Oidium-
Von Dr. Walter K. Kast
LVWO Weinsberg
Im Gegensatz zu den Pilzkrankheiten Peronospora und Botrytis existiert beim Oidiumerreger eine deutliche Abhängigkeit vom Befall im Vorjahr. Der Oidiumbefall entwickelt sich in der Regel in Wellen, die über mehrere Jahre dauern und sich mit ansteigender und abfallender Gefahr hinziehen . Deshalb ist zu Beginn der Saison zumindest vorprogrammiert, wie sich die Epidemie entwickeln wird. Optisch sichtbar wird der Mehltaubefall erst, wenn es zu spät für eine sachgerechte Bekämpfung ist. Wenn der Befall mit bloßem Auge erkennbar wird, hat sich der Oidiumpilz schon über längere Zeit unbemerkt vermehrt. Vorausschauendes Handeln ist deshalb besonders wichtig.
Der Oidiumpilz überwintert in Mitteleuropa überwiegend in den Knospen der Reben. Diese besiedelt er sehr frühzeitig, solange sie äußerlich noch grün sind, unmittelbar unterhalb der Triebspitze. In der Regel entwickeln sich die angeschnittenen Knospen im Vorjahr bereits vor der Rebblüte so weit, dass die äußeren Knospenteile absterben und vom Rebenmehltau nicht mehr besiedelt werden können. Ein frühes Mehltau-Auftreten ist deshalb Voraussetzung für eine gute Knospenbesiedlung. Aus den besiedelten Knospen entwickeln sich teilweise sogenannte "Zeigertriebe" (Abbildung 1). In vielen Fällen ist jedoch nur ein kleiner Teil der Knospe besiedelt und es entwickelt sich sehr unauffällig ein nur leicht verkrüppeltes Blatt mit Mehltaubefall. Frühes Auftreten bedeutet jedoch immer einen starken Befallsdruck, da in diesen Fällen während der anfälligen Phase ("Mehltau-Fenster"; Zeitraum kurz vor der Blüte bis Beerengröße ca. 2 Millimeter) ein große Sporenmenge, auf die hoch anfälligen jungen Beeren trifft. Eine starke Besiedlung der Trauben durch Oidium ist deshalb eng verknüpft mit einer starken Knospenbesiedlung.
Abbildung
1: Zeigertrieb
bei der
Rebsorte
Kerner
Statistische
Zusammenhänge
Vor mittlerweile fast 30 Jahren wurde von Oppenheimer Kollegen ein
Zusammenhang zwischen den Bedingungen im Winter (tiefste
Temperaturen im Winter) und dem Auftreten des Oidiumerregers
entdeckt. Die Weinsberger Ergebnisse belegen, dass insbesondere
nach einer Aufeinanderfolge von zwei milden Wintern die
Mehltaugefahr besonders hoch ist. Eine biologische Erklärung
für diesen Zusammenhang konnte bisher nicht gefunden werden.
Eine weitere signifikante Korrelation wurde in den Weinsberger
Daten festgestellt: je geringer die Niederschläge im Januar,
desto stärker war der Mehltaubefall im darauf folgenden
Sommer.
Selbstkontrollieren
Entscheidend für den Befallsdruck der eigenen Anlage ist nicht nur die Besiedlung der eigenen Reben. Da Mehltau-Sporen sich sehr großräumig ausbreiten, ist der Befall der gesamten Reblage das entscheidende Kriterium. Beim Rebschnitt im Winter kann man die Besiedelung des Rebholzes äußerlich an typischen Verfärbungen, den Oidium-Figuren (Abbildung 2), erkennen. Im vergangenen Winter waren solche Verfärbungen im Anbaugebiet Württemberg vor allen Dingen an den Geiztrieben der anfälligeren Sorten Trollinger, Kerner und Müller-Thurgau zu finden. Dies deutet darauf hin, dass ein gewisses Überwinterungspotenzial durchaus vorhanden sein dürfte.
Abbildung 2: Oidium-Figuren am Rebholz
Beurteilung
der
Situation
2008
Die statistischen Zusammenhänge deuten darauf hin, dass sich
der Oidiumerreger 2008 relativ stark entwickeln kann. Wir
haben eine Aufeinanderfolge von 2 milden Wintern hinter uns.
Die unterdurchschnittlichen Niederschläge im Januar sprechen
auch für ein verstärktes Auftreten dieses Schaderregers.
In allen Reblagen, in denen zumindest in einzelnen Weinbergen
Mehltaubefall an Trauben festgestellt wurde, ist mit einem
frühzeitigen und starken Auftreten von Oidium zu
rechnen.
In diesem Fall sollte bei den anfälligen Sorten ca. eine Woche vor Beginn der Rebblüte, in der Regel bei der zweiten Routinebehandlung, ein besonders potentes Mittel gewählt werden. Ein konsequenter Einsatz solcher Mittel während der Zeit des "offenen Mehltau-Fensters" bis kurz nach der Blüte, kann die Besiedlung der Beeren verhindern. Die weiteren Behandlungen sind dann von völlig untergeordneter Bedeutung. Schwachstellen und Fehler in dieser entscheidenden Phase führen bei der zu erwartenden frühzeitigen Entwicklung der Epidemie zu irreparablen Schäden. Zu frühe Behandlungen, bevor die Reben mindestens fünf Blätter entwickelt haben, haben keine Auswirkungen auf die Befallsentwicklung bei Oidium und wiegen den Winzer oft nur in trügerischer Sicherheit.