Maßnahmen nach frühen Hagelschäden - Was hat sich bewährt?
Vollständige Anlage nach vorjährigem Sommerschnitt
R. Fox
LVWO Weinsberg
Nachdem trotz Hagelfliegereinsatz bereits am 9.5. diesen Jahres in den nördlich gelegenen Stuttgarter Rebflächen teils gravierende Schäden auftraten und am 11.5. im Heilbronner Raum erste Hagelschauer niedergingen, werden die Erinnerungen an die frühen, verbreiteten und teils gravierenden Hagelschäden vom 30. Mai 2008 erneut in Erinnerung gerufen. Das klimawandelbedingt in Zukunft mit früherem, häufigerem und intensiverem Auftreten von Hagelgewittern gerechnet werden muss, steht mittlerweile bei Klimaforschern außer Zweifel (Lesen Sie auch "Hagel- alles Zufall oder wird es schlimmer?"). Tatsche ist, dass frühe Termine bzw. Entwicklungsstadien größere Schäden, insbesondere am zukünftigen Zielholz, hinterlassen und somit auch einen Einfluss auf den Mengenertrag über das Hageljahr hinaus haben. Entgegen späten Terminen besteht jedoch bei früher Schädigung die Chance, mittels Sommerschnitt die Ausbildung gut ausgereiften und biegbaren Zielholzes zu fördern. Wer im Jahr 2008 bei starker Schädigung - >85% Ernteausfall - wegen gewisser Ertragserwartung nicht zurückgeschnitten hat, war nachher häufig nicht nur wegen geringer Erntemengen sondern auch schlechter Zielholzbildung enttäuscht. Besonders in jungen Anlagen sowie in langjährig gestressten und somit schwachwüchsigen Beständen/Stöcken mit geringer Reservestoffeinlagerung, kam es nur noch zu sehr bescheidener Neutriebbildung.
Nachdem der Reservestoffvorrat (Energiereserven) um die Blütezeit weitgehend entleert ist, kommt es generell zunächst nur zu einem "langsamen" Wachstumsbeginn. Die einzelstockweise recht unterschiedlichen Reserven führen dann auch zu großen Unterschieden was den Neuzuwachs angeht.
Kaum Austriebsausfälle sowie gute Fruchtbarkeit
Trotz relativ ungünstiger Witterungsbedingungen während der Trauben- und Holzreife sowie Wintertemperaturen von minus 16 bis -18°C in Tallagen, traten selbst an stark angeschlagenen Trieben - siehe Abbildung 1 - praktisch keine Austriebsausfälle auf.
Abbildung 1: Auch nach starker Holzschädigung ausgetrieben - linker Zapfen
Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, ist die Fruchtbarkeit bei Riesling und Schwarzriesling (Burgunderart) in vorjährig nicht geschädigten Flächen recht hoch. Zwischen Sommerschnitt und "nicht zurückgeschnitten" liegen nur geringe Unterschiede vor. Beide weisen jedoch deutlich geringere Gescheinszahlen auf als vorjährig ungeschädigte Anlagen. Wo auf Zapfen zurückgeschnitten wurde - hier nicht alle Sorten angegeben - ist derzeit zwar eine hohe Triebzahl vorhanden, die Gescheinszahl/Trieb liegt jedoch deutlich unter derjenigen bei Bogenschnitt - siehe Tabelle 1 sowie Abbildungen 2 und 3.
Tabelle 1: Einfluss des Hagelschadens vom 30. 5. 2008 |
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Sorte |
Behandlung |
Anschnitt |
Trauben |
Trollinger |
Vergleich* |
Bogen |
1,63 |
mit Sommerschnitt |
Bogen |
1,09 |
|
ohne Sommerschnitt |
Bogen |
1,01 |
|
ohne Sommerschnitt |
Zapfen |
0,86 |
|
Lemberger |
Vergleich* |
Bogen |
1,99 |
mit Sommerschnitt |
Bogen |
1,47 |
|
ohne Sommerschnitt** |
Bogen |
1,77-1,87 |
|
ohne Sommerschnitt** |
Zapfen |
1,01-1,38 |
|
Riesling |
Vergleich* |
Bogen |
2,33 |
ohne Sommerschnitt |
Bogen |
1,95 |
|
ohne Sommerschnitt |
Zapfen |
1,57 |
|
Schwarzriesling |
Vergleich* |
Bogen |
1,86 |
ohne Sommerschnitt |
Bogen |
1,64 |
|
*Vergleich:Vorjahr ohne Hagelschaden ** Geringerer Schädigungsgrad |
Inwieweit bei Zapfen gleich große Gescheine vorliegen, kann derzeit nur unvollständig beurteilt werden. Nachdem gerade im vergangenen Jahr bei nahezu allen Sorten ein beachtlicher Behang an Geiztrauben zu verzeichnen war und Trauben- vor Holzreife geht, also eher mit besonders geringer Reservestoffeinlagerung gerechnet werden musste, war dies so nicht zu erwarten. Die gezielte Auswahl gut ausgereiften und austriebsfähigen Fruchtholzes in Verbindung mit späterem Schnitttermin dürfte zur "Ertragssicherung" beigetragen haben und ist mit in die Beurteilung einzubeziehen. Der besonders verzögerte und etwas lückenhafte Austrieb einer stark geschädigten Schwarzrieslinganlage (Abbildung 4) ohne nachfolgenden Sommerschnitt und extremem Geiztraubenbehang deutet jedoch auf die Schwächung der Stöcke hin. Interessant ist der hier vergleichsweise recht kräftige Austrieb der Wasserschosse samt des dort relativ guten Gescheinsansatzes. Bemerkenswert ist noch, dass bei insgesamt geringer Holzleistung dennoch weitgehend auf Bögen angeschnitten werden konnte.
