Minimalschnitterziehung eine Alternative zur Spaliererziehung?
R. Fox und P. Steinbrenner
LVWO Weinsberg
Nach wie vor zwingt uns der steigende Kostendruck als auch die stagnierende Erlössituation nach weiteren Rationalisierungsmöglichkeiten im Anbau zu suchen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Daneben bietet uns der fortschreitende Klimawandel mittlerweile günstigere Bedingungen eben für Minimalschnittsysteme mit ihrer verzögerten Reife. Wird derzeit unter den Vorzeichen des Klimawandels bei Weißwein von zu hohen Mostgewichten, zu geringer Säure und untypischen Aromanoten diskutiert, so sprechen weitere Argumente für die Minimalschnitterziehung, um gerade die für deutsche Weißweine typischen Attribute Frische, Frucht, Säurespiel, Leichtigkeit und Aromafülle zu erhalten. Der durch die Reifeverzögerung mögliche spätere Lesetermin unterstützt gerade die für Weißwein gegebenen Standortvorteile gegenüber südlichen Regionen. Auch das durch den Klimawandel erhöhte Fäulnisrisiko wird durch spätere Reife bei dann niedrigeren Temperaturen sowie die lockere Traubenstruktur deutlich gemindert. Aus Umweltgesichtspunkten wäre die Minimalschnitterziehung (MSE) wegen des geringeren Energie- und Technikaufwandes ebenfalls eine interessante Alternative.
Ziel der Produktion muss es jedoch auch bei MSE bleiben gute Standardqualitäten bei ausgeprägter Sortentypizität zu erzeugen, um regionaltypische, authentische Weine anbieten zu können. Dieses Alleinstellungsmerkmal darf nicht einer möglichst kostengünstigen Produktion minderwertiger Weine geopfert werden. Dieses Marktsegment kann wohl auch in naher Zukunft noch von anderen Regionen kostengünstiger bedient werden.
Grundsätzliche Aspekte
Lage- und Bodenansprüche
Zunächst steht außer Zweifel, dass es sich um Direktzuglagen handeln muss, da zumindest an der maschinellen Ernte kein Weg vorbei führt. Die verzögerte phänologische Entwicklung erfordert mindestens durchschnittliche Lagen bezogen auf die jeweilige Sorte, um auch in qualitätsschwachen Jahren eine ausreichende Reife von Trauben und Holz zu erzielen. Wenn auch leichte Spätfrostschäden wegen des ungleichen Austriebs zu vergleichbar geringeren Ernteverlusten führen, so scheiden ausgeprägte Frostlagen wegen längerem Ertragsausfall und hohem Aufwand für den Neuaufbau nach starken Winterfrösten mit Holzschäden wohl aus.
Wuchsschwächere Standorte mit geringen Niederschlägen sind nach bisherigen Beobachtungen in Verbindung mit Zusatzbewässerung besser geeignet als zu tiefgründige, wuchskräftige Böden mit der Gefahr zu üppigen Wachstums, von Übererträgen und Qualitätsmängeln. Nach Erfahrungen mehrerer Versuchsansteller sowie eigenen Beobachtungen scheint die MSE trotz der frühzeitigen Entwicklung großer Laubflächen - siehe Abbildung 1 - und damit zunächst höherer Verdunstung nicht trockenstressempfindlicher zu sein als die herkömmliche Normalerziehung. Inwieweit hier ein anderes Wurzelsystem oder der ab ca. 2 Wochen nach der Blüte nur noch minimale Laubzuwachs verantwortlich sind, muss zunächst offen bleiben. Zumindest kann davon ausgegangen werden, dass der relativ große Anteil älterer Blätter bei der MSE zu sparsamem Wasserverbrauch - bezogen auf die Stoffbildung - beiträgt.
Eine eventuelle Bewässerung auf Trockenstandorten oder in entsprechenden Jahren sollte sich wie bei der Normalerziehung ebenfalls auf das unbedingt Nötige beschränken. Wird zuviel bewässert und damit die Vitalität stark gefördert, kann dies im Folgejahr wegen der enorm verbesserten Holzreife und Fruchtbarkeit zu Übererträgen führen (Abbildung 2).
