnt anfangs mit
chlorotischen Blattverfärbungen (Eisenmangelchlorose) und äußert sich entsprechend stark auf alkalischen Standorten (pH >
7). Später treiben die Bäume im Frühjahr zwar noch aus, kümmern aber und sterben im Laufe des Jahres ab. Wenn man die
Veredelungsstelle am Übergang von der Quittenunterlage zur Birnensorte anschneidet, dann findet man eine klare Trennlinie zwischen den
beiden Veredelungspartnern. Bei den Bäumen mit Zwischenveredelung ‘Gellerts Butterbirne‘ ist diese Trennlinie nicht zu
finden und sowieso nicht bei artechten Veredelungen wie z.B. auf Pyrodwarf. Um Verträglichkeitsproblemen von vorne herein aus dem Wege
zu gehen, ist es daher empfehlenswert Bäume mit Zwischenveredelung zu Pflanzen.
Unverträglichkeit bei ’Xenia®’, nach Austrieb abgestorbener Baum, im Hintergrund chlorotischer Baum |
Sägeschnitt durch die Veredelungsstelle, Trennlinie zwischen Quittenunterlage (unten) |
Fazit
Unter Beachtung der Besonderheiten hinsichtlich Unterlagen/Edelsorten-Kombination, Erziehungssystem und Schnitt, sowie der
Lageransprüche von ‚Xenia®’ erscheint der erfolgreiche Anbau dieser Birnensorte unproblematisch. In die
Überlegungen zur Sortenplanung eines Betriebes sollte auch mit einfließen, ob und wie lange die Standardsorte ’Alexander
Lucas’ überhaupt noch eine „sichere Bank“ im Birnenanbau in Deutschland darstellt.