Der Hitzesommer 2018 - ein zweites 2003?
Dr. Dietmar Rupp und Lothar Tränkle, LVWO Weinsberg |
Der diesjährige Sommer wird in die Hitzestatistik eingehen und erinnert die Weinbranche an den 15 Jahre zurückliegenden Hitzesommer 2003. Auch während der Vegetationsperiode 2018 lagen wie im Jahr 2003 die wichtigen Kennwerte der Temperatur weit über dem langjährigen Mittel. Exemplarisch für Württemberg zeigen dies die Stationsdaten der LVWO Weinsberg (Tabelle 1 und Abbildung 1). Auffallend sind vor allem die hohen mittleren Maxima des aktuellen Jahres 2018, lediglich der Juni war im Jahr 2003 noch wärmer als in diesem Jahr.
Abbildung 1: Kühle, warme, heiße und sehr heiße Tage in Weinsberg. Vergleich 2003/2018
Im Gegensatz zu 2003 war die Weinbaupraxis im aktuellen Jahr besser für eine langanhaltende Trockenheit gewappnet. Noch bis 2002 war die Bewässerung von Reben zur Qualitätsweinerzeugung nur auf wenige Ausnahmen beschränkt. Heute ist die Bewässerung im Bedarfsfall ein normales Instrument der Kulturführung. Wo möglich und notwendig, wurde seit 2003 die notwendige Infrastruktur (Tropfschläuche, Brunnen, Großtankwagen) aufgebaut bzw. angeschafft. Der aktuellen Vegetationsperiode 2018 standen in Weinsberg (inklusive „Winterfeuchte“ ab November) bis Ende August 414 mm Niederschlag zur Verfügung. Im Jahr 2003 waren es 495 mm, die Norm (1981-2010) liegt bei 623 mm. Sommerniederschläge sind punktuelle Ereignisse und nicht immer effizient. Bei Starkregen kann der Boden nicht alles aufnehmen, zudem ist der Verdunstungsanspruch im Sommer deutlich erhöht.
Um Jahrgänge oder Witterungsphasen zu vergleichen, reicht es nicht, Niederschlagssummen oder Temperaturwerte gegenüber zu stellen. Vielmehr muss das zeitliche Zusammenspiel von Temperatur, Regenmenge und Verdunstung betrachtet werden. Ein einfacher, aber durchaus geeigneter Ansatz sind Klimadiagramme. Bei diesen werden Niederschlag und Temperatur in einem definierten Verhältnis grafisch dargestellt (Abb. 2 - 5). Mit gewissen Einschränkungen entspricht dann die Temperatur in etwa den Verdunstungswerten. Verläuft die Niederschlagskurve oberhalb der Temperaturlinie, dann gab es im Monatsmittel genug Feuchtigkeit für das Pflanzenwachstum. Im umgekehrten Fall war die Verdunstung höher als der Niederschlag. Sind in dieser Situation die Bodenvorräte aufgebraucht, dann folgt aus der negativen Wasserbilanz eine Trockenperiode. Entwickelt wurden Klimadiagramme zur Kennzeichnung langfristiger Wuchsbedingungen. In der Regel basieren sie auf 30-jährigen Mittelwerten einer Wetterstation.
Mit einjährigen Daten sind solche Darstellungen demzufolge keine Klimadiagramme, doch zeigen sie auf einen Blick die Ausprägung eines längeren Witterungsabschnitts. Dies ermöglicht die rasche Vergleichbarkeit mit Vorjahren oder Normwerten. Allerdings birgt die vereinfachende Anwendung für ein Jahr auch Schwächen. So kann etwa eine dreiwöchige Durststrecke durch einen kräftigen Gewitterguss am Monatsende maskiert werden. Die Abbildungen 2, 3 und 4 zeigen das langjährige Mittel in Weinsberg (1981-2010) und die in etwa vergleichbare Situation im Jahr 2003 und 2018 (einschließlich September). Beide Jahre eint das deutliche Niederschlagsplus im Januar, fehlender Regen im Sommer und anhaltende Hitzeüber mehrere Wochen. Der Trend zu höheren Temperaturen ist Tatsache, doch am Neckar wird sich kein andauerndes Mittelmeerklima einstellen. Andererseits lässt sich für das erste Halbjahr 2018 eine gewisse Ähnlichkeit zu den Verhältnissen an der Côte d’Azur nicht ganz verneinen (Abb. 5).
Der Wasservorrat eines Bodens hängt ab von seinem Speichervermögen, der Niederschlagsmenge bzw. der Niederschlagsverteilung und der jeweiligen Verdunstungsrate. Diese wird im Wesentlichen von der Sonneneinstrahlung (Globalstrahlung), dem Wind und der Bodenoberfläche bzw. dem Pflanzenbewuchs bestimmt. Anders als 2018 war 2003 bereits der März außergewöhnlich sonnig und warm (Tabelle 1). Zusammen mit dem heißen Juni sicher einer der Gründe, warum es im Jahr 2003 - im Gegensatz zu 2018 - schon Anfang Juli zu starken Trockenschäden kam.
