Entblätterung - Ein wichtiger Beitrag zur Gesunderhaltung der Trauben
Rudolf Fox und Peter Steinbrenner
LVWO Weinsberg
Obwohl in den letzten 3 Jahren witterungsbedingt nur geringe Fäulnisprobleme auftraten, war dies aufgrund der teils frühen Blüte zunächst kaum zu erwarten. Vielmehr muss wegen des globalen Klimawandels in Zukunft nicht nur mit einer früheren Blüte, sondern insbesondere mit einem früheren Reifebeginn sowie Reifung bei höheren Temperaturen gerechnet werden. Neben verbesserten Weinqualitäten hat dies erhebliche Folgen bezüglich Anfälligkeit der Trauben, was Botrytis, Essigfäule und Co. angeht. Kommen dann hohe Niederschläge hinzu, wie es 2006 der Fall war, schreiten in unzureichend abgehärteten Beständen die Fäulnisgrade besonders rasch fort. Unter den Bedingungen früher Herbste mit hohen Reifegraden, hohen Ernteguttemperaturen sowie insbesondere hohen pH-Werten verbunden mit geringer Wirkung von Schwefelgaben sind rasch mikrobiologisch kritische Verhältnisse gegeben. Hier ist gesundes Lesegut das A und O für eine saubere Gärung und fehlerfreie Weine. Nicht von ungefähr werden in den Erfassungsbetrieben seit einigen Jahren bei der Traubenannahme visuelle Kontrollen oder auch Messungen (Crapescan) vorgenommen, um besonders belastetes Lesegut (z. B. Essigsäure, Gluconsäure) erfassen und gegebenenfalls Abzüge bei der Auszahlung vornehmen zu können. Diese "erzieherische" Maßnahme ist zur Qualitätssicherung notwendig geworden und unterstreicht, dass hohe Mostgewichte, unter anderem verursacht durch starke Fäulnisgrade, vielfach eben nicht zu qualitätsgerechter Auszahlung führen bzw. nicht allein Garant für sortentypische Weine mit hoher Qualität sind. Auch die verstärkte Nachfrage nach Weinen mit ausgeprägtem, sortencharakteristischem Aroma aber auch kräftiger Farbe bei Rotwein stellt geänderte Anforderungen an das Traubengut. Aromareiche, farbkräftige Weine können nur aus gut belichtet herangewachsenen, gesunden Trauben mit optimalen Aroma-, Farbstoff- und Phenolgehalten, bei möglichst spätem Lesetermin gewonnen werden. Deutliche Botrytisnoten oder auch erhöhte "Flüchtige" im Wein werden heute vom Kunden selbst bei Spät- und Auslesen nicht mehr akzeptiert und führen neben erhöhten Kosten für die Kellereien zusätzlich zu Imageverlusten.
Die besonders im Jahr 2006 nötige selektive Lese, sofern sie überhaupt zeitmäßig zu bewältigen war, verursachte nicht nur Aufwand, sondern auch Kosten sowie nicht selten beachtliche wirtschaftliche Verluste. Für die Kulturführung bedeutet dies, dass alle Maßnahmen einschließlich der Entblätterung konsequent genutzt werden sollten. Die Kosten von ca. 300 €/ha für die maschinelle Entblätterung sind im Vergleich zu den oben angeführten Problemen dagegen nahezu zu vernachlässigen.
Nachdem für Gibberellin erneut nur eine befristete Zulassung vorliegt, Regalis lediglich für die Sorten Riesling, St. Laurent sowie Sauvignon blanc genehmigt wurde und dessen Wirkung als recht "launisch" einzustufen ist, stehen die vorbeugenden, abhärtenden Maßnahmen im Vordergrund - siehe Abbildungen 1 und 2. Dass hierzu bereits Unterlagen-, Sorten-, sowie die Klonenwahl (mehr oder weniger lockerbeerig) von Bedeutung sind, soll nur noch einmal in Erinnerung gerufen werden.