Abbildung 1: Laubflächenbildung am 22. 5. 2003 unten bei Minimalschnitt und oben bei Normalerziehung
Abbildung 2: Erträge und Mostgewichte im Erziehungsartenvergleich bei Riesling und Lemberger
Sorteneignung
Sorten, die mit der Ausbildung kleinbeeriger lockerer Trauben reagieren, wie zum Beispiel der Riesling, Müller-Thurgau oder auch der Lemberger sind am besten geeignet. Hier ist auch eine bessere Selbstregulation des Ertrages gegeben. Dagegen scheiden Silvaner sowie alle Burgunderarten - zumindest was die Klone mit kompakten Trauben angeht - nahezu aus. Die natürliche Selbstregulation ist bei diesen Sorten geringer, was gerne zu Übererträgen und Qualitätsmängeln führt. Hauptproblem bei Sorten mit kompakten Trauben dürften jedoch die höhere Fäulnisanfälligkeit einschließlich der Essigfäule sein.
Bei schwachem Wuchs kam es bei Versuchen der LVWO Weinsberg mit dem Schwarzriesling zwar zu kleineren, nicht jedoch lockerbeerigen Trauben. Unter diesen Bedingungen war das Blatt/Fruchtverhältnis sehr ungünstig und die Qualität entsprechend unbefriedigend.
Ganz allgemein dürften unter unseren Klimabedingungen Weißweinsorten eher geeignet sein. Die spätere Reife bei kühleren Temperaturen führt zu fruchtigeren, duftigeren Weinen mit ansprechender Säure. Gerade der Riesling scheint nach bisherigen Erfahrungen besonders gut geeignet zu sein.
Umstellung alter Anlagen oder Neuanpflanzung?
In den meisten Fällen wurden sowohl im Versuch als auch in den Praxisbetrieben ältere Anlagen durch Rodung jeder zweiten Zeile und Drahtrahmenanpassung umgestellt. Vorteil älterer Anlagen ist dabei die meist geringere Wuchskraft, was diesem System mit seiner Gefahr der Laubglockenbildung entgegen kommt. Auch die höhere Stressfestigkeit älterer Anlagen ist als positiv einzustufen. Hauptvorteil dürfte die verlängerte Nutzungsdauer sein. Kann eine zwanzig- bis fünfundzwanzigjährige Anlage mit zu schmaler Zeilung bei noch ordentlichem Zustand der Unterstützungsanlage mit vertretbarem Aufwand umgestellt und danach mit minimalem Aufwand noch acht bis zehn Jahre bewirtschaftet werden, so kann dies eine echte Alternative zur Rodung darstellen.
Bei der Neuanpflanzung sind Gassenbreiten ab 3 m bei Stockabständen von 70-90 cm sinnvoll. Die Hinführung in das MSE-System muss hierbei wuchsangepasst erfolgen. Aufgrund eigener Erfahrungen ist dabei kein plötzlicher Übergang von geringer zu sehr hoher Stockbelastung/Anschnittlänge sinnvoll, sondern je nach Vitalität ein stufenweiser Übergang durch weniger starken Rückschnitt bis etwa zum dritten Standjahr. Über- und vor allem Unterbelastung ergeben Ungleichgewichte zwischen vegetativer und generativer Leistung und sind gleichermaßen ungünstig.
Drahtrahmen
Beim Drahtrahmen muss vor allem auf eine gute Tragfähigkeit und Stabilität geachtet werden. Engere Stickelabstände, genügende Einschlagtiefen, verstärkte Verankerungen sowie besonders in der oberen Drahtstation dickere Drähte bzw. Drahtpaare sind unabdinglich. Der untere Draht sollte wegen ausreichender Bodenfreiheit bei 1,1-1,2 m angeordnet sein, der obere bei ca. 2 m. Dazwischen sind 1-2 'Stabilisierungsdrähte' von Vorteil. In unseren Versuchen wurden die Ruten beim Aufbau der Erziehung nicht nur um den oberen Draht gewickelt, sondern je nach Länge auch um die Stabilisierungsdrähte (Abbildung 3). Dadurch entstanden mehrere Etagen mit jeweiligem Saftstau bei zunächst über die gesamte Höhe gleichmäßigerer Triebentwicklung.
