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Nach der Bilderbuchwitterung während des vergangenen Sommers 1999, also zur Zeit der Knospenausbildung, ist wieder mindestens mit durchschnittlichem Gescheinsansatz zu rechnen. Die hohen Mostgewichte, besonders bei den Frühsorten, haben den Reben eine hohe Reservestoffeinlagerung ermöglicht. Dabei sind, bedingt durch die sehr günstige Frühjahrs- sowie Sommer- und Herbstwitterung und damit guter Holzreife, die Voraussetzungen für einen hohen Gescheinsansatz gegeben. Nachdem auch die Gescheins- und damit spätere Traubengröße - wie uns das Jahr 1999 deutlich gezeigt hat - bedeutsam für den zu erwartenden Ertrag ist und für das Jahr 2000 mit mindestens durchschnittlichen Gescheinsgrößen zu rechnen ist, sollte beim Anschnitt entsprechende Zurückhaltung geübt werden.
Wenn auch nach wie vor die Jahrgangswitterung selbst im wesentlichen die Leistung der Reben bestimmt, so sind wiederum die Voraussetzungen für ein hohes Ertragspotenzial günstig. Auch die reichlich gefüllten Keller sowie vielfach vorhandene Übermengen sprechen eher für einen verhaltenen Anschnitt Die extrem hohen Erträge des Jahres 1999 sollten uns auch vor dem Hintergrund der Erhaltung der Leistungsfähigkeit unserer Rebstöcke veranlassen, entsprechend dem Ertragspotenzial von Sorte und Standort sachgerecht anzuschneiden. Besonders bei den weißen Frühsorten, mit ihren teils durch Ausdünnung bedingten, niedrigeren Vorjahreserträgen und den hohen Mostgewichten, ist mit besonders guter Fruchtbarkeit zu rechnen. Nicht nur aus pflanzenbaulicher Sicht bietet sich deshalb gerade hier ein deutlich verkürzter Anschnitt an, zumal diese Sorten unterdurchschnittliche Auszahlungsleistungen erbringen. Im Sinne der Sicherung der Weinqualität sollte jedoch auch bei den Sorten, die hohe Auszahlungsleistungen erbringen, wie z. B. frühreife Rote, sachgerecht d. h., nicht zu lang angeschnitten werden.
Bei reichtragenden, wenig verrieselungsempfindlichen Sorten sowie auf tiefgründigen Böden, sind die Erträge selbst bei verhaltenem Anschnitt, wie uns das Jahr 1999 wieder vor Augen geführt hat, vielfach zu hoch. Es gilt dementsprechend die Anschnittlänge auf solchen Standorten der tatsächlich zu erwartenden Fruchtbarkeit der einzelnen Parzellen anzupassen, um extreme Übererträge zu vermeiden. Wie aus Anschnittversuchen hervorging, steigt der Ertrag bei den reichtragenden Sorten: Müller-Thurgau, Kerner, Trollinger und Lemberger mit zunehmender Augenzahl pro m 2 deutlich stärker an als bei Riesling. Die Burgunderarten dürften hier eine Mittelstellung einnehmen, bei sehr fruchtbaren Klonen/Standorten/Jahren jedoch eher den reichtragenden Sorten zuzuordnen sein. Dementsprechend fallen auch die Mostgewichte mehr oder weniger stark ab. Gerade der vergangene Herbst hat uns bei überhangenen Beständen aus der Burgundergruppe gezeigt, welche negativen Folgen für die Qualität - d. h. Mostgewichtsabfall - zu erwarten sind. Kurzer Anschnitt, Ausbrechen von Schwachtrieben und rechtzeitige Ausdünnung auf eine bis zwei Trauben/Trieb kann solchen Kalamitäten wie dem "Welkwerden" eines Großteils der Trauben an überhangenen Stöcken im fortgeschrittenen Reifestadium bei etwa 50 - 60°Oe vorbeugen.
Nachdem gerade die reichtragenden Sorten - s. oben - weitgehend am langen Holz sehr fruchtbar sind, wirkt sich hier ein kürzerer oder längerer Anschnitt in Bezug auf Menge und Güte besonders gravierend aus. Als absolut ausreichende Anschnittlänge je Bogrebe bzw. je m² Standraum haben sich die in der Tabelle angegebenen Zahlen erwiesen.