Abbildung 1: Indirekte Maßnahmen sind Grundlage der Fäulnisvorbeuge
Abbildung 2: Schwächeparasit Botrytis
Den gefürchteten, stärkeren Sonnenbrandschäden nach Entblätterung wird unter normalen Bedingungen durch frühe Termine und damit frühzeitig abgehärteten Beeren ebenfalls effizient vorgebeugt. Auch bei leichten Hagelschlägen muss jedoch mit größeren Schäden gerechnet werden.
Optimales Entwicklungsstadium abgehende Blüte bis Erbsengröße
Da die wertgebenden Inhaltsstoffe Aroma, Farbe und Phenole vornehmlich in der Schale gebildet werden und hierzu gute Belichtung notwendig ist, wird die gezielte Entblätterung vor allem bei Rotweinsorten als gestaltendes Element im Sinne der Weinqualität eingesetzt. Dass die bessere Belichtung und damit höhere Temperaturen im unmittelbaren Bereich unter der Beerenschale zu höherer Farbausbildung beiträgt ist bekannt. Ähnlich verhält es sich mit den farblosen Phenolen sowie bei den meisten Sorten auch den Aromen. Eine lockere Laubwand dient so nicht nur der Verbesserung der Belichtung, Belüftung und Abhärtung, sondern verändert auch über höhere Temperaturen im belichteten Teil der Beerenschale den Stoffwechsel. Dies trifft auch für den Äpfel- sowie in geringerem Maße den Weinsäureabbau zu und gebietet, vor allem bei säurearmen Weißweinsorten, lediglich moderat zu entblättern. Die Abhärtung der Beerenhaut ist mit eine der wichtigsten Voraussetzungen, um möglichst spät lesen zu können und damit das jahrgangs- und lagebedingte Maximum an Qualität zu erreichen. Die zeitige Auslichtung der Traubenzone, ab dem Stadium "abgehende Blüte" bis nahezu "Erbsengröße", führt über die zu diesem Zeitpunkt noch lebenden und damit auf die durch Entblätterung verstärkte Licht- und UV-Bestrahlung reaktionsfähigen Epidermiszellen zu einem besonders ausgeprägten Abhärtungseffekt. Ab etwa Erbsengröße verlieren die Epidermiszellen zunehmend ihre Reaktionsfähigkeit auf äußere Reize, das heißt der Abhärtungseffekt wird immer geringer.
Die verbesserte Laubwandstruktur in der Traubenzone führt daneben zu einer wesentlich besseren Applikationsqualität, das heißt, die Pflanzenschutzmittel gelangen besser dorthin wo sie wirken sollen. Einer der Hauptvorteile der Entblätterung ist deshalb der sehr ausgeprägte phytosanitäre Effekt. Wird vor dem Botrytizideinsatz zum Stadium Traubenschluss entblättert, wie es die Regel sein sollte, so ist mit einer deutlich besseren Wirkung, gerade gegen die gefürchtete, aus dem Traubeninneren kommende, Fäulnis zu rechnen.
Lockere Trauben sowie die Kombination mehrerer Maßnahmen sichern gesundes Lesegut
Ergebnisse verschiedener Versuchsansteller belegen, dass frühe Termine und eine intensive Vorgehensweise - ca. 2 bis 3 Blätter/Trieb - zu kleineren Beeren und damit lockereren Trauben führen. Dies bedingt gerade bei Sorten mit kompakten Trauben weniger gegenseitige Abquetschungen und deutlich weniger Fäulnis aus dem Traubeninneren. Auch in Abhängigkeit der Klone liegen beispielsweise bei Spätburgunder (Mariafeld oder L-Klone) oder Grauburgunder extreme Unterschiede im Traubenaufbau und damit der Anfälligkeit für Fäulnis vor. Dass ein ausgeglichenes Wachstum zu weniger kompakten Trauben führt und damit sowohl der Bodenpflege wie auch der Stickstoffdüngung eine hohe Bedeutung zukommen, soll in diesem Zusammenhang nochmals in Erinnerung gerufen werden - siehe hierzu die Abbildungen 1 und 2.