Abbildung 4: Unbehandelter Schwarzriesling treibt am Bogen etwas ungleich und verzögert aus
Auch in einer wohl in den Vorjahren durch hohe Erträge geschwächten jungen Lembergeranlage mit sehr geringem Laubneuzuwachs nach dem Hagelereignis, ist die Fruchtbarkeit selbst dort, wo auf Zapfen geschnitten werden musste, mit 1,38 Gescheinen/Trieb vergleichsweise gut - Abbildung 3.
Die Empfehlung des terminlich späten Rebschnittes sowie des Anschnittes von Bögen, wo irgend möglich, hat sich, neben der ausreichenden Fruchtbarkeit auch derjenigen Bogenteile die auf einem weiterführenden Geiztrieb beruhen, als richtig erwiesen - Abbildung 5.
Abbildung 5: Bogen auf Geiztrieb abgeleitet
Nach Zapfenschnitt nun konsequente Triebkorrekturen erforderlich
Überall dort wo wegen erhöhter Bruchgefahr auf Zapfen geschnitten worden ist bzw. werden musste, ist nun wegen der hohen Triebzahlen konsequent auf 1 Trieb/Zapfen bzw. ca. 14 Triebe/laufender Meter Laubwand auszubrechen. Dass hier zu dicht stehende, weniger fruchtbare sowie Schwachtriebe bevorzugt ausgebrochen werden, versteht sich von selbst. Besonders im Stockinneren ist wegen des Stockaufbaues auf die richtige Stellung der belassenen Triebe zu achten und ausreichend "Luft" zu schaffen. Die Zeiteinsparung bei Rebschnitt und Biegen wird durch den hohen Aufwand beim Ausbrechen vielfach mehr als aufgezehrt. Wird aus arbeitswirtschaftlichen Gründen nicht ausgebrochen, müssen jedoch später erhebliche Probleme wegen zu dichter Laubwände in Kauf genommen werden.
Was ist im Sommer zu beachten?
Oberstes Ziel nach frühem, starkem Hagelschaden muss eine ausreichende Assimilationsfläche, ausreichende Trieblängen bzw. Triebstärken, gute Belichtung sowie gute Holzreife für das nächstjährige Anschnittholz sein. Um übermäßigem Wuchs im Spätsommer/Herbst, verbunden mit nochmals verzögertem Holzreifebeginn, entgegen zu wirken, sollte jegliche N-Düngung sowie intensive mechanische Bodenbearbeitung unterlassen werden. In Junganlagen bis etwa zum 2. Standjahr ist je nach Schädigungsgrad der Stämmchen eine Neuaufzucht notwendig, um dauerhaft intakte Stämme zu erhalten.
Dort wo nach starkem Hagelschaden kaum noch Gescheine/junge Trauben vorliegen ist ein baldiger "Rückschnitt" auf das unterste, intakte Auge sinnvoll, um die sich entwickelnde Wuchskraft zielgerichtet wirksam werden zu lassen. Treiben mehrere Triebe je grünem Stummel aus, bleiben diese schwächer und reifen schlechter aus. Sowohl aus arbeitswirtschaftlichen wie auch aus pflanzenbaulichen Gründen bietet es sich an, die alten Bögen auf etwa die Hälfte oder gar nur ein Drittel der Länge einzukürzen. Je nach Vitalität ist eine deutlich reduzierte Triebzahl/Stock anzustreben. Gerade bei sehr jungen und weniger wüchsigen Beständen kann dadurch die Entwicklung von wenigen kräftigeren Trieben gefördert werden. Die Laubwand sollte gleichmäßig, locker gefüllt sein. Gegebenenfalls sollten 2-3 Wasserschosse aus dem Kopfbereich hochgezogen werden. Lokalen Verdichtungen ist entgegenzuwirken. Auf eventuell geringen Traubenbehang sollte keine Rücksicht genommen werden, da die Pflanzenschutzmaßnahmen bis in den September hinein durchgeführt werden müssen und damit die Wartezeit ohnehin nicht eingehalten und somit die Trauben nicht geerntet werden können. Wo sich sortenbedingt (Burgunderarten, Müller-Thurgau) viele Geiztrauben entwickeln, wäre deren Entfernung zur Förderung der Holzreife und Reservestoffeinlagerung theoretisch von erheblichem Vorteil. Die Beobachtungen aus 2008 einschließlich der Gescheinsauszählungen bis etwa Mitte Mai 2009 unterstützen dies trotz enormem Geiztraubenbehang in 2008 insoweit nicht, als dennoch recht hohe Gescheinszahlen ermittelt werden konnten. Inwieweit sich noch Nachwirkungen einschließlich dem Auftreten von Chlorose bis hin zum Blüteverlauf einstellen, muss abgewartet werden.