Abbildung 3: Aufbau der Minimalschnitterziehung mit Etagen im 2. Jahr nach der Umstellung
Kulturführung
Bodenpflege, N-Düngung
Der Bodenpflege wie auch der N-Düngung kommen im Hinblick auf eine systemangepasste Wuchsstärke Schlüsselrollen zu. Grundsätzlich ist ein eher schwächerer als zu starker Wuchs erstrebenswert. Systemangepasstes - eher schwächeres - über den Gesamtbestand vor allem gleichmäßig harmonisches Wachstum ist wichtiger als bei herkömmlicher Erziehung, da kaum Korrekturen, z.B. durch Laubarbeiten möglich sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen bietet sich deshalb das Bodenpflegesystem Dauerbegrünung an. Hier kann nötigenfalls durch mehr oder weniger starke Eingriffe in das System Boden ein gezielter Effekt in Richtung Wuchsförderung erreicht werden. In unseren Versuchen wurde u.a. durch späten Eingriff Ende Juli/Anfang August sowohl eine bessere Wasser- und N-Verfügbarkeit zur Reifezeit der Trauben, als auch eine verbesserte Reservestoffeinlagerung und damit, wie erhofft, eine Vitalitätssteigerung im Folgejahr erzielt. Witterungs- und jahrgangsbedingt kam es dabei auch teils zu übermäßiger Wuchsförderung mit der Folge größeren Bodentraubenanteils. Deshalb muss mit äußerster Zurückhaltung vorgegangen werden. Gleiches trifft auch für die Stickstoffdüngung zu. Keinesfalls sind höhere, sondern eher geringere Gaben als bei der Normalerziehung angebracht. Versuche mittels Wurzelschnitt übermäßiges Wachstum zu dämpfen, hatten - trotz Arbeitstiefen von 40-50 cm, beidseitiger Arbeitsweise sowie Messerführung im Abstand von lediglich 30 cm Neben der Wurzelstange - nur einen sehr kurzfristig sichtbaren Erfolg. Spätere Wurzelausgrabungen bei der Rodung zeigten dann auch deutlich, dass lediglich maximal ein Drittel der Hauptwurzeln eingekürzt wurden.
Probleme mit untypischem Alterungston im Wein traten in unseren Versuchen mit Riesling trotz des sehr verhaltenen Wuchses und offensichtlich gestressten Reben nicht auf. Dies dürfte durch den in der Regel wesentlich späteren Lesetermin bedingt sein.
Laubschnitt, Rückschnitt
Generell wurde in unseren seit 2000 laufenden Versuchen sowohl auf den Laubschnitt, als auch auf den Rückschnitt im Winter verzichtet. Lediglich bei der zu starkwüchsigen Schwarzrieslinganlage erfolgte jeweils unmittelbar vor der Lese ein Rückschnitt zu tief hängender Triebe, um den Erntevorgang zu erleichtern. Bei Riesling und Lemberger wurden vereinzelt zu tief hängende Triebe samt Trauben etwa zum Reifebeginn mit der Heckenschere entfernt.
Kommt es bei Nord-Südzeilung auf Dauer zu übermäßiger Asymmetrie der Laubwand - 'Schräglage' nach Osten - so bietet es sich an auf der Ostseite mehr weg zu nehmen, als auf der Westseite. Messerbalkenlaubschneider sind dafür auch im unbelaubten Zustand durchaus geeignet. Der 'Rückschnitt' kurz nach der Lese dürfte sich wegen des zu diesem Zeitpunkt noch weicheren Holzes anbieten. Bei starkem Wuchs sollte jedoch auf keinen Fall zurückgeschnitten werden. Schwächeres Wachstum bietet sich dagegen eher an und birgt die Chance das physiologische Gleichgewicht zwischen Wuchs und Ertrag zu verbessern. Hier kann auch etwas mehr als nur der periphere Bereich zurückgenommen werden. Inwieweit sich ein leichter Rückschnitt auch nach besonders ertragsschwachen Jahren anbietet, um Übererträgen im Folgejahr vorzubeugen, müssen weitere Versuche zeigen.