Besonders durch eine späte Traubenhalbierung und damit ebenfalls Auflockerung der Traubenstruktur, konnte der Botrytisbefall gegenüber alleiniger maschineller Entblätterung deutlich gemindert werden. Aus den Säulenhöhen in Abbildung 3 geht der positive Einfluss der Entblätterung auf die Befallsstärke einer zonenweise recht wüchsigen bzw. mageren Rieslingparzelle aus dem Jahr 2009 hervor. So unterscheidet sich die Befallsstärke zwischen "Wüchsig" und "Mager" enorm, wobei die Unterschiede in "Wüchsig" besonders groß sind. Hier werden auch zwischen dem frühen und späten Entblätterungstermin deutlichere Unterschiede sichtbar. Die Entblätterungsintensität hatte dagegen in diesem Versuch kaum einen Einfluss auf den Gesundheitsgrad. Der wüchsige Teilbereich war selbst bei hoher Entblätterungsintensität ( 2,1 Blätter/Trieb) in Verbindung mit dem frühen Termin bis zum Reifebeginn großteils wieder "zugewachsen" und die Trauben hingen, wie bei Riesling erwünscht, nicht völlig frei. Bei schwachem Wuchs mit geringer Geiztriebbildung blieb dagegen, besonders beim späteren Termin kurz vor Erbsengröße, die Traubenzone bis zur Lese sehr locker. Dies bedingt eine intensive Traubenbelichtung und kann bei Weißweinen zu einer ungünstigen Beeinflussung des Stoffwechsels, was die Aromaausprägung aber auch den Säureabbau angeht, führen.
Abbildung 3
Auch im extrem unterschiedlichen Traubengewicht – siehe Abbildung 4 – wird der prägende Einfluss der Wuchsstärke deutlich. Aus den Säulenhöhen geht daneben hervor, dass die frühen Termine in der Variante "Wüchsig" die Traubengewichte und damit den Ertrag, wie erwünscht, leicht reduziert haben. In der Variante "Mager" haben alle Entblätterungsvarianten (Erogerät) zu erheblicher Reduktion der Traubengewichte und damit den Erträgen geführt. Im Mittel wurden in "Wüchsig" 129 kg/a und in "Mager" 84 kg/a erzielt. Die Mostgewichte unterscheiden sich mit 90 °Oe in "Mager" und 85 °Oe in "Wüchsig" entsprechend der unterschiedlichen Ertragsmengen wobei sich die Entblätterung selbst nicht auf den Reifegrad ausgewirkt hat. Der recht große Unterschied der Säuregehalte von 8,2 g/l in "Mager" gegenüber 9,2 g/l in "Wüchsig", zeigt den starken Einfluss der mehr oder weniger intensiven Traubenbelichtung auf. Die ermittelten Holzgewichte von 40 kg/a Frischsubstanz in "Wüchsig" sowie 23,1 kg/a in "Mager" unterstreichen die vorliegenden extremen Bedingungen mit übermäßigem Wachstum einerseits und zu schwachem Wuchs andererseits.
