Schnitt nach frühen Hagelschäden
R. Fox und P. Steinbrenner
LVWO Weinsberg
Mehrere Hagelereignisse zu verschiedenen phänologischen Entwicklungsstadien prägten unter anderem das Vegetationsjahr 2008 im Württembergischen Weinbau. Bedingt durch die anhaltend sommerlichen Temperaturen im Mai entwickelten sich bereits Ende Mai erste kräftige Gewitter mit Sturm und Hagel. Dabei kam es diesmal nicht nur im Remstal, sondern auch im Bottwartal, im Raum Lauffen sowie im Weinsberger Tal zu beachtlichen Schäden mit teilweisem Totalausfall und erheblichem Windbruch. An den zu diesem Entwicklungsstadium besonders empfindlichen jungen Trieben sowie Gescheinen waren die "Einschläge" - siehe Abbildung 1 - bzw. die Verlustquote besonders groß.
Abbildung 1: Extreme Hagelschäden
Dort wo hauptsächlich die Triebspitzen geschädigt wurden, kam es zu einer Art "Zwickeffekt" kurz vor der Blüte. Dies begünstigte in teilgeschädigten Parzellen im weiteren Verlauf die Entwicklung besonders kompakter Trauben. Die daraufhin frühzeitig einsetzende Geiztriebbildung führte, nicht nur begrenzt auf die Burgunderarten, sondern bei nahezu allen Rebsorten zu einer enorm großen Zahl an Geiztrauben - siehe Abbildung 2.
Abbildung 2: Starker Behang mit Geiztrauben
Dass die Rebe bei spätem Hagelschlag "recht gut damit fertig wird", manches ausgleicht bzw. sich rasch wieder erholt und im Folgejahr meist normale Erträge bringt, ist zwar ein schwacher Trost, aber zumindest positiv. Anders sieht es bei frühem, starkem Hagelschlag aus, wie er 2008 bereits Ende Mai auftrat.
Folgen des frühen starken Hagelschlags
Ja nach Schadensgrad und Vitalität der Stöcke kam es mehr oder weniger rasch zu erneutem Austrieb bzw. Ausbildung von mehr oder weniger vielen Geiztrieben. Dort, wo der Schaden sehr stark und die Anzahl intakter Knospen an den jungen Trieben gering war, trieben neben den meist oberen Hautaugen am einjährigen Trieb schlafende Augen/Wasserschosse aus dem Altholz aus. Der – gerade um die Blütezeit – weitgehend entleerte Reservestoffvorrat (Energiereserven) führte besonders bei geschwächten Stöcken oder auch in jungen Anlagen zu verzögerter sowie vielfach recht schwacher Neutriebbildung. Hier kam es später zu besonders schlechter Holzreife. Ganz allgemein führten die relativ ungünstigen Witterungsbedingungen während des weiteren Vegetationsverlaufes bei dem unter diesen Umständen ohnehin verspäteten Wachstumsabschluss nur zu "bescheidener" Holzreife. Dies bedeutet, dass nur geringe Assimilatmengen eingelagert wurden und damit bei allen Sorten mit recht bescheidener Fruchtbarkeit gerechnet werden muss. Der zum Teil extrem hohe Behang an Geiztrauben trug seinerseits zu mangelnder Reservestoffeinlagerung ins Holz bei. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass gerade die davon besonders betroffenen Burgunderarten in ihrem Fruchtbarkeitspotenzial in der kommenden Vegetationsperiode zu wünschen übrig lassen. In Abbildung 3 sind die Ergebnisse von Gescheinsauszählungen nach frühem Hagelschlag im Jahr 2000 aufgeführt. Es wird daraus ersichtlich, dass die Fruchtbarkeit der geschädigten Bestände bei allen Sorten deutlich unter derjenigen aus Ungeschädigten liegt, obwohl die Witterungsbedingungen im Jahr 2000 für die Holzreife günstig waren. Trollinger, Kerner sowie überraschenderweise auch Schwarzriesling wiesen dabei den vergleichsweise geringsten Gescheinsansatz auf. Bei Schwarzriesling (Burgunderarten allgemein) muss davon ausgegangen werden, dass der im Hageljahr besonders hohe Behang an "Geiztrauben" mit der Folge schlechterer Reservestoffeinlagerung ins Holz Hauptursache für diese relativ geringe Fruchtbarkeit war. Nachdem das Energieangebot sowohl im Sommer 2008 als auch während der Trauben- und Holzreife niedriger war als im Jahr 2000, ist mit noch geringerer Fruchtbarkeit zu rechnen. Der diesjährig späte, natürliche Laubfall war zwar Vorteilhaft, dürfte jedoch allenfalls die Holzreife nur leicht verbessert haben.