Pflanzenschutz
Der Pflanzenschutz erfordert - entgegen den Erwartungen - keine besonderen Aufwendungen. Wegen der raschen Blattflächenentwicklung muss jedoch von Beginn an mit erhöhter Mittel- und Wassermenge gearbeitet und jede Gasse gefahren werden. Im Sommer war in Folge des nur sehr geringen Laubzuwachses eine wesentlich geringere Peronosporaanfälligkeit zu verzeichnen. Probleme mit Oidium, Schwarzfleckenkrankheit wie auch tierischen Schädlingen traten bei den im Versuch stehenden Sorten Riesling, Lemberger, Trollinger und Schwarzriesling nicht auf. Dies traf mit Ausnahme des Schwarzrieslings auch für Botrytis zu. Bei letzterem trat wuchsbedingt sowie wegen der kompakten Trauben regelmäßig frühzeitig ein starker Botrytis- und vielfach auch Essigfäulebefall auf.
Lesetermin
Bei Lemberger und Riesling war - bedingt durch die lockeren Trauben (Abbildung 4) und damit besseren Gesundheitszustand - im Vergleich zur Normalerziehung ein wesentlich späterer Lesetermin möglich. Ausnahme war das Jahr 2006, bei dem der Riesling auch bei MSE fäulnisbedingt relativ früh gelesen werden musste. Die hohen Niederschläge Anfang Oktober führten hier bei der Mehrzahl der Beeren zum Platzen der Beerenhäute. Auch 2007 musste wegen niederschlagsbedingt zu starken Wachstums relativ früh (15.10.) gelesen werden. Vorteil des meist späteren Lesetermins war unter anderem die deutlich verbesserte physiologische Reife von Trauben und Rebstock. Die Normalerziehung musste dagegen vielfach wegen der kompakten Trauben und stärkerer Fäulnis bereits deutlich vor dem Erreichen der physiologischen Reife gelesen werden. Wegen der verzögerten Reife ist ein späterer Lesetermin nicht nur möglich, sondern auch nötig, um ausreichende Mostgewichte und harmonische Säuren zu erzielen. Auch vor diesem Hintergrund bietet es sich an, nicht die geringsten Lagen für die MSE auszuwählen, um in der Reifephase ein ausreichendes Energieangebot zu sichern. Der Klimawandel mit der Folge eines früheren Reifebeginns, höheren Energieangebotes in der Reifephase, sowie späterem Vegetationsabschluss ist gerade für das MSE-System als Vorteil zu sehen, beziehungsweise macht dieses System auch bei uns praktikabel. Die Reifung bei niedrigeren Temperaturen kommt gerade dem Rieslingtyp mit seinen ausgeprägten Fruchtaromen sehr zugute. Aus kellerwirtschaftlicher Sicht dürfte die spätere Lese bei niedrigeren Traubentemperaturen gerade in warmen Herbsten ein Vorteil sein.