Abbildung 4
In Versuchen beim dichtbeerigen Grauburgunder hat die Kombination von Entblätterung und Botrytizid, wie in der Praxis üblich, einen Wirkungsgrad von über 70% erbracht. Im Jahr 2009 wurden bei Grauburgunder die Varianten "Hand", "Binger" sowie "Ero" bei hoher Entblätterungsintensität jeweils kurz nach der Blüte mit und ohne Gibberellinanwendung geprüft. Die Auszählung der entfernten Blätter/Trieb ergab bei Hand 2,5, bei Binger 1,4 sowie bei Ero 2,1, wobei bei letzterer - wie erwünscht - zusätzlich ca. 30% der Trauben angeschnitten wurden. Entsprechend der Versuchsanstellung kam es vor allem bei Ero zu einer etwa 20%igen Ertragsreduktion. Auch alle anderen Entblätterungsvarianten erbrachten gegenüber dem Vergleich gesichert geringere Erträge. Dies dürfte vor allem durch die Ausbildung kleinerer Beeren bedingt gewesen sein. In allen zusätzlich mit Gibberellin behandelten Parzellen trat unter den Bedingungen der ungünstigen Blütewitterung in 2009 eine nochmals leicht verstärkte Ertragsreduktion ein. Der wesentlich bessere Biegeindex von 2,04 in der Variante "Handentblätterung plus Gibberellin" gegenüber 3,26 in der Variante "Vergleich", zeigt den enormen Lockerungseffekt dieser Maßnahmenkombination auf. Durch die Kombination von Entblätterung, Bioregulatoren plus Botrytizid konnte der Wirkungsgrad nochmals gesteigert werden. Diese Ergebnisse bestätigen die positive Wirkung der Entblätterung und lockerer Trauben auf die Belagsbildung beim Botrytizideinsatz. Der Praxis steht somit neben der Klonenwahl, dem Einsatz von Bioregulatoren, der Entblätterung und der Botrytizidanwendung ein Bündel von Maßnahmen zur Verfügung, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig gegen den Schwächeparasit Botrytis sowie insbesondere den Sekundärerreger Essigfäule ergänzen. Durch die gezielte Anwendung beziehungsweise Kombination lassen sich somit auch unter starkem Befallsdruck beachtliche Wirkungsgrade erzielen. Wichtig hierbei ist, konsequent vorbeugend zu arbeiten. Durch den erheblich geminderten Leseaufwand kann die investierte Arbeitszeit teils mehr als ausgeglichen werden. So ermittelte Lay, Chr. in seiner Technikerarbeit (2009) je nach Gesundheitszustand und Behang einen Leseaufwand am Rebstock zwischen 50 bis 128 Akh/ha. Auch der Vorlese- sowie der Faulanteil am Gesamtlesegut unterscheidet sich bei mehr oder weniger starkem Fäulnisdruck in Abhängigkeit von der Lage - siehe Abbildung 5 - erheblich. In stärker gefährdeten Hangfußlagen ist die konsequente Entblätterung deshalb besonders Vorteilhaft und trägt zu einem wesentlich größeren Anteil gesunden Lesegutes und einer Minderung des Handleseaufwandes bei.
Abbildung 5
Sorten- sowie vitalitätsangepasst vorgehen
Besonders bei Rotweinsorten empfiehlt sich die kräftige, beidseitige Entblätterung, das heißt die Entfernung von mindestens 2 Blättern pro Trieb. Als Ausnahme bezüglich der Entblätterung ist der Dornfelder zu betrachten. Er ist weniger fäulnisanfällig und weist ohnehin schon ein ungünstiges Blatt-/Fruchtverhältnis auf.
Bei Weißweinsorten kann die bessere Belichtung der Trauben verbunden mit höheren Beerentemperaturen zu unerwünscht starkem Äpfelsäureabbau sowie Aromenveränderung, weg vom Sortentyp, führen. Besonders in frühen Jahren oder auch bei eher schwächerem Wuchs ist diesem Aspekt durch die angepasste Vorgehensweise Rechnung zu tragen. Deshalb sollte bei mittlerer Wüchsigkeit bei den Sorten Müller-Thurgau, Muskateller, Traminer, Kerner, Silvaner und Riesling weniger stark sowie vor allem von der Ostseite her ausgelichtet werden. Nahezu Gleiches trifft für den Trollinger zu. Ausnahmen bei den Weißweinsorten sind Grauburgunder, Weißburgunder und Chardonnay, die durchaus frühzeitig und kräftig ausgelichtet werden können, ohne ihr sortentypisches Profil zu verlieren.
Bei Sauvignon blanc mit seinen recht kompakten Trauben, früher Reife und dadurch recht hoher Anfälligkeit für Botrytis und Essigfäule gebietet sich eine ausreichende Auslichtung. Hier ist jedoch die Balance zwischen notwendiger Entblätterung zur Fäulnisvorbeugung und ausreichender Beschattung der Trauben zur Erhaltung der licht- und temperaturempfindlichen Methoxypyrazine ("grüne" Noten) nicht einfach. In unseren Versuchen mit kräftiger Entblätterung kurz nach der Blüte war die Traubenzone über die starke Geiztriebbildung dieser Sorte rasch wieder weitgehend geschlossen das heißt, die Trauben waren lange vor der beginnenden Reife größtenteils wieder beschattet.