Abbildung 3
Sommerschnitt auf kurze Zapfen war bei extremen Schäden richtig!
Wie aus Abbildung 4 hervorgeht stehen nach Sommerschnitt auf kurze Zapfen bzw. zusätzlichem Einkürzen des Bogens, möglichst bald nach dem Hagelereignis, nunmehr ausreichend ausgereifte Hölzer zur Verfügung. Wer nach starken Schäden in der Hoffnung auf einen gewissen Ertrag eben nicht zurückgeschnitten hat, der hat meist nur einen sehr bescheidenen Ertrag erzielt. Zusätzlich liegen hier nun recht ungünstige Bedingungen für den Anschnitt und somit die kommende Vegetationsperiode vor.
Dort wo nach weniger starker Schädigung durch sachgerechte Laubarbeiten d. h., Ausbrechen auf einen weiterführenden Geiz im Zielholzbereich hingearbeitet wurde, steht nunmehr ebenfalls "ordentliches" Zielholz zur Verfügung. Vielfach dürfte jedoch auch hier die schlechte Biegbarkeit infolge der Hageleinschläge ein begrenzendes Kriterium bezüglich Anschnitteignung darstellen.
Abbildung 4: Nach dem Sommerschnitt auf Zapfen stehen ausreichen ausgereifte Hölzer zur Verfügung
Winterschnitt nach frühem Hagel
Allgemein
Wegen der bescheidenen Holzreife ist bei stärkerer Schädigung - auch bei Flächen mit Sommerschnitt - mit geringerer Frostfestigkeit zu rechnen und deshalb möglichst spät zu schneiden. Die zu erwartende geringere Fruchtbarkeit gebietet es, eher länger anzuschneiden als sonst und nach Austrieb auf die fruchtbarsten Triebe auszubrechen. Durch kurze Zapfen im Stockinneren kann die Form gesichert werden. Daneben steht die Ertragssicherung obenan. Individuelle Anschnittlänge sowie Auswahl geeigneten Holzes unter Beachtung der Biegbarkeit sind oberstes Gebot. Gerade wegen der extrem hohen Bruchgefahr sind Schnitt und Biegen nicht separat zu sehen. Vielmehr müssen erst ausreichend Ersatzhölzer belassen werden, um den Rest nach erfolgreichem Biegen zu entfernen. Besonders schwache Stöcke oder auch junge Anlagen sollten jedoch nicht überlastet werden. Hier ist beim späteren Ausbrechen verstärkt auf Ausgeglichenheit zu achten.
Durch eine gewisse Ertragsbelastung in 2009 wird nicht nur übermäßigem Wuchs in der kommenden Vegetationsperiode vorgebeugt, sondern auch möglichen Übererträgen im nachfolgenden Jahr entgegnet.
Stark geschädigte Anlagen:
Anschnitt an vorhandenem, ausgereiftem und biegbarem Holz orientieren - siehe Abbildungen 5 + 6.