Anschnittempfehlung |
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Rebsorte |
Augen / m² |
bei 2 Ruten |
1. Riesling-Gruppe |
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Riesling |
6 - 7 |
7 - 9 |
Traminer |
6 - 8 |
7 - 10 |
2. Müller-Thurgau-Gruppe |
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Müller-Thurgau |
4 - 6 |
5 - 7 |
Kerner |
4 - 6 |
5 - 7 |
Spätburgunder/Ruländer/Samtrot |
5 - 7 |
6 - 9 |
Schwarzriesling |
5 - 7 |
6 - 9 |
Lemberger |
6 - 8 |
7 - 10 |
3. Silvaner-Gruppe |
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Silvaner |
4 - 6 |
5 - 7 |
Portugieser |
5 - 6 |
6 - 7 |
Trollinger |
5 - 7 |
6 - 9 |
Dornfelder |
4 - 6 |
5 - 7 |
1.= weniger fruchtbare Sorten |
Kontrolle durch Auszählung
Um der Gefahr einer zu hohen Augenzahl vorzubeugen empfiehlt es sich, bei verschiedenen Sorten, jungen wie alten Anlagen mit meist abweichenden Wuchsstärken eine gewisse Anzahl von Stöcken genau auszuzählen und anschließend entsprechend vorzugehen. Dadurch besteht weniger die Gefahr der Überlastung von schwachwüchsigen Anlagen oder einzelnen Stöcken mit ihren geringeren Internodienabständen. Gerade hier sollte ein sachgerechter Anschnitt - kontrolliert durch Auszählung - zu einer physiologischen Ausgeglichenheit der Reben beitragen.
Nachdem die Übererträge von 1999 besonders bei den reichtragenden Sorten und jungen Anlagen vermehrt zu geschwächten Stöcken bzw. zu ungleichem Wuchs, teils verbunden mit schlechter Holzreife sowie geringer Reservestoffeinlagerung geführt haben, sollte sich der Anschnitt individuell an der Wuchskraft des einzelnen Stockes orientieren. Ziel sollte auf Dauer eine ausgeglichene Wuchsentwicklung aller Stöcke einer Anlage sein. Wie hinreichend bekannt, reagieren gerade die reichtragenden Sorten bei verlängertem Anschnitt mit unverhältnismäßig hohem Ertragszuwachs bei gleichzeitig starkem Mostgewichtsabfall. Deshalb sollten "Fehlstellen" oder schwache Nachbarstöcke nicht "überbrückt" werden.
Dort wo im Jahr 1999 extremer Überbehang mit schlechter Holzreife aufgetreten ist, besteht die Gefahr der Schwächechlorose im Frühjahr 2000. In solchen Anlagen oder bei einzelnen besonders schlecht ausgereiften Stöcken ist ein stark verkürzter Anschnitt sinnvoll. Extrem geschwächte Stöcke mit mangelnder Reservestoffeinlagerung erholen sich meist nicht in einem Jahr sondern benötigen zwei oder gar mehrere Jahre um ihren Reservestoffhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Nachdem naturgemäß bei reichtragenden Sorten, wie z. B. Müller-Thurgau, Kerner, Dornfelder aber auch Burgunderarten und vereinzelt sogar Trollinger, die Gefahr von Schwächechlorose durch Überbehang besonders groß ist, sollte nur "verhalten" angeschnitten werden um diesen Problemen vorzubeugen. Im Einzelfall kann auch durch eine gezielte Stockentlastung - Ausdünnung - oder auch den Zusatz von eisenhaltigen Blattdüngern zu den ersten Spritzungen entgegen gewirkt werden.
Bogen/Strecker hat sich bewährt
Die Empfehlung bei reichtragenden Beständen statt zwei Bögen lediglich einen Bogen sowie einen Strecker anzuschneiden hat sich in vielen Fällen als praxistauglich erwiesen. Besonders bei Sorten mit hoher Fruchtbarkeit gegen das Bogrebenende hin, wie z. B. Kerner, Müller, Trollinger und auch Lemberger trägt dies wesentlich zur Verbesserung des Blatt-/Fruchtverhältnisses am Gesamtstock bei und begrenzt den Ertrag. Dabei wird die Bogrebe nach oben, der Strecker nach unten gebogen. Die eigentliche Laubwand ist dabei ausgefüllt und der abfallende Bogenteil besser belichtet. Ist dennoch im Sommer ein zu hoher Behang vorhanden, läßt sich der eine Bogen mit geringem Aufwand leicht "einkürzen".