Bei zeitgerechter, früher Entblätterung sowie starkem Wuchs ist allgemein auch bei den zuvor genannten Sorten eine intensive Vorgehensweise angezeigt, um wirklich einen Erfolg zu erzielen. Schwacher Wuchs und spätere Termine sprechen dagegen eher für einen verhaltenen Eingriff. Bei starkem Trockenstress ist eine Entblätterung nicht sinnvoll und ergibt eher Nachteile als Vorteile, besonders im Hinblick auf die Aromatik bei Weißwein. Um Nachteile in Richtung Weinqualität und Sonnenbrandgefährdung zu vermeiden, ist auf jeden Fall der Zeitraum bis spätestens Erbsengröße einzuhalten.
Technik ermöglicht weitere Einsatzfelder
Bei Sorten mit langen, ausgedehnten Stielgerüsten kann durch die intensive Entblätterung mit rotierenden Werkzeugen bei entsprechender Geräteeinstellung zum Entwicklungsstadium "in den Hang gehen" ein beachtlicher ertragsregulierender Effekt erzielt werden. Neben den direkten Traubenverletzungen trägt die krasse Laubreduzierung während der Hauptbeerenwachstumsphase zu Ausbildung wesentlich kleinerer Beeren bei. Diese intensive Vorgehensweise mit der Entnahme von 1,8 bis ca. 2,5 Blättern/Trieb sowie einem deutlichem Eingriff in die Traubenstruktur hat auch in anderen Versuchen mehrjährig zu guten Erfolgen bezüglich Gesundheit sowie Weinqualität geführt.
So konnte der Ertrag durch die mehr oder weniger "scharfe" Einstellung des Eroentlaubers bei Lemberger im Mittel der Jahre 2008/09 um 40 bzw. sogar 110 kg/a reduziert werden - siehe Abbildung 6. Im Mostgewicht lagen dabei lediglich 2 bzw. 5,3 °Oe Unterschied vor. Bei den ermittelten Traubengewichten im Jahr 2009 - siehe Abbildung 7 - wird der erwünscht hohe Ausdünnungseffekt ersichtlich - siehe hierzu auch Abbildung 8.
Abbildung 6
Abbildung 7
Abbildung 8: Hohe Entblätterungsintensität bei doppelter "Bandbreite" bei Lemberger
Auch bei der Sorte Acolon - siehe Abbildung 9 - konnte mit dem Eroentlauber durch scharfe Einstellung bei "weitem" Gitter, verbunden mit hoher Entblätterungsintensität eine beachtliche Reduktion von Ertrag und Traubengewicht - nahezu gleichauf mit den Daten aus der Parzelle "Traubenhalbierung zum Reifebeginn" - erzielt werden. Mit 2,5 Blättern/Trieb und immerhin 45% angeschnittener Trauben wurde nahezu jede 2. Traube verkleinert. Bei den gezielt parallel laufenden Versuchen zur Ertragsregulierung mit der Erntemaschine wurde das Ertragsniveau bei Acolon erst mit der Einstellung hoher Intensität unter dasjenige von Ero mit scharfer Einstellung gedrückt. Aus Sicht der Einsparung von Arbeitszei und Kosten ist dieses Ergebnis bzw. der mögliche stark ertragsreduzierende Effekt durch Entblätterungsgeräte bei reichtragenden, großtraubigen Sorten insofern interessant, als das Ertragsniveau nur noch mit geringem Korrekturaufwand von Hand reguliert, oder z. B. auf den Einsatz der Erntemaschine zur Ertragsregulierung verzichtet werden kann.
Abbildung 9
Auch bei Sorten mit kompakten Trauben ist die "Traubenverletzung" zum frühen Stadium eher als erwünscht anzusehen. Vor diesem Hintergrund sind Entblätterungsmaschinen die über entsprechende Einstellmöglichkeiten verfügen besonders interessant.