Inwieweit einzelne ältere Anlagen mit überholten Zeilenbreiten oder schlechtem Zustand der Unterstützungsanlage sofort gerodet werden sollten, ist im Einzelfall zu entscheiden. Teilweise kann dies durchaus wirtschaftlich sein.
In Anlagen mit Teilschädigung bis 70 % Ertragsausfall ist kein Rückschnitt angezeigt. Hier sollten im weiteren Verlauf dürre Teile kontinuierlich aus der Laubwand herausgenommen werden. Soweit erforderlich bietet es sich an, in Verdichtungszonen sowie im Zielholzbereich auf einen weiterführenden Trieb/Geiz auszubrechen. Besonders im Stockinnern ist auf gute Belichtung zur Förderung der Holzreife zu achten.
Neu- und Junganlagen
Frisch gepflanzte Reben sind bei starker Schädigung auf kurze Stummel zurückzuschneiden und zu gegebener Zeit auf einen Trieb auszubrechen und aufzubinden.
Bei Reben im 1. Standjahr (2-jährige) mit starken Einschlägen im jungen Stämmchen muss auf Stammersatz hin gearbeitet werden (Maukegefahr). Stämmchen sofort nach Schadensereignis - bis spätestens ca. 20. Juni - unterhalb der untersten Einschläge abschneiden bzw. auf ca.10 cm zurückschneiden. Möglichst 2 – 4 Triebe/Stock hochziehen und bis zum Biegdraht ausgeizen. Wenn lediglich die grünen Triebe geschädigt sind, diese auf kurze Zapfen zurückschneiden. Bei späteren Terminen empfiehlt sich kein Rückschnitt in der laufenden Vegetationszeit.
Bei Bodenpflege und N-Düngung Zurückhaltung üben
Bei Totalschädigung darf der Boden möglichst nicht intensiv mechanisch bearbeitet werden, um den Triebwuchs nicht unnötig zu fördern. Auch in nicht eingesäten Gassen sollte zunächst lediglich gemulcht werden. Der Wuchs im Spätsommer soll gebremst und damit der Beginn der Holzreife gefördert werden. Eine Stickstoffdüngung ist nicht sinnvoll.
Wenn Triebe aus dem Bereich des Veredelungskopfes hochgezogen werden müssen (Junganlagen), muss gezielt auf die Bewuchsfreiheit (indirekter Pflanzenschutz) im Unterstockbereich geachtet werden. Gegebenenfalls hier einige Tage nach dem Hagelereignis bzw. vor Beginn neuer Laubbildung ein Herbizid einsetzen oder mit dem Flachschar arbeiten, um eine Schädigung der jungen Triebe durch Abtrift oder durch den Taster des Bearbeitungsgerätes zu vermeiden.
Pflanzenschutz nicht vernachlässigen
Wo extreme Schäden vorliegen und/oder mittels Sommerschnitt auf Zapfen zurückgeschnitten wurde bzw. in Junganlagen neue Stämme hochgezogen werden müssen, ist mangels Behang an reifenden Trauben mit anhaltendem Neuzuwachs bis Ende September zu rechnen. Hier muss wegen der hohen Anfälligkeit des jungen Laubes je nach Witterung bis ca. 15. September sowohl gegen Peronospora als auch gegen Oidium behandelt werden. Nachdem die Gefahr der Knospenbesiedlung durch Oidium mit der Folge von Zeigertriebbildung im darauffolgenden Jahr besonders groß ist, sind auch hier effiziente Präparate sinnvoll. Die sich entwickelnden Gescheine/jungen Trauben bieten ein günstiges Infektionsfenster oder auch "Sprungbrett" für die nachfolgende Knospenbesiedlung.
Blattdünger sollten mit Ausnahme von eisenhaltigen Präparaten nicht zur Anwendung kommen da sie die Holzreife zusätzlich verzögern können. Dagegen können 2- bis 3-malige Zusätze eisenhaltiger Blattdünger zur normalen Spritzung bei dem ungünstigen Energiestatus der stark hagelgeschädigten Reben durchaus sinnvoll sein. Zur Förderung des Wachstumsabschlusses kann bei den letzten 2 Spritzungen ein geringer Zusatz kupferhaltiger Präparate durchaus von Vorteil sein. In Jahr nach dem Hagelereignis kann wegen des angespannten Reservestoffhaushaltes der Reben durchaus ein Einsatz eisenhaltiger Blattdünger bei den Vorblütespritzungen zur Kräftigung der Stöcke sinnvoll sein.
Schluss
Ein generelles Patenrezept gibt es nicht. Nach frühem, starkem Hagelschaden sollte jedoch zielgerichtet vorgegangen werden. Hierdurch lassen sich nachfolgende Probleme begrenzen, Mehraufwendungen im Folgejahr mindern und eher wieder normale Erträge erzielen.