Abbildung 4: Der Riesling entwickelt bei Minimalschnitt kleinbeerige, lockere Trauben
Ertragssteuerung
Die Hoffnung auf eine weitgehende Selbstregulierung ist unter unseren wechselfeuchten Bedingungen nicht ausreichend in Erfüllung gegangen. Über die Steuerung der Vitalität durch Bodenpflege und N-Düngung, gegebenenfalls leichten Rückschnitt oder auch mehr oder weniger hohe Wassergaben auf Trockenstandorten, bestehen nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ist, erbrachte der Riesling in Verbindung mit einer sehr späten und geringen Wassergabe im Jahr 2003 noch über 160 kg/a. Stressbedingt fiel der Ertrag im Folgejahr auf ca. 80 kg/a ab und lag unter dem der Normalerziehung. Die wohl durch den geringen Ertrag geförderte Reservestoffeinlagerung ließ die Ertragsleistung im Folgejahr auf über 200 kg/a ansteigen. Nachdem die Schwankungen wesentlich größer sind als bei Normalerziehung, gilt es dies in den Griff zu bekommen. Erste eigene Versuche zur Ertragsbeeinflussung durch Gibberellinanwendung bei Riesling kurz nach der Blüte erbrachten im Folgejahr 2007 keinen Erfolg. Ein im Jahr 2008 durchgeführter Ertragsregulierungsversuch erbrachte recht interessante Ergebnisse - siehe Abbildung 5. Auch andere Versuchsansteller berichten von guter Wirksamkeit in Verbindung mit hohen Gibberellinkonzentrationen.
Bei der in unserem Versuch nunmehr dreißigjährigen Lembergeranlage wurde nach ausgeglichenen Erträgen in den ersten beiden Jahren im Jahr 2003 in Verbindung mit Überkronenberegnung mit 150 kg/a ein relativ hoher Ertrag bei noch ausreichenden Mostgewichten erzielt - siehe Abbildung 2. Die Vitalitätssteigerung, sowie die wohl recht hohe Reservestoffeinlagerung, führten im Folgejahr zu einem extrem hohen Ertrag von 200 kg/a bei einem Mostgewicht von lediglich 70 °Oe. Demnach ist selbst bei dieser alten Rebanlage die natürliche Selbstregulation unbefriedigend bzw. darf auch die Nachwirkung von Kulturmaßnahmen, wie beispielsweise die einer kräftigen Bewässerung, nicht außer Acht gelassen werden. Trotz jahrgangs - und ertragsbedingt teilweise schlechter Holzreife lag in allen Fällen eine ausreichende Winterfrostfestigkeit, als auch ein ausreichendes Austriebspotenzial und ein ausreichender Gescheinsansatz vor.
Abbildung 5: Ertragsregulierung bei Minimalschnitt Riesling, Weinsberg Ranzenberg 2008
Ernteergebnisse
Bei Riesling wurden bei teils beachtlichen Jahrgangsschwankungen im Mittel bei MSE um ca. 20 kg/a höhere Erträge erzielt als bei Normalerziehung - siehe Abbildung 6. Im Mostgewicht liegt die MSE im Mittel von acht Jahren bei 79 °Oe, die Normalerziehung bei 85,5 °Oe. Die Säuren unterscheiden sich, bedingt durch den späten Lesetermin, mit jeweils nahe 9 g/l wider erwarten kaum voneinander. Mit dem schlechtesten Mostgewicht des Jahrganges 2004 von 71 °Oe liegt in dieser mittleren Rieslinglage ein für Riesling in allen Jahren ausreichendes Mostgewicht für Basisqualitäten vor. Der Lemberger erbrachte nach Umstellung auf MSE nach fünfundzwanzigjähriger Standzeit im Mittel der acht Jahre 150 kg/a bei 81 °Oe und übertrifft auch hier im Ertrag die Normalerziehung - siehe Abbildung 5. Das Mostgewicht unterscheidet sich um 5 °Oe zugunsten der Normalerziehung, während die Säure bei MSE um 0,5 g/l höher liegt. Mit 70 °Oe in der MSE-Parzelle lag im Jahr 2004 ein für Lemberger grenzwertiger Reifegrad vor.