Ganz allgemein ist es aus pflanzenbaulicher Sicht günstiger zwei kürzere Bogreben statt einer langen anzuschneiden. Kürzere Bögen ergeben einerseits eine gleichmäßigere Triebentwicklung bei gleichzeitig geringerem Anteil an Schwachtrieben. Andererseits ist der Anteil an Trieben mit besonders vielen Gescheinen niedriger. Dies führt zu besserem Blatt-/Fruchtverhältnis gegen Bogrebenende hin, was gleichzeitig zur Steigerung der Qualität beiträgt. In bestimmten Fällen - junge ertragreiche Bestände - ist deshalb die Überlegung anzustellen, ob es nicht sinnvoll ist, die Biegdrähte auf 25 - 30 cm zu verringern. Dabei wäre es aus pflanzenbaulicher Sicht (Bodenwärme, höhere Laubwand) besser, den oberen Draht nach unten zu verlagern, als den unteren hochzunageln.
Der Anschnitt einer etwas längeren Bogrebe mit 10 bis 12 Augen sowie die Formierung als Schrägbogen hat sich, sowohl was den Ertrag als auch das Mostgewicht angeht, als praxistauglich erwiesen. Aus arbeitswirtschaftlicher Sicht ist diese Variante bereits beim Rebschnitt sowie dem Biegen aber auch den späteren Laubarbeiten und dem nächstjährigen Anschnitt als äußerst interessant zu erachten. Nachdem hierdurch die Augenzahl/m 2 bei Gassenbreiten von 1,80 bis 2 m jedoch sehr stark begrenzt wird, wird diese Vorgehensweise sicher nur für bestimmte Sorten oder auch besonders ertragreiche Bestände in Frage kommen.
Wer größere Übermengen auf dem "Konto" hat, wird natürlich einen größeren Anteil seiner Flächen oder auch gezielt bestimmte Sorten kürzer anschneiden, um arbeitswirtschaftliche Vorteile auch durch Einsparung von späteren Ausdünnungsmaßnahmen zu erzielen. Die Grenze kurzen Anschnittes liegt natürlich auch in der Erhaltung physiologisch ausgeglichener Bestände d. h., bei starkem Wachstum muss eine Mindestanschnittlänge eingehalten werden, um Verrieselungen durch zu starken Wuchs keinen Vorschub zu leisten.
Termin der Frosthärte anpassen
Die für den Rebschnitt günstigen Witterungsbedingungen der vergangen Wochen haben dazu geführt, daß viele Weingärtner bereits einen großen Anteil ihrer Rebflächen geschnitten haben. Um jedoch eine gewisse Risikobegrenzung zu betreiben, ist es auf jeden Fall sinnvoll, frostempfindliche Sorten sowie besonders gefährdete Parzellen am Hangfuß erst gegen Ende Februar zu schneiden. Wie das Jahr 1985 gezeigt hat, sind frostempfindliche Sorten bei stärkeren Frösten im Februar besonders gefährdet. Hierzu gehört auch der Trollinger. Ein Vorschnitt durch Entfernung von etwa 2 Drittel des alten Bogens kann hier helfen das Risiko gering zu halten und gleichzeitig eine eventuelle Arbeitsspitze zu brechen. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß fertiggeschnittene Reben frostempfindlicher sind als ungeschnittene.
Der Anschnitt von Frost- oder Ersatzruten bleibt von den vorher angestellten Überlegungen zunächst unberührt. Das Belassen von Frostruten ist als eine umweltfreundliche Methode gegen spätfrostbedingte Ausfälle anzusehen. Die Ersatzrute dient dort wo lediglich eine Bogrebe niedergezogen wird als Reserve und soll vor allem die physiologische Ausgeglichenheit der Rebstöcke sichern helfen. Seither wie zukünftig soll die Frost- oder Ersatzrute natürlich nur eine Sicherheitsreserve darstellen, die konsequent entfernt werden muß, wenn sie nicht als Ausgleich wirklich benötigt wird.
R. Fox |
Dezember 1999 |