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Bewässerung im Weinbau - eine Zwischenbilanz

 

Dr. Dietmar Rupp

LVWO Weinsberg

 

Hassliebe ist wohl das passende Wort, das den Wein mit dem Wasser verbindet. Bekannte Zitate aus Bibel, Literatur oder Prozessakten der Weinfälscherei säumen seit alters her ihren gemeinsamen Weg.

Dabei kann die Rebe wie alle wichtigen Kulturpflanzen nicht ohne Wasser auskommen.

Ein neues Kapitel eröffnete  daher für die deutschen Winzer im Sommer 2002 die Änderung der weinrechtlichen Vorschriften. Die zuvor eingeschränkte Bewässerung von Reben zur Produktion von Qualitätswein wurde jetzt grundsätzlich möglich.

Viel Zeit, um sich an dieses neue Instrument der Bestandesführung zu gewöhnen, blieb jedoch nicht. Bereits der folgende Trockensommer 2003 leerte die letzten Bodenwasservorräte und zugleich die Lagerbestände der Tropfschlauchlieferanten. Im deutschen Weinbau war das Bewässerungsfieber ausgebrochen.

Nicht nur für Praxis und Landhandel war das Wasser zum Hauptthema geworden, auch Berater und Versuchsansteller überboten sich mit ihren Aktivitäten. Sehr deutlich zeigt dies eine Auswertung der deutschsprachigen Weinbauzeitschriften (Abbildung 1). Während noch Mitte der 1990er Jahre in der Fachpresse kein Wort über Bewässerung zu finden war, rauschte  nach 2003 ein regelrechter Sturzbach durch den weinbaulichen Blätterwald. Allein im Jahr 2004 befassten sich zwischen Südtirol und Mosel 22 Fachartikel direkt mit der Weinbergsbewässerung !

Zwischenzeitlich sind die wesentlichen Dinge der zusätzlichen Wasserzufuhr bekannt und besprochen. Gelöst sind vor allem die technischen Fragen der Wasserverteilung. So gelten druckkompensierte Tropfersysteme ohne Zweifel als das einzig vernünftige Verfahren für eine qualitätsorientierte Bewässerung im Weinbau. Ob es Sinn macht, bei etwaigen Wassergaben gleichzeitig Nährstoffe auszubringen, ist noch nicht eindeutig entschieden. Nicht alles, was am sommertrockenen Mittelmeer oder im dürren Australien notwendig ist, lässt sich nach Mitteleuropa übertragen. Nachdem was bisher an Ergebnissen bekannt wurde, sieht es jedoch nicht danach aus, dass die düngende Bewässerung (=Fertigation) dem deutschen Winzer einen großen Nutzen bringt.

 

Häufigkeit der Fachartikel zum Thema Bewässerung in deutschsprachigen Fachzeitschriften

Abbildung 1: Häufigkeit der Fachartikel zum Thema Bewässerung in deutschsprachigen Fachzeitschriften.
Besonders nach dem Trockenjahr 2003 setzten sich viele Autoren mit diesem Thema auseinander.

 

 

In vielen Rebflächen zeigen sich auf engem Raum große Boden- und Wuchsunterschiede. An den Zeilen entlanggeführte Tropferstränge nehmen hierauf keine Rücksicht. Im Bewässerungsbetrieb werden dann oft auch Bereiche mit Wasser versorgt, die längst noch keinen Wasserbedarf haben. Ob man hier je nach Wüchsigkeit mit unterschiedlich ergiebigen Einzeltropfern arbeitet oder ob der druckkompensierte Tropfer vom "intelligenten" Tropfer abgelöst wird, kann die Zukunft zeigen.

 

Für viele Betriebe ergeben sich die Probleme nicht bei der Wasserausbringung, sondern im vor- und nachgelagerten Bereich. So sind die Fragen der Wasserbeschaffung und des tatsächlichen Nutzens in vielen Fällen nicht beantwortet.

Nicht die Wasserkosten verderben die Freude an betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Es sind die Aufwendungen für den Bau von Brunnen und Zuleitungen oder gar für den Transport im Tankwagen. Wo kein einfacher Zugang zum Leitungsnetz oder zu bereits vorhandenen Brunnen oder Feldberegnungsanlagen besteht, ist neben der Tropferbestückung der Rebzeilen mit weiteren erheblichen Kosten zu rechnen. Ganz zu schweigen von den wasserrechtlichen Vorgaben. So ist die Wasserentnahme aus Oberflächengewässern und Grundwasser erlaubnispflichtig. Bereits das Bohren eines Brunnens bedarf einer Genehmigung.

Um Gesetzmäßigkeiten der Natur geht es beim praktischen Betrieb einer Bewässerung. Denn nur bei Beachtung der Rebphysiologie kann die Wassergabe einen Nutzen haben.  Im Kern geht es um den bekannten Sachverhalt, dass der Wasserversorgungsgrad je nach Entwicklungsstadium unterschiedlich auf die Beere wirkt. Zu warnen ist insbesondere vor einem übermäßigem Wasserangebot direkt nach der Blüte und bei fortgeschrittener Reife. Im Sinne der Weinqualität sollte nur bewässert werden, wenn die Inhaltsstoffbildung der Beeren ins Hintertreffen gerät oder dem Rebwuchs nachhaltige Schäden drohen. Zur Feststellung des tatsächlichen Bewässerungsbedarfs sind viele Vorschläge gemacht worden, doch gibt es noch kein Verfahren, das physiologische Genauigkeit mit praktikabler Einfachheit verbindet. Eingebracht in die Diskussion wurden Bodenfeuchtefühler, Wasserpotenzialmessungen oder die Nutzung der klimatischen Wasserbilanz. Modelle wurden entwickelt, Kennwerte errechnet und Messapparaturen konstruiert. Ernüchterung - auch für den Verfasser dieses Textes - brachte der Blick in die Praxis. Eine Pfalz-Umfrage die Helmut Kranich vom DLR-Rheinpfalz durchführte, zeigte Ende 2007, dass sich auch die dortige Winzerschaft nicht mit langwierigen Messverfahren aufhält. Die Mehrzahl der Befragten gab an, die Bewässerung von visuellen Beobachtungen oder allenfalls von der Wetterprognose abhängig zu machen. In der Kombination gehen diese Ansätze in die richtige Richtung. Denn die Feststellung einer beginnenden Stresssituation und die Wetterentwicklung stehen hinter jeder fachlich hergeleiteten Bewässerungsentscheidung (Abbildung 2).