Abbildung 6: Leistungsmerkmale bei Minimalschnitt und Normalerziehung im Mittel der Jahre
Die im zwölften Standjahr auf MSE umgestellte Schwarzrieslinganlage auf der Unterlage 5BB und tiefgründigem Boden erbrachte mit 160 kg/a im Mittel der Jahre ebenfalls vergleichsweise höhere Erträge als die Normalerziehung. Im Mostgewicht betrug der Unterschied 12 °Oe zugunsten der Normalerziehung. Die Ertragsschwankungen waren hier besonders groß. Versuche mittels Gibberellinanwendung den Behang zu steuern verliefen trotz erhöhter Aufwandmengen und teilweise zweimaliger Ausbringung bei guter Applikationsqualität absolut nicht zufriedenstellend. Trotz ganzflächiger Dauerbegrünung und mehrjähriger Nulldüngung bei Stickstoff kam es zu Laubglockenbildung, sehr kompakten Trauben und in der Folge starkem Botrytis- und vielfach auch Essigfäulebefall - siehe Abbildung 7. In der Mehrzahl der Jahre war deshalb das Erntegut, unter anderem auch wegen mangelnder Farbstoffgehalte, für die Rotweinbereitung nicht geeignet. Der Schwarzriesling reagiert im Gegensatz zu Riesling und Lemberger bei Minimalschnitt selbst bei schwächerem Wuchs kaum in Richtung lockerbeeriger Trauben. Die Sorte muss deshalb derzeit unter den gegebenen Bedingungen des vorhandenen Klonenmaterials mit ausschließlich kompakten Trauben als für diese Erziehung nicht geeignet eingestuft werden.
Der Versuch wurde deshalb nach 5 Jahren Laufzeit abgebrochen und der Bestand gerodet.
Abbildung 7: Schwarzriesling wies bei Minimalschnitt wegen seiner kompakten Trauben häufig starken Botrytis- sowie Essigfäulebefall auf
Weinbewertung
Wie aus Abbildung 8 hervorgeht, wurden die Weine bei Riesling im Mittel der Jahre 2000 bis 2007 - was die Rangfolge angeht - nahezu gleichwertig eingestuft. In dem für Riesling sortentypischen Attribut Apfel/Pfirsich liegen bei MSE bessere Bewertungen vor. Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer Versuchsansteller. Überraschend ist die, gegenüber der Normalerziehung bessere Einstufung der Nachhaltigkeit. Die höhere Einstufung bei den sortentypischen Attributen des Rieslings spricht eher für die MSE, da gerade der leichtere duftigere Wein 'im Kommen' ist. Nachdem jugendliche Frische und Duftigkeit erfahrungsgemäß längerfristig nachlässt, versteht es sich von selbst, dass die Weine jung getrunken werden sollten.
Bei Lemberger schwanken die Weinbewertungen von Jahr zu Jahr wesentlich stärker - siehe auch Leistungsdaten. Die im Mittel geringere Rangfolge bei MSE bestätigt, wie zu erwarten, doch ein gewisses Manko bei den Farb- und Phenolwerten sowie Ausdruckskraft. Dies zeigt eine Schwachstelle des Systems unter unseren Klimabedingungen in Verbindung mit Rotwein auf.
Abbildung 8: Verkostungsergebnisse aus einem Erziehungsartenversuch bei Riesling; Mittelwerte aus den Jahren 2000 - 2007
Fazit
Die Minimalschnitterziehung kann, mit bedingt durch die Klimaänderung nicht mehr in Bausch und Bogen als ungeeignet abgetan werden. Im Gegenteil. Zumindest für Riesling eröffnen sich Chancen den seitherigen leichten fruchtigen Typ trotz Klimawandels weiterhin zu erhalten. Mittlere Rieslinglagen sollten jedoch die Grundlage sein, um in weniger guten Jahren noch ausreichende Qualitäten zu erzielen. Bei einem Arbeitsaufwand von 50-70 h/ha liegen die Erträge bei beachtlichen Schwankungen im Mittel sogar über denjenigen der Normalerziehung. Die Weine wurden bei unseren Versuchen mit Riesling und mit Einschränkung auch bei Lemberger trotz teils deutlich geringerem Mostgewicht als gleichwertig eingestuft. Ein gewisses Problem bezüglich der qualitätsgerechten Bezahlung dürfte zumindest bei Genossenschaften bestehen, da die Mostgewichte hier ein dominantes Kriterium darstellen. Die Sorte Schwarzriesling mit ihren kompakten Trauben und hoher Botrytisanfälligkeit kann aufgrund unserer Erfahrungen trotz ihrer frühen Reife als nicht geeignet eingestuft werden.