Die wichtigen Wegpunkte der Rebenentwicklung (Austrieb, Blüte, Reifebeginn) sind vor allem temperaturabhängig. Eine hohe Energiezufuhr durch Sonneneinstrahlung mündet zwangsläufig in hohen Temperaturen. Fehlt es nicht an Wasser und Nährstoffen, dann sind bei ausreichenden Strahlungswerten (= hohen Temperaturen) auch hohe Reifegrade der Trauben möglich. Temperatursummenwerte spielen daher bei der Bewertung von Weinbauregionen bzw. der weinbaulichen Eignung von Standorten schon immer eine bedeutende Rolle. Auch Klimaforscher nutzen die Temperatursummen. Mit ihnen lassen sich Veränderungen des vorhandenen Wuchsklimas darstellen oder gar Verschiebungen der Anbauzonen prognostizieren. Weit verbreitet ist die Temperatursummenzahl, die der französische Rebenphysiologe Pierre Huglin 1986 vorgestellt hat. Bei diesem „HUGLIN-Index“ werden für die Zeitspanne vom 1. April bis zum 30. September eines Jahres die täglichen Mittel- und Maximalwerte der Temperatur verrechnet, mit einem Ortsfaktor gewichtet und anschließend aufsummiert. Der Index des Colmarer Rebenforschers eignet sich auch zur Charakterisierung der einzelnen Rebsorten. An kühle Regionen angepasst sind demnach Müller-Thurgau, Riesling oder Spätburgunder (1500 – 1700 Grad), ins Mittelfeld gehören Lemberger, Cabernet Franc, Merlot oder Cabernet Sauvignon (1700 -1900 Grad). In heiße Regionen passen Grenache, Syrah oder Carignan (2100 – 2200 Grad).
Abbildungen 1 - 4: Klima-, bzw. Witterungsdiagramme nach WALTER (1979).
Dargestellt sind die Monatssummen des Niederschlags (durchgezogen) und die
Monatsmittelwerte der Temperatur (gestrichelt). In der Kopfzeile: Lage der Station
(Breitengrad, Meereshöhe),Jahresmittel der Temperatur und jährlicher Niederschlag.
Der jahreszeitliche Verlauf dieser Summenkurven wiederum
ist gut geeignet, um die Reifegeschwindigkeit bzw. die Verfrühung oder die Verspätung eines Jahrgangs gegenüber dem
langjährigen Vergleich zu verstehen. Abb. 6 zeigt die Entwicklung des HUGLIN-Index für die Wetterstation der LVWO Weinsberg. Nach
einem flachen Startbereich lässt die deutliche Steigungszone der Kurven die warmen Sommermonate erkennen. Mit den kühleren Tagen
ab Ende August und im September flachen die Kurven allmählich ab. Der Kurvenverlauf des Jahres 2018 eilte dem langjährigen Wert
um drei bis vier Wochen voraus. Der Vorsprung gegenüber 2003 betrug fast durchgängig eine Woche. Kombiniert man die erreichten
Summen mit den Ansprüchen einzelner Sorten, dann war es in Weinsberg im Jahr 2003 und auch 2018 sogar für Sorten wie etwa
Cabernet Sauvignon zu warm!
Abbildung 5:
Summenkurven des HUGLIN-Index in Weinsberg. Die Wetterstation der LVWO Weinsberg
befindet sich in ebener Lage außerhalb des Rebengeländes. Für südlich ausgerichtete
Hanglagen sindzu den einzelnen Jahressummen etwa 150 Grad hinzu zu rechnen.
Zusammenfassung:
Die
Vegetationsperioden der Jahre 2003 und 2018 sind im Vergleich zur langjährigen Norm als sehr warm und trocken einzustufen. Die
wichtigen Kennwerte der Temperatur (Monatsmittel, mittlere und absolute Maxima) und der monatlichen Regenmengen sind für beide Jahre
auf ähnlich hohem bzw. niedrigem Niveau. Deutlich wärmer als im Jahr 2003 war 2018 der Monat April.
Im Jahr 2003 lieferten dagegen Juni und August höhere Mittel- und Maximalwerte. In beiden Jahren war die Anzahl der der Sommer- und
Tropentage fast gleich (Sommertage 2018: 94; 2003: 94; Norm: 52 // Tropentage 2018: 31; 2003: 32; Norm: 12). Herausragend sind nach wie vor
die extrem heißen Tage des Jahres 2003. An neun Tagen stieg die Temperatur über 35° C, 2018 war dies nur 3 Mal der
Fall.
Anmerkung:
Der vorstehende Text beschreibt die Situation am Standort Weinsberg und erlaubt daher keine flächendeckende Aussage.
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