Ein weiteres Einsatzfeld von Entblätterungsgeräten ist im oberen Laubwandbereich zum Stadium Reifebeginn mit dem Ziel der Reifeverzögerung denkbar. Nachdem unter den derzeitigen Klimabedingungen vielfach die Zucker- und Säurereife der physiologischen Reife vorauseilt, wäre zumindest bei frühreifen Sorten eine Reifeverzögerung, unter dem Aspekt geringerer Fäulnisanfälligkeit, wünschenswert. Auch geminderte Alkohollastigkeit bei Weißweinen könnte ein Ziel solcher Maßnahmen sein. Wird zum Reifebeginn in der hier besonders aktiven oberen Laubwandzone entblättert, ist mit erheblich verminderter Assimilatproduktion und verzögertem Reifefortschritt zu rechnen. Können die zunächst unreiferen und weniger fäulnisanfälligen Trauben bei geringeren Mostgewichten/Alkoholgehalten relativ spät und bei hoher physiologischer Reife, verbesserter Aromareife sowie höheren Extrakt- und Aminosäurewerten gelesen werden, wäre dies hochinteressant. Erste Ergebnisse aus 2008 bei 5 verschiedenen Sorten ergaben im Mittel bei ca. 10 Tagen späterer Lese eine Ertragsreduktion von über 10 kg/a, bei nahezu gleichen Mostgewichten und Säurewerten. Diese Daten müssen vor dem Hintergrund des geringen Energieangebotes während der Reifephase in den beiden letzten Jahren bewertet werden und erlauben deshalb noch keine definitiven Aussagen. Diese Vorgehensweise hat gegenüber z. B. kürzeren Laubwänden durch früheren Laubschnitt den Vorteil, dass sie je nach Vegetationsstand/Jahrgang, Lage und Sorte variiert oder auch unterlassen werden kann. Nachdem frühreife Sorten jahreszeitlich früher sowie vielfach noch bei intaktem Laub gelesen werden, ist hier eine Nachreife zu erwarten und damit ein geringerer negativer Einfluss auf Holzreife/Frostfestigkeit/Fruchtbarkeit im Folgejahr zu erwarten.
Das klimawandelbedingt höhere Energieangebot lässt darauf schließen, dass die seither als notwendig erachtete Blattfläche von 20-22 cm²/g Traube zukünftig durchaus unterschritten werden kann, ohne Nachteile bei Mostgewicht sowie Holzreife in Kauf nehmen zu müssen. Der Aspekt Laubflächenreduktion durch Entblätterung ist deshalb auch vor dem Hintergrund der geringeren Verdunstungsfläche und damit reduziertem Wasserbedarf der Rebe ein interessanter Ansatz.
Fazit
Die Entblätterung stellt ein wichtiges, gestaltendes Element im Sinne der (Rot-)Weinqualität dar. Termin-, wuchs- sowie sortengerecht eingesetzt ergeben sich beachtliche Vorteile, in Bezug auf Aroma, Farbe und Phenole, Säureharmonie und Sortentypizität. Kann aufgrund eines besseren Gesundheitszustandes später und/oder rascher gelesen werden, so ergeben sich weitere Pluspunkte. Gesundes Lesegut ergibt zusätzliche Vorteile für die Verarbeitung des Lesegutes sowie den Ausbau der Weine, gerade in frühen Jahren mit der zu erwartenden hohen biologischen Anfälligkeit. Der Wermutstropfen "Zeit- und Kostenaufwand", während der sommerlichen Hauptarbeitsspitze, wird durch bessere Weinqualitäten, Einsparung bei Ertragsregulierungsmaßnahmen und Lese sowie Verminderung von Ernteverlusten zumindest neutralisiert oder ins Gegenteil verkehrt.
Ob bei frühreifen Sorten durch Entblätterung des oberen Laubwandbereichs zu Reifebeginn Reifeverzögerungen und spätere Lesetermine mit positiven Auswirkungen auf die Weinqualität erzielt werden können, muss durch mehrjährige Versuche geklärt werden.