Für die Praxis bietet die Umstellung älterer Bestände mit noch ausreichend stabiler Unterstützungsvorrichtung eine echte Alternative zur Rodung, sofern es sich um "brauchbare" Sorten und Lagen handelt. Bezüglich des Problems Ertragssteuerung zeichnen sich erste Erfolge durch maschinelle Ertragsregulierung sowie den Einsatz von Bioregulatoren ab.
Abbildung 9: Harmonischer Wuchs in umgestellter 30-jähriger Lembergeranlage ermöglichte selbst bei Minimalschnitt gute Traubenbelichtung
Tabelle 1: Pflanzabstände und Drahtrahmen bei Minimalschnitterziehung |
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Gassenbreite 3,4 m; Stockabstand 0,80 m |
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Drahtrahmen: |
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Biegdraht |
1,1 m (3,1 mm) |
West |
Einzeldraht |
1,4 m (2,5 mm) |
West |
Einzeldraht |
1,7 m (2,5 mm) |
Ost |
Doppeldraht |
2,0 m (3,1 mm) |
Ost und West |
Alle 3 m ein Stahlstickel mit 3 m Länge, ca. 95 cm im Boden, breiteres Profil bei dickerer Materialstärke |
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Aufbau der Erziehung: Langsamer Übergang in Minmimalschnitterziehung. Anfangsjahre ähnlich wie Normalerziehung mit Bildung von "Etagen" auf den Drahtstationen. |
Tabelle 2: Charakteristische Punkte von Minimalschnittsystemen |
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+ |
schnelle Blattflächenentwicklung und damit hohe Assimilationsleistung bereits im Frühjahr |
- |
hohe Blattfläche = hoher Wasserverbrauch, stärkere Neigung zu Trockenstress (UTA bei Weißwein?) |
+ |
lockere- und kleinbeerige Trauben (sortenabhängig) |
○ |
sehr viele kleine Trauben über die ganze Laubwand verteilt |
○ |
Vollerntereinsatz erforderlich, Unterstützung anpassen |
+ |
geringere Botrytisanfälligkeit, extrem späte Lese möglich/nötig |
- |
Penetration von Pflanzenschutzmitteln in die Laubwand ist reduziert, frühzeitig große Zielfläche (angepasste Mittelmenge) |
+ |
günstiges Beerenhaut-:Beerenvolumenverhältnis (Aroma, Phenole, Farbstoffe), anderer Weintyp |
- |
Übererträge in den Anfangsjahren können zu erheblichen Qualitätsmängeln führen |
- |
Ertragssteuerung sowie Abschätzung sehr schwierig |
+ |
Anbautechnisch sind nach der Umstellung, mit Ausnahme des Entfernen von Bodentrieben, keine Stockarbeiten mehr erforderlich sowie je nach Systemkonzept kein oder nur ein geringer Winterschnitt |
- |
bei einem dennoch durchgeführten Sommerschnitt kommt es oft zu einer drastischen Reduzierung des Blatt-/Fruchtverhältnisses und zu einer Störung der Selbstregulation der Pflanze. Dies kann auch bei zu starkem Winterschnitt der Fall sein |
+ |
enorm ökonomisches System (50 ‑ 70 Std./ha einschl. Ernte), geringer Energieverbrauch |
? |
Frage der Langlebigkeit, Reservestoffhaushalt und N‑Problematik unter unseren Klimaverhältnissen bzw. der begrenzten Vegetationszeit |
? |
Traubenmaterial |
? |
Anspruch an Traubenverarbeitung |
? |
Weinqualität, Sortenfrage
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Bezüglich der Ertragsteuerung zeichnen sich durch Anwendung von Bioregulatoren sowie maschinelle Ertragsregulierung mittlerweile interessante Möglichkeiten ab. |