Abbildung 5: Biegeversuch vor und nach dem Schnitt
Abbildung 6: Junger Stock vor und nach dem Schnitt
Eventuell zwei kürzere Ruten statt einer langen anschneiden. Andere Triebe einkürzen und alten Bogen erst nach erfolgreichem Biegen entfernen. Kann über die Hageleinschläge gebogen werden, so ist mit geringerem Bruch zu rechnen. Solche Ruten sind deshalb bevorzugt auszuwählen. Selbst eine Kombination von Bogen bzw. Streckern plus Zapfen kann teilweise durchaus sinnvoll. Auch der Anschnitt mehrerer Strecker mit 3 - 4 Augen, versetzt am Bogen, kann sich in Einzelfällen anbieten. Die Strecker können dabei einfach stehen gelassen - oder lediglich flach am Draht entlang geführt werden- Abbildung 7.
Abbildung 7: Trollinger nach Schnitt auf Strecker
In Ausnahmen Bogen und Zapfen übereinander formieren. Bei zwei alten Bögen auch eine Seite mit Bogen oder Streckern sowie die andere mit Zapfen durchaus denkbar. Inwieweit es sinnvoll ist weiteres Ersatzholz zu belassen und erst nach dem Winter zu entfernen, muss offen bleiben. Ziel ist neben der Ertragssicherung insbesondere auch ein physiologisch ausgeglichener Wuchs. Liegt eine zu geringe Ertragsbelastung vor, so ist im Spätsommer nächsten Jahres mit verspätetem Wachstumsabschluss, negativen Auswirklungen auf das Mostgewicht wie auch den Gesundheitszustand der Trauben zu rechnen.
Teilgeschädigte Anlagen:
Je nach Schädigungsgrad bietet es sich hier ebenfalls an, spät zu schneiden. Tiefe Einschläge in das Holz bergen auch hier die Gefahr größerer Frostschäden - Frosttrocknis - in sich. Sind jedoch die Wunden weitgehend verkorkt, ist keine erhöhte Frostanfälligkeit gegeben. Der Anschnitt richtet sich auch in teilgeschädigten Anlagen an den vorhandenen 'Möglichkeiten'. Es sollten möglichst gut ausgereifte Triebe angeschnitten werden, selbst wenn die Stockform vorübergehend darunter leidet. Bögen, wenn nicht anders möglich auch Strecker, sind dem Anschnitt von Zapfen bei allen Sorten unter den gegebenen Jahrgangsbedingungen generell vorzuziehen. Auch hier auf Biegbarkeit achten und ausreichend Ersatzholz belassen, das nach erfolgreichem Biegen entfernt wird oder auf Strecker eingekürzt werden kann. Die extreme Bruchgefahr wird häufig unterschätzt und gebietet auch bei Teilschädigung Schnitt und Biegen parallel durchzuführen. Nachdem die Bruchgefahr zum Beginn des Blutens besonders hoch ist sollte dieses Stadium möglichst gemieden und erst in "vollem Saft" gebogen werden. Frühes Biegen im "trockenen" Zustand erhöht eventuell frostbedingte Ausfälle an hagelbedingten "Knickstellen".
Junganlagen:
Bei deutlichen Stammschäden konsequent unter Schadstelle zurückschneiden und neu aufbauen (Maukegefahr!).
Zurückhaltung bei der N-Düngung angezeigt
In Anbetracht der zu erwartenden geringen Fruchtbarkeit/Gescheinsansatz scheint es angezeigt den N-Düngungstermin bis nach dem Austrieb hinauszuschieben. Je nach vorliegender Situation kann dann die Höhe der Gabe angepasst bemessen werden.
Fazit
Der Anschnitt im Winter nach dem Hagel muss sehr individuell erfolgen, wobei unter den gegebenen Umständen Bögen zu bevorzugen sind. Nach dem Austrieb ist die Triebzahl auf das erforderlich Maß zu reduzieren und weniger fruchtbare Triebe zu entfernen. Zeigen sich in einzelnen Anlagen oder Stöcken vermehrt Schwachtriebe, so sollten diese konsequent entfernt werden um die Stöcke zu kräftigen. Bei Junganlagen muss konsequent auf Stammersatz hin gearbeitet werden, wenn tiefgehende Hageleinschläge im Stämmchen vorliegen.