Letztlich soll durch die Bewässerungsmaßnahme zumindest der Mehraufwand (Schlauchsysteme, Wasser, Arbeitszeit) entlohnt werden. Dieser Mehrwert kann als rascher Bestandesaufbau im Jungfeld, längere Standzeit oder direkt durch eine verbesserte Traubenqualität realisiert werden.  Klar sind die Verhältnisse bei sonnendurchglühten Steilhängen, skelettreichen Terrassenlagen, Sandböden oder Anbaugebieten im Regenschatten. In puncto Wasser geht es hier jedes Jahr um Sein oder Nichtsein. Was aber, wenn die Trockenheit nur alle paar Jahre zum Problem wird ?

 

Abbildung 2: Vorbedingung erfüllt ? - Nur in der geeigneten Entwicklungsphase der Beere und bei tatsächlichem Wasserstress dient die Bewässerung der Qualitätsoptimierung

Abbildung 2: Vorbedingung erfüllt ? - Nur in der geeigneten Entwicklungsphase der Beere und bei
tatsächlichem Wasserstress dient  die Bewässerung der Qualitätsoptimierung

 

 

Ob sich die Investition in eine Bewässerungsanlage (bei derzeitigen Kosten von etwa 2.500 - 3.000 €/ha) auch hier rechnet, hängt dann maßgeblich davon ab, ob die Bewässerung effizient eingesetzt wird und ein etwaiger Mehrwert bei der Vermarktung (Trauben, Wein) realisiert werden kann. Nur wer die Bewässerung so einsetzt, dass sich bei stabilem Ertrag (!) die Traubenqualität (Mostgewicht, Extraktwerte, UTA-Vermeidung etc.) erhöht, hat auch die Chance auf einen monetären Erfolg.

Sehr deutlich zeigt dies die modellhafte Annahme in Abbildung 3. Für einen traubenerzeugenden Betrieb sind hier bei gleichbleibendem Ertrag (100 dt/ha) unterschiedliche Qualitätssteigerungen (und damit unterschiedliche Traubengeldauszahlungen) unterstellt. Nur der punktgenaue Einsatz der Bewässerung und/oder die häufige Wiederkehr von Trockenjahren retten die Investition über die Rentabilitätsschwelle. Die sonst gültige Aussage, dass vor allem die intensive Nutzung einer Investition zu deren Amortisation beiträgt, gilt keinesfalls für Bewässerungsanlagen im Weinbau.  Wo läge auch der Sinn, wenn man in regenreichen Jahren mit Zusatzwasser die Traubeninhaltsstoffe verdünnen und die Fäulnisgefahr verstärken würde !

Aus diesem Blickwinkel können Optimalbedingungen der Wasserversorgung (Anschluss ans öffentliche Netz, vorhandene Brunnen) oder die Gewährung von Zuschüssen auch kritisch gesehen werden:

 

Modellhafte Abschätzung der Rentabilität von Bewässerungsmaßnahmen bei der Traubenproduktion

Abbildung 3: Modellhafte Abschätzung der Rentabilität von Bewässerungsmaßnahmen bei der Traubenproduktion (Verzinsung des eingesetzten Kapitals). Angenommen sind eine mostgewichtsabhängige Traubengeldauszahlung auf der Basis eines Ertrages von 100 dt/ha und einem Erlös von 0,90 €/kg sowie der Anschluss an eine bestehende Wasserversorgung (Brunnen).  Nur wenn eine deutliche Qualitätsverbesserung erzielt wird und/oder die Trockenjahre für den betreffenden Standort eng aufeinander folgen, rechnet sich die Investition in eine Bewässerungsanlage.

 

 

 

Wer ohne große Hindernisse Wasser in den Weinberg schaffen kann, unterliegt der Versuchung, dies auch zu tun. Von vielen Autoren wird daher immer wieder daran erinnert, dass in Sachen Trockenheit die Rebe meist stressfester sei als der Winzer selbst.

Wenn auch die Trockenheit der Jahre 2003 und 2004 in guter Erinnerung ist, so finden doch vielerorts die wüchsigen Bestände mit kompakten Trauben und hohem Fäulnisdruck in der aktuellen Diskussion

weitaus mehr Beachtung.

Man kann es auch so sagen: Haupthindernis einer vernünftigen Weinbergbewässerung in Deutschland sind die hier typischen, unerwarteten Regenfälle.

Daher blieb den Verordnungsgebern trotz ihrer Eile während des Frühsommers 2002 ein früher Triumph verwehrt: Kaum waren die weinrechtlichen Veränderungen Ende Juli bekannt gemacht, wurde die Mehrzahl der deutschen Anbaugebiete von heftigen Regenfällen heimgesucht. Und so wären ohne das Trockenjahr 2003 viele Fachartikel nicht geschrieben worden.

 

